Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek
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DER TAGESSPIEGEL vom 22.10.2012<br />
Seite: 022 N<strong>um</strong>mer: 21490<br />
Ressort: WISSEN_FORSCHEN Auflage: 147.246 (gedruckt) 121.674 (verkauft)<br />
123.848 (verbreitet)<br />
Rubrik: WISSEN & FORSCHEN Reichweite: 0,28 (in Mio.)<br />
Gattung: Tageszeitung<br />
Für die Leser da s<strong>ein</strong><br />
<strong>Bibliothek</strong>are greifen Verlage an, die E-Books nicht freigeben, und wollen sonntags öffnen<br />
Öffentliche <strong>Bibliothek</strong>en haben die Aufgabe,<br />
allen sozialen Gruppen Informationen<br />
und Bildung zugänglich zu<br />
machen. Wie sie diese Rolle in Zeiten<br />
knapper Kassen und angesichts <strong>ein</strong>es<br />
Streits mit Verlagen <strong>um</strong> das Angebot<br />
von E-Books noch erfüllen können, sind<br />
Themen des "Berichts zur Lage der<br />
<strong>Bibliothek</strong>en", den der Deutsche <strong>Bibliothek</strong>sverband<br />
(dbv) am Freitag in Hamburg<br />
vorgestellt hat.<br />
Öffentliche <strong>Bibliothek</strong>en dürfen seit<br />
1965 jedes gedruckte Buch z<strong>um</strong> Endkundenpreis<br />
kaufen und dann an die<br />
Öffentlichkeit verleihen. Das gilt allerdings<br />
nicht für E-Books, auch wenn<br />
mittlerweile über 500 von 2000 Öffentlichen<br />
<strong>Bibliothek</strong>en solche zur Ausleihe<br />
anbieten. Ob die <strong>Bibliothek</strong>en in den<br />
Besitz von E-Books kommen, entscheiden<br />
indes die Recht<strong>ein</strong>haber. Das sind<br />
entweder die Verlage, Lieferanten, die<br />
in deren Auftrag handeln oder aber<br />
sogenannte Aggregatoren wie Divibib<br />
oder Ciando, die E-Books lizensieren<br />
und sie den Lesern über eigene Plattformen<br />
zur Verfügung stellen.<br />
Doch <strong>ein</strong>ige Verlage wollen ihre Inhalte<br />
nicht lizensieren. Sie fürchten durch die<br />
Ausleihe Umsatz<strong>ein</strong>bußen, mitunter dramatische.<br />
Für den <strong>Bibliothek</strong>sverband<br />
ist das nicht nachvollziehbar. "Diese<br />
Diskussion wird schon genauso lange<br />
geführt wie es Öffentliche <strong>Bibliothek</strong>en<br />
Wörter: 509<br />
© 2012 PMG Presse-Monitor GmbH<br />
und Handel mit Büchern gibt", sagte<br />
Frank Simon-Ritz, stellvertretender Vorsitzender.<br />
Bewahrheitet hätten sich solche<br />
Befürchtungen nie: "Auch im 19.<br />
Jahrhundert galt schon: Wer viel liest,<br />
leiht viel und kauft auch viel." Die Forderung<br />
des Deutschen <strong>Bibliothek</strong>sverbandes<br />
ist daher klar: "Wir erwarten<br />
vom Gesetzgeber die Gleichstellung von<br />
E-Books mit gedruckten Büchern in<br />
allen Bereichen", sagte die Vorsitzende<br />
Monika Ziller.<br />
Auch die wissenschaftlichen <strong>Bibliothek</strong>en<br />
stehen durch die Unsicherheiten in<br />
der Lizenzvergabe und <strong>ein</strong> defizitäres<br />
Urheberrecht vor Problemen. Die Folgen<br />
muten z<strong>um</strong> Teil grotesk an, etwa<br />
wenn E-Books nur an eigens dafür <strong>ein</strong>gerichteten<br />
elektronischen Leseplätzen<br />
gelesen, nicht aber ausgedruckt, kopiert<br />
oder gespeichert werden dürfen.<br />
"Zukunftsfähige Wissenschaft wird so<br />
nicht möglich s<strong>ein</strong>", kritisierte Simon-<br />
Ritz.<br />
Die Frage der Zukunftsfähigkeit stellt<br />
sich auch den Öffentlichen <strong>Bibliothek</strong>en.<br />
Wenig überraschend mangelt es<br />
den <strong>Bibliothek</strong>en an Geld. Besonders<br />
die großstädtischen Bücherhallen leiden,<br />
heißt es im Bericht. Zudem müssten sie<br />
sich oft vorwerfen lassen, sich "nur <strong>um</strong><br />
die Förderung der unteren Schichten" zu<br />
kümmern, sagte Hella Schwemer-Martienßen,<br />
Vorsitzende des Landesverbands<br />
Hamburg. Dabei seien die Stärken der<br />
Öffentlichen <strong>Bibliothek</strong>en schon lange,<br />
Lern- und Begegnungsrä<strong>um</strong>e für alle zu<br />
schaffen und bürgerschaftliches Engagement<br />
zu fördern. Defizite bestünden vor<br />
allem bei den Öffnungszeiten.<br />
"In Skandinavien sind <strong>Bibliothek</strong>en<br />
dann geöffnet, wenn die Menschen Zeit<br />
haben", sagte Schwemer-Martienßen.<br />
"In Deutschland ist das nicht so, denn es<br />
gilt das Sonntagsarbeitsverbot." Das<br />
führe etwa dazu, dass die große Hamburger<br />
Zentralbibliothek in der Nähe des<br />
Hauptbahnhofs am Sonntag geschlossen<br />
sei, "inmitten von etlichen geöffneten<br />
Museen".<br />
Wären die Tore geöffnet, würden Lesehungrige<br />
die Lesehallen z<strong>um</strong> selbstverständlichen<br />
Ziel ihrer Wochenendausflüge<br />
machen, glaubt Schwemer-Martienßen.<br />
All<strong>ein</strong> in die Zentralbibliothek<br />
der Hansestadt würden an <strong>ein</strong>em Sonntag<br />
an die 8000 Menschen strömen. Das<br />
beschreibe auch gut ihre Vision der<br />
<strong>Bibliothek</strong> der Zukunft: "Da s<strong>ein</strong>, wenn<br />
die Menschen uns brauchen." Meike<br />
Fries<br />
Der <strong>Bibliothek</strong>sbericht im Internet:<br />
www.bibliotheksverband.de/dbv/themen/bericht-zur-lage-derbibliotheken.html