Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek
Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek
Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Speichern: Fairness und Ausgewogenheit im Urheberrecht http://fazarchiv.faz.net/doc<strong>um</strong>ent/saveSingleDoc/FAZT__FD12012080...<br />
mächtigen Gruppe von Verlagen lautlos aufgekündigt wurde und daher nicht mehr<br />
funktioniert. Einer anstehenden Neuregelung des Urheberrechts kommt die Aufgabe<br />
zu, das Gleichgewicht zwischen den Interessen der Urheber, der Nutzer und der<br />
Rechteverwerter im Wissenschaftsbereich wiederherzustellen.<br />
Diese Forderung adressiert auch die im Urheberrecht verankerten Regelungen,<br />
sogenannte "Schranken", die Zugang und Nutzung wissenschaftlicher Werke im<br />
digitalen Zeitalter betreffen. Auch hier haben sich die Gewichte zugunsten der<br />
Verlage und zuungunsten der Nutzer verschoben. Insbesondere tragen gerade<br />
diejenigen Vorschriften, die sich mit digital vorliegenden Werken befassen, den<br />
Erfordernissen <strong>ein</strong>er schnellen und ungehinderten Wissenschaftskommunikation zu<br />
wenig Rechnung. Hierfür seien zwei besonders gravierende Beispiele genannt:<br />
Obwohl der Gesetzgeber <strong>ein</strong>e neue Regelung für den schnellen Kopienversand aus<br />
<strong>Bibliothek</strong>en in das Gesetz <strong>ein</strong>geführt hat, liefern wissenschaftliche <strong>Bibliothek</strong>en<br />
immer noch fast ausschließlich Papierkopien. Die gesetzlichen Anforderungen an<br />
den Versand von Digitalkopien sind nämlich derart komplex und realitätsfremd,<br />
dass ka<strong>um</strong> <strong>ein</strong>e <strong>Bibliothek</strong> das Risiko <strong>ein</strong>es Rechtsstreits <strong>ein</strong>gehen möchte.<br />
Ein weiteres Beispiel ist der elektronische Leseplatz, der von der Politik auch als <strong>ein</strong><br />
Mittel zur Förderung der Medienkompetenz propagiert wurde, im Alltag aber<br />
bedeutet, dass <strong>Bibliothek</strong>en die von ihnen erworbenen gedruckten Werke in<br />
digitaler Form nur an stationären Terminals in der <strong>Bibliothek</strong> selbst zeigen dürfen.<br />
Vollends absurd wird dieser "Service" durch mittlerweile ergangene Gerichtsurteile,<br />
wonach noch nicht <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong> Papierausdruck <strong>ein</strong>zelner Seiten an diesem Terminal<br />
gestattet s<strong>ein</strong> soll, obwohl man aus den Büchern legal kopieren darf.<br />
Auch die Digitalisierung von älterer Literatur bereitet nach derzeitiger Rechtslage<br />
Schwierigkeiten. So unterliegen ältere Werke zwar noch dem Urheberrecht, haben<br />
jedoch häufig k<strong>ein</strong>en feststellbaren Recht<strong>ein</strong>haber mehr. <strong>Bibliothek</strong>en und Archiven<br />
sollte daher das Recht <strong>ein</strong>gerä<strong>um</strong>t werden, diese "verwaisten Werke" zu<br />
digitalisieren und der Öffentlichkeit unter Wahrung angemessener<br />
Vergütungsansprüche etwaiger Recht<strong>ein</strong>haber zur Verfügung stellen zu können.<br />
Ziel der gesetzgeberischen Bemühungen <strong>um</strong> <strong>ein</strong>e erneute Novellierung des<br />
Urheberrechtsgesetzes ("Dritter Korb") müssen daher verlässliche, transparente,<br />
leicht <strong>um</strong>setzbare und faire rechtliche Rahmenbedingungen für die<br />
wissenschaftliche Arbeit mit publizierter Information s<strong>ein</strong>.<br />
Embargofrist für Autoren<br />
Aus Sicht der Wissenschaft heißt das, nicht nur die beschriebenen Probleme zu<br />
lösen, sondern darüber hinaus auch <strong>ein</strong> Zweitveröffentlichungsrecht für Aufsätze<br />
und unselbständig erschienene Werke als zwingende Regelung im<br />
Urhebervertragsrecht festzulegen. Mit <strong>ein</strong>em solchen, vertraglich nicht abdingbaren<br />
Recht würde die Position der wissenschaftlichen Urheber gegenüber allen Verlagen<br />
erkennbar gestärkt. Dieses sollte wissenschaftlichen Autoren nach <strong>ein</strong>er<br />
angemessenen Embargofrist von sechs Monaten <strong>ein</strong>gerä<strong>um</strong>t werden und ihnen<br />
damit die Möglichkeit geben, selbst über den Grad der Sichtbarkeit ihrer<br />
Forschungsergebnisse zu entscheiden. Die Embargofrist würde sicherstellen, dass<br />
Verlage wirtschaftlich arbeiten können.<br />
Sollte es der Bundesregierung nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode<br />
gelingen, den Dritten Korb des Urhebergesetzes auf den Weg zu bringen, muss<br />
z<strong>um</strong>indest sichergestellt werden, dass <strong>Bibliothek</strong>en auch weiterhin die Möglichkeit<br />
haben, (Lehrbuch-)Inhalte selbst zu digitalisieren und als elektronische<br />
Semesterapparate insbesondere für die Lehre bereit zu stellen (Lehrbuchabsatz §<br />
52a UrhG).<br />
<strong>Es</strong> gibt <strong>ein</strong> starkes gesellschaftliches Interesse an <strong>ein</strong>er Ausgestaltung des<br />
Urheberrechts, die den Wissenschafts- und damit auch den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland fördert. Seit Jahren wirbt die Allianz der deutschen<br />
Wissenschaftsorganisationen gem<strong>ein</strong>sam mit der Kultusministerkonferenz bei der<br />
Bundesregierung für <strong>ein</strong>e Umsetzung dieser Forderung. Sie ergibt sich aus dem<br />
Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit und trägt dazu bei, die wissenschaftlichtechnischen<br />
Grundlagen für den Wohlstand unserer Gesellschaft zu sichern.<br />
Wolfgang Marquardt ist Vorsitzender des Wissenschaftsrates und Sprecher der<br />
Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen.<br />
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung GmbH, Frankfurt am Main<br />
Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de<br />
2 von 2 08.08.2012 13:46