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Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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17<br />

griffen, dessen sich diese zur Bezeichnung ihrer Ortsnachbarn bedienten. Über<br />

ihn steht soviel fest, daß er nicht als Name für das Gesamtvolk geprägt worden<br />

ist, sondern zunächst an einer einzelnen Völkerschaft haftete und seine umfassende<br />

Bedeutung erst einer Übertragung verdankt, ein Vorgang, der in der Bezeichnung<br />

aller Deutschen als Allemands durch die Franzosen oder als Schwaben<br />

durch die Ungarn Seitenstücke hat. Der Stamm, der zuerst Germani hieß, tritt uns<br />

bei Cäsar, in mehrere Unterabteilungen gespalten und wohl schon stark keltisiert,<br />

im Bereich des Ardennenwaldes entgegen." 17 Der Germanist weist hier daraufhin,<br />

daß der Name Germanen eine gallische Fremdbezeichnung ist, welche die Römer<br />

übernommen haben (Germani), und daß dieser generische Name auf den Namen<br />

eines germanischen Sonderstammes zurückgeht, der einst Grenznachbar der<br />

Kelten war und von diesen dann im Verlaufe der weiteren Bekanntschaft mit<br />

anderen, diesem Sonderstamm verwandten Stämmen als generischer Name für sie<br />

alle ausgedehnt worden ist.<br />

Diese Hypothese vertrat in der Antike schon Prokopios: "Diese alle, die vor alters<br />

zu beiden Seiten des Rheinstromes saßen, trugen sämtlich ihre besonderen Namen.<br />

Darunter war nun ein Volksstamm, der "Germanen" hieß. Insgemein wurde<br />

die Gesamtheit "Germanen" genannt." 18 Die Logik der Namensbildung wird hier<br />

also als pars pro toto dargestellt. Der Teil einer Gesamtheit, mit dem man zuerst<br />

in Berührung kam, steht nun für den großen Rest, den man später kennenlernte.<br />

Die Verallgemeinerung des Sondernamens zu einem generischen Namen praktiziert<br />

ein anderes als das durch ihn bezeichnete Volk, über das sich der Germanist<br />

sogar sicher ist, "daß die Germanen selbst sich als Gesamtvolk nicht mit diesem<br />

Namen benannten, sowenig wie die Deutschen sich selbst Allemands nennen,<br />

und wahrscheinlich hat es überhaupt eine für ihre Gesamtheit geltende Bezeichnung<br />

in ihrer Sprache nicht gegeben." 19 So liefert uns die Sprachgeschichte<br />

Erkenntnisse über Herkunft des Namens und die Veränderung seines Gebrauchs<br />

(Verallgemeinerung), aber sie kann uns nicht mit derselben Bestimmtheit die<br />

Bedeutung dieses Namens aufklären. Von der Deutung als Germänner, über die<br />

Ableitung von Hermin, Irmin bis zur Substantivierung des Beiwortes ga-ermana=<br />

groß, allgemein, variieren die angebotenen Alternativen. Ganz zu schweigen<br />

von der Bedeutung, die dieser Name für jenes Fremdvolk hatte, das ihn sich für<br />

seine eigenen Zwecke schuf! Denn offensichtlich diente er doch diesem Volk als<br />

nomen differentiae gegenüber Vertretern einer dritten Adressatengruppe, den<br />

Römern.<br />

Ein völkerkundliches Beispiel für die Inversion der Namensbildung dieses historischen<br />

Beispiels bietet der Name der Yanomami und seiner Abwandlung Yanoama,<br />

die beide als Namen für das Prädikat „Mensch“ stehen. Von Becher<br />

erfahren wir, „daß sich die Surara und Pakidai als Yanomami bezeichnen und die<br />

Waika und Xiriana nach Zerries und Schuster als Yanoama.“ 20 Derselbe Autor<br />

17 R.Much, Deutsche Stammeskunde, Berlin, Leipzig 1920, S.60<br />

18 Prokopios, Vandalen und Gotenkriege (ed. D.Coste), 4, 20,2, 1922<br />

19 R.Much, Deutsche Stammeskunde, Berlin, Leipzig 1920, S.61<br />

20 H.Becher, Die Surara und Pakidai, Hamburg 1960, S.6

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