Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Mit den richtigen Namen wird der Ernst und das Fest des Lebens verbunden,<br />
denn der wesentliche Name zeigt auch Wesentliches, das Achtens- und Beachtenswerte,<br />
dem die Pflege (colere= pflegen → Kultur) gilt. Deshalb ging man<br />
früher auch sorgfältiger und achtsamer mit den Namen und Begriffen um. Dies<br />
geboten allein ihre Kraft, das Verborgene zum Vorschein zu bringen, und ihre<br />
Macht, das Offenbare zu verhüllen. Die alten Griechen problematisierten daher<br />
auch die Wahrheit in dem Gegensatzpaar von ������� und ����, in dem Gegensatzpaar<br />
von Entbergen (oder Erinnern) und Verbergen (oder Vergessen). Weil<br />
Unachtsamkeit und Sorglosigkeit im Wortgebrauch jene Gefahren heraufbeschworen,<br />
deren Abwehr sich alle Kultur und aller Kult verschrieben hatten,<br />
wurden entsprechende Namen gepflegt und vor Mißbrauch geschützt, schließlich<br />
tabuisiert. Es wurden Zeiten des Namensgebrauchs und des Verschweigens kalendarisch<br />
festgelegt genauso wie Personenkreisen Rechte des Gebrauchs bestimmter<br />
Namen zugeschrieben und damit andere von ihrem Gebrauch ausgeschlossen<br />
wurden.<br />
Namensgebung ist die Entdeckung eines Verhältnisses, das der Namengeber zur<br />
Wirklichkeit gewinnt. Hat er Exklusivrechte auf Namen, dann auch auf das Verhältnis<br />
zu der von ihnen entdeckten Wirklichkeit. Werden Fremde durch Geheimhaltung<br />
der genuinen Namen von ihrem Gebrauch ausgeschlossen, dann auch<br />
von dem wesentlichen Verhältnis der Indigenen zu ihrer Welt. Dieser Aspekt ist<br />
dem Sprecher heute allerdings weniger bewußt, während er sich der<br />
beschwörenden Funktion noch mit der namentlichen Wahl seiner Leitbilder bedient.<br />
Der Name bleibt auch in der postindustriellen Wirklichkeit "die spirituale<br />
Verknüpfung zweier Welten," 9 der Unmittelbarkeit und der vermittelten Kultur.<br />
"Der Name soll Wesentliches zur Sprache bringen: er ist ein Anruf und- wo er<br />
recht verstanden wurde- eine Bindung." 10 Die Namen schließen seinem Sprecher<br />
ihre Welten auf, geben ihm das, was sie zeigen und sein können, zu bedeuten. Sie<br />
selbst sind deshalb ein Schatz, ein Erbe und eine Verpflichtung. Heute erfährt<br />
man diese Wertschätzung der Wörter nur noch annähernd in den Zugangsregelungen,<br />
die den Erwerb von Fachsprachen der verschiedensten Spezialgebiete<br />
regeln, oder über die Schwierigkeiten des Erwerbs wissenschaftlicher Fachsprachen<br />
überhaupt. Wer kein Astro- oder Atomphysiker, wer kein Molekularbiologe<br />
oder Biochemiker ist, versteht nichts mehr von dem, was im Kreise dieser Forscher<br />
diskutiert wird, und mitreden kann man auch in diesen Kreisen nur, wenn<br />
man sich deren Initiationsriten unterzogen hat, d.h. Aufnahmeprüfungen absolviert,<br />
die Fachgebiete studiert hat und sich in diesen Disziplinen schließlich hat<br />
prüfen lassen.<br />
Den eigenen Namen erbt man, so den Nachnamen, erhält man, so den Vornamen,<br />
erwirbt man, so den guten Ruf, verdient man sich, so die Anerkennung seines<br />
Mutes, Könnens (Titel) oder Fleißes, gibt ihn sich selbst, so den Kampfnamen,<br />
den Decknamen, den Künstlernamen; er wird einem verliehen, so der Preisname,<br />
9 H.Dietz, Im Westen gehen die Sterne unter, Freiburg 1979, S.7<br />
10 H.Dietz, Im Westen gehen die Sterne unter, ibid, S.7