Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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obachtungen wie etwa der von Nevermann bestätigt. "Die Marind- anim bezeichnen<br />
sich selbst als Anim- ha, die echten Menschen. <strong>Das</strong> besagt, daß alle<br />
anderen Menschen nur zweiten Ranges sind und im Grunde den Namen Mensch<br />
gar nicht verdienen. Mit ihnen kann man verfahren wie man will, denn die Sittengesetzte<br />
beziehen sich nicht auf sie. Innerhalb des eigenen Stammes ist man<br />
aber verpflichtet, sich so zu benehmen, daß man niemand auch nur den geringsten<br />
Schaden zufügt, und jedem sogar nach Kräften hilft." 52 Die interne Solidarität<br />
dieses Stammes, der sich als Menschheit verallgemeinert, wird von Projektionen,<br />
die nach außen gerichtet sind, stabilisiert, die es offensichtlich verbieten,<br />
außerhalb von sich etwas mit sich Gleichwertiges anzunehmen. Die Identifizierung<br />
nach innen gründet auf der Abwehr des in den Projektionen vorgestellten<br />
Außen. "<strong>Das</strong> Ideal der Marind- anim ist der Anim- anem, der "Menschen-<br />
Mensch", der anderen Menschen hilft, und der Dur- anem, der "schamvolle<br />
Mensch", der sich schämen würde, etwas zu tun, das gegen die alten Sitten<br />
wäre." 53 Die Scham, die Furcht vor dem Anstoßgeben oder vor dem Blick des<br />
Anderen, ist eine Vorsicht vor einem Anim-anem, binnenorientierte Hemmung,<br />
als deren Lohn die Abreaktion der nach innen gehemmten Aggressionen auf die<br />
Nicht- Menschen erscheint, die nur unter dieser Voraussetzung funktioniert.<br />
Ruth Benedict selbst nennt aus der von ihr angesprochenen großen Zahl von Beispielen,<br />
drei Stämme, die sich als Menschen verabsolutieren. "Eine große Anzahl<br />
von allgemeinen gebräuchlichen Stammes- und Gruppennamen, wie Zuni, Dene,<br />
Kiowa und all die vielen anderen Selbstbezeichnungen primitiver Stämme bedeuten<br />
in deren Sprache einfach "Menschen"- und das sind nur sie selbst! Was<br />
außerhalb ihrer Stammesgruppe lebt, sind keine Menschen!" 54 Obwohl sie auf die<br />
gleiche Feststellung hinaus will, welche Plischke im Hinblick auf diesen Typus<br />
des <strong>Ethnonym</strong>s gemacht hat, wird auch ihre Argumentation zu einem Beispiel der<br />
ahistorischen Projektion von Kategorien oder diskursiven Systemen ihrer eigenen<br />
Gegenwart auf die völlig anderen sozialen Zustände, der von ihr als<br />
Primitivvölker angesprochenen Gesellschaften: "Der primitive Mensch", so fährt<br />
sie nämlich fort, "hat niemals die Welt als Ganzes und die Menschheit als zusammengehörig<br />
angesehen, niemals sich mit seinesgleichen als seiner Spezies<br />
angehörig verbunden gefühlt." 55 Tatsächlich stellt sie hier nur eine Trivialität fest,<br />
nämlich, daß der Primitive sich selbst und seine Umgegebung unter einem<br />
anderen Aspekt betrachtet als dem der Linneschen Taxonomie oder der Gattungsbegriffe<br />
der abendländischen Philosophie. Wie sollte er auch die Menschheit<br />
als Gattungsbegriff und sich selbst als Exemplar dieser Kategorie begreifen, wenn<br />
für ihn die Linnesche oder Darwinsche Kategorie der Spezies gar nichts bedeutet,<br />
er seine Welt in anderen Kategoriensystemen anschaut als die Ethnologin. Aus<br />
ihrer Feststellung glaubt sie aber den folgenden Schluß ziehen zu dürfen: "Was in<br />
Wirklichkeit die Menschen aneinander kettet, ist ihre Kultur- die Ideen und<br />
52 P.Nevermann, Söhne des tötenden Vaters, Eisenach, Kassel 1957, S.10<br />
53 P.Nevermann, Söhne des tötenden Vaters, Eisenach, Kassel 1957, S.10<br />
54 R.Benedict, Kulturen primitiver Völker, Stuttgart 1949, S.6<br />
55 R.Benedict, Kulturen primitiver Völker, Stuttgart 1949, S.7