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Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Kind seine bilateralen Verbindungen nicht nur aktuell bewußt, sondern sichert die<br />

Verinnerlichung dieses Verhältnisses. Außerdem pflegen die Kalapalo den<br />

Brauch des Decedenztabus. Die Namen aktuell verstorbener Verwandter dürfen<br />

solange nicht ausgesprochen werden, bis die Generation, die deren Namen erbt,<br />

den Status von Namensgebern erreicht hat. "When a person dies, his names are<br />

not used again until the next appropriate generation; a name is thus "used up" for<br />

the sibling set of the person who has died holding it." 131 Dieser Brauch bringt es<br />

mit sich, daß, anders als bei den Mehinaku, mehrere Kinder häufig denselben<br />

Namen führen, da andere Namen, wegen des Decedenztabus gegenüber den<br />

Namen aktuell Verstorbener, nicht zur Verfügung stehen, es sei denn die Eltern<br />

erfänden neue Namen, was hin und wieder vorzukommen scheint.<br />

Die Sitte, dem Kinde jeweils einen Namen von den Eltern seiner Eltern zu geben,<br />

kannten auch die alten Griechen, allerdings mit dem kleinen Unterschied, daß sie<br />

die Komposita der Namengebernamen teilten und von dem einen Großelter das<br />

Präpositum und von dem anderen das Postpositum ihres Namens zu einem neuen<br />

Kompositum für ihr Kind zusammensetzten, so entsteht der Name Lys-ippos<br />

(Pferdelöser) aus Lys- anias (Leidlöser) und Phil-ippos (Pferdefreund).<br />

Während die Mehinaku und Kalapalo, beide Vertreter der Upper- Xingu- Gruppe<br />

ihre Personennamen aus ihrem gesamten Kosmos ableiten, beschränkt eine Präferenz<br />

für Tiernamen das Namensrepertoire der Siriono, einem Stamm Ost- Boliviens,<br />

die dafür ihr System der Namensselektion durch den Brauch der Teknonymie<br />

komlizierter machen und durch eine Vorliebe für Spitznamen anreichern.<br />

"At birth almost everyone receives an animal name. The most common method of<br />

securing such a name is for the father to go in quest of an animal as soon as the<br />

prospective mother begins to feel the pangs of childbirth. He usually goes in<br />

search of a particular animal, a valiant one like a tapir, a jaguar, or a peccary, but<br />

if such an animal is not to be found, the child is named for the first animal that the<br />

father kills." 132 Die Siriono glauben an eine durch das Schicksal geknüpfte<br />

Verbindung zwischen dem Kind und dem während seiner Geburtszeit gejagten<br />

Tier, das ihm seinen Namen gibt: Die Regel nomen et omen wird also zunächst<br />

einmal umgekehrt: omen est nomen. Mit dem Einsetzen der Wehen seiner Frau<br />

geht der zukünftige Vater des Kindes in den Wald und kommt solange nicht zurück,<br />

bis er das namensgebende Tier getötet hat, das er als Jagdbeute dann heimbringt.<br />

War es ein Yakwa (Jaguar), dann heißt auch das Kind Yakwa. Kinder, die<br />

in der Nacht geboren werden, heißen dagegen nach den Tieren, die sich zu dieser<br />

Geburtszeit in Lagernähe bemerkbar machen, z.B. Eule oder Affe.<br />

Nach den Regeln der Teknonymie gibt der Jäger nicht nur seinem Kind einen<br />

neuen Namen, sondern damit zugleich auch sich und seiner Frau, denn nach der<br />

Benennung des Kindes, nachdem es beispielsweise Yakwa genannt wurde,<br />

heißen sie: Vater und Mutter des Yakwa, und so reden sie sich gegenseitig auch<br />

zukünftig solange an, bis weitere Geburten ihnen alternative Anreden ermögli-<br />

131 E.B.Basso, The Kalapalo Indians, Illinois 1988, S.86<br />

132 A.R.Holmberg, Nomads of the Long Bow, Washington 1950, S.74

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