Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Gegensatz zu den anderen sie umgebenden Indianern, die sich im Aussehen, in<br />
Sprache und Kultur von ihnen unterscheiden. Die Bezeichnung "Eskimo" wurde<br />
1611 von einem Jesuiten geprägt, der hörte, daß benachbarte Indianer sie<br />
eskimantsik- "Esser von rohem Fleisch"- nannten." 58 Jene, die sich selbst als<br />
Menschen von ihren Nachbarn abheben, denen sie diesen Status nicht zuschreiben<br />
können, werden ihrerseits von diesen Nichtmenschen mit einem auffälligen<br />
Brauch identifiziert, der ihnen den Status des kultivierten Menschen abspricht,<br />
denn Rohes essen nur die Tiere, während der Mensch seine Nahrung kocht, brät<br />
oder sottet, d.h anderweitig behandelt. Da die Endogamie dort, wo die Heirat der<br />
einzige Weg einer Transformation des Fremden in das Eigene darstellt, die<br />
Übertragung von Bräuchen oder kulturellen Institutionen unterbindet, hält sie<br />
auch die ethnische Exklusivität von Kulturmerkmalen und damit auch deren<br />
markante Differenzierung aufrecht. Der Andere ist anders, weil er sich anderer<br />
Kultur entsprechend anders verhält. und er bleibt es, weil regelmäßiger Verkehr<br />
mit ihm unterbunden wird, weil er nicht zum Kreis der bevorzugten Gatten oder<br />
Gattinnen zählt.<br />
Die Kategorie Inuit gebrauchen die Eskimo nicht unter sich, um sich selbst zu<br />
versichern, daß sie die Menschen sind, sondern stets in Relation zu anderen Völkergruppen,<br />
von denen sie sich erst als Menschen absetzen müssen, um die<br />
Grenzen ihrer Welt, ihrer Kultur, d.h. ihres Seins, herauszustellen. Sie selbst, die<br />
selbstverständlich Menschen sind, d.h. die Eskimogruppen, unterscheiden sich<br />
intern vielmehr über eine andere Kategorie der Verallgemeinerung. Sie kombinieren<br />
ein Partikel mit der Bedeutung: Gruppe oder Leute, mit Wörtern, die<br />
Ortsmerkmale bezeichnen. "Es gibt jedoch Faktoren, die die Familienbande<br />
stärken. Unter den Kupfereskimo Kanadas sind zum Beispiel alle Bewohner einer<br />
Siedlung durch Blutsverwandtschaft oder Heirat verbunden. Jeder hat den anderen<br />
gegenüber bestimmte Verpflichtungen, wie die Kranken zu pflegen, für die<br />
Alten und Behinderten zu sorgen, Witwen und Waisen zu schützen. Auf diese<br />
Weise wird eine Gruppe von einzelnen Familien zu einer Einheit. Im Laufe der<br />
Zeit erhält sie einen gemeinsamen Namen; meist wird die Nachsilbe miut der Bezeichnung<br />
eines hervorstechenden topographischen Merkmals der Gegend<br />
hinzugefügt. So heißt z.B. eine Gruppe, die am Kogluktok oder Coppermine<br />
River wohnt, Kogluktokmiut. Physische Nähe, ähnliche Sitten und eine ähnliche<br />
Sprache sowie häufige Heiraten haben ihnen ein Gefühl der Verbundenheit gegeben,<br />
das sie von benachbarten Eskimogruppen abhebt. Trotzdem entwickelt sich<br />
daraus keine Sippe," 59 weil ihren Heiratsregeln die dafür erforderlichen Restriktionen<br />
fehlen. Die Sitte der Eskimo, sich selbst als Inuit zusammenzufassen<br />
und in dieser Zusammenfassung von anderen Nicht- Inuit abzugrenzen, erscheint<br />
als Reaktion der Selbstaffirmation, der Solidaritätsverstärkung jener durch das<br />
Partikel miut abgegrenzten Gruppen, zu der sie erst die bedrohliche Präsens von<br />
Fremden, eben jener, die sie Rohfleischesser nennen, herausfordert. Die Referenz<br />
58 P.Farb, Die Indianer, Wien, München 1977, S.46<br />
59 P.Farb, Die Indianer, Wien, München 1977, S.51