Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Standardbegriffe, welche ihnen gemeinsam sind." 56 Wo so etwas wie eine<br />
Darwinsche Spezies keine Standardkategorie darstellt, kann auch keine Identifizierung<br />
über sie stattfinden. Weil die Welt das Ensemble der Erscheinungen<br />
darstellt, welche das System der Kultur wahrzunehmen, zu verstehen und zu<br />
begreifen anbietet, weil alles Seiende, das in dieser Welt anwesend ist, nur das<br />
ist, was deren Kosmologie und Kategorien begründen und deuten, kann auch der<br />
Mensch in der Kultur nur der sein, den sie, d.h. ihre symbolischen und kognitiven<br />
Systeme, ins Spiel bringen. Und wenn darin die Kategorie des Menschen mit der<br />
Kategorie der eigenen Gruppe zusammenfällt, dann stellt sich die Frage nach den<br />
kulturellen Institutionen welche diese symbolische oder repräsentative<br />
Abgrenzung der Gruppe reflektiert, die Frage nach den Institutionen, die erst das<br />
operabel machen, was jene Kategorien sagen, nämlich daß es jenseits der Verwandtschaft<br />
mit ihr selbst, jenseits des endogamen Kreises, keine Menschen geben<br />
kann.<br />
Eine Institution, welche die Ausdehnung des Menschseins über den Kreis der<br />
eigenen Gesellschaft hinaus unterbindet, ist offensichtlich die Endogamie. "Die<br />
Endogamie im eigentlichen Sinne", so kommentiert Levi- Strauss, "ist lediglich<br />
die Weigerung, die Möglichkeit einer Heirat außerhalb der menschlichen Gemeinschaft<br />
anzuerkennen; wobei die letztere je nach der Philosophie der ins Auge<br />
gefaßten Gruppe auf die verschiedenartigste Weise definiert wird." 57 In Verbindung<br />
mit dem <strong>Ethnonym</strong> kann sich die Endogamie natürlich nur auf die<br />
alternativen Formen der von der Ethnologie konstatierten Verwandtenheirat beziehen,<br />
d.h. auf die durch die Institution der Verwandtenheirat gewährleistete<br />
Verwandtschaft der menschlichen Gemeinschaft, die sich im <strong>Ethnonym</strong> als dieses<br />
durch gemeinsame Verwandtschaft verbürgte Menschsein selbst anspricht. Wenn<br />
das stimmt, dann würde sich das Problem dieses Typus eines <strong>Ethnonym</strong>s, der<br />
Selbstbezeichnung als Menschen, speziell als ein Problem der ethnischen<br />
Abgrenzung im Kontext „elementarer Strukturen der Verwandtschaft“ stellen,<br />
d.h. eine Form der Selbstbestimmung von Gesellschaften darstellen, die ihre politischen<br />
Einheiten entweder nur situationsabhängig durch den Apell an gemeinsame<br />
Verwandtschaft oder durch die korporative Organisation ihrer Verwandtschaft<br />
abgrenzen.<br />
Tatsächlich reduziert kein Stamm oder Ethnos, der sich als Menschheit begreift,<br />
den generischen Sinn dieser Kategorie auf eine besondere Lokalgruppe, Sippe<br />
oder einen speziellen Clan, sondern bezieht diese Kategorie stets auf eine Gruppe<br />
verwandter Clans oder Stämme, d.h. auf den Kreis, in dem Heiratsallianzen,<br />
wenn schon nicht obligatorisch, dann zumindest noch möglich sind, um diese<br />
Einheit wiederum abzugrenzen von einer anderen, somatisch, sprachlich und<br />
kulturell deutlich unterscheidbaren Population in der Kontaktzone ihres territorialen<br />
Grenzbereichs. Peter Farb weist daraufhin: "Alle Eskimo... nennen sich<br />
Inuit, das ist die Mehrzahl von Inuk, "Mann"; damit betonen sie ihre Identität im<br />
56 R.Benedict, Kulturen primitiver Völker, Stuttgart 1949, S.15<br />
57 C.Levi- Strauss, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Frankfurt 1981, S.99