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Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Die selektive Funktion des Freund- Feind- Schemas im <strong>Ethnonym</strong><br />

45<br />

Solidarität ist das Ergebnis der Identifizierung, die Freud auch als "früheste Äußerung<br />

einer Gefühlsbindung an eine Person" 68 bezeichnet. Die in der Gruppe durch<br />

Identifizierung etablierten libidinösen Bindungen entlasten die Angst und hemmen<br />

die Aggressionen, die sich außerhalb von ihr sofort wieder äußern und zu<br />

entladen suchen. Der Preis für den Sicherheitsgewinn durch Solidarität ist die<br />

Desexualisierung der Bindungen, im engeren Kreis sogar die Aufgabe seiner<br />

Mitglieder als Objekte sexueller Objektwahl, und die Umorientierung der Aggressionen<br />

nach außen, das (als Außen) in den Formen opportuner Projektionen<br />

seine spezifische Gestalt gewinnt. Als Völkercharakteristika euphemistisch umschriebene<br />

Pejorative oder Vorurteile reflektieren sie das Wertgefälle im Hinblick<br />

auf die eigenen Kultur- und Verhaltensideale. Der und das abgewehrte Fremde<br />

sind offensichtliche Konstitutiva der Bestimmung des Eigenen, der Werte und<br />

Ideale der Identifizierung, wie Simmel ganz richtig feststellte, als er schrieb: "Der<br />

Fremde ist ein Element der Gruppe selbst, nicht anders als die Armen." 69 Ohne<br />

den Gegenbegriff des Welschen und seinen schon eingebürgerten Gebrauch hätte<br />

sich auch im 7. Jh.n.Chr. im westfränkischen Sprachraum nicht der Volksname<br />

Deutsch zur Abgrenzung des germanisch- fränkischen Eigenbewußtseins herausgebildet<br />

und durchgesetzt. Deshalb faßt sich auch die rhetorisch gesetzte Verwunderung<br />

von Freud über die Vorurteile, welche verwandte oder benachbarte<br />

Völker gegenseitig hegen: "Nächstverwandte Völkerstämme stoßen einander ab,<br />

der Süddeutsche mag den Norddeutschen nicht leiden, der Engländer sagt dem<br />

Schotten alles Böse nach, der Spanier verachtet den Portugiesen. Daß bei größeren<br />

Differenzen sich eine schwer zu überwindende Abneigung ergibt, des Galliers<br />

gegen den Germanen, des Ariers gegen den Semiten, des Weißen gegen den<br />

Farbigen, hat aufgehört uns zu verwundern," 70 beruht doch die Solidarität dieser<br />

Gruppen auf jener Abneigung gegen die anderen.<br />

<strong>Das</strong> abwehrende, durch Aggressionsbereitschaft bestimmte Verhalten gegenüber<br />

dem Fremden ist deshalb auch von Soziologen und Ethnologen sehr früh problematisiert<br />

worden, weil es eben zur Bestimmung des solidarischen Verhaltens all<br />

jener Gruppen gehört, mit denen sie sich nun einmal beruflich befassen oder<br />

befassen müssen.<br />

"Diese Mißachtung des andern, außerhalb des anerkannten Kreises Stehenden",<br />

so konstatierte beispielsweise Weule, "ist der Menschheit durch alle ihre Kulturgrade<br />

allgemein. Den innerafrikanischen Pygmäen erscheint, wie Leo Frobenius<br />

in seiner großen "Weltgeschichte des Krieges" berichtet, der hochgewachsene<br />

Neger nur dadurch vom Elephanten verschieden, daß er sie mit geschickteren<br />

Waffen verfolge, während der Elephant sich gutmütig niederschießen lasse.<br />

Der Indianer Nordamerikas sieht nach demselben Gewährsmann im Neger eine<br />

68 S.Freud, Massenpsychologie und Ichanalyse, Frankfurt 1980, S.44<br />

69 G.Simmel, Soziologie, Berlin 1908, S.509<br />

70 S.Freud, Massenpsychologie und Ichanalyse, Frankfurt 1980, S.40

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