Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Zauberer, also mit einem Wort, mit dem sie sonst ihre eigenen Zauberer ansprachen.<br />
Nicht jeder Fremde gilt ihnen als wild oder unebenbürtig, sondern der<br />
Fremde wird an ihren eigenen Normen gemessen und dementsprechend entweder<br />
geachtet oder gering geschätzt.“ 78<br />
Diese Beobachtung läßt sich auch an dem Usus der Fremd- und Selbstbezeichnungen<br />
der von den Guarani Verachteten wiederholen. "Die Ka' aygua wußten<br />
nicht, daß sie von den Guarani so genannt wurden. Sie selbst nannten sich Aché,<br />
was in der Sprache der Guayaki Menschen bedeutet. Sie ihrerseits kannten die<br />
Guarani nur unter dem Namen Machitara: Viele Pfeile. Seit so urdenklichen<br />
Zeiten waren sie Feinde, daß man sich nicht erinnern konnte, mit ihnen je anderen<br />
Kontakt gehabt zu haben als Krieg und Hinterhalt. Und da die Guarani<br />
unendlich viel zahlreicher waren als die Guayaki, sagten diese zu ihnen: "Die<br />
unzähligen Pfeile". 79 Clastre beschreibt das Verhältnis der Aché zu den Guarani<br />
als Erbfeindschaft: "Machitari- Guarani auf der einen, Aché- Guayaki auf der<br />
anderen Seite, die einen ansässig am Rand des Waldes, der ihre Dörfer und<br />
Gärten verbarg, die anderen tief im Herzen des Waldes, schleichende Nomaden,<br />
die sich um jeden Fußbreit gegen das allmähliche Vordringen der anderen zur<br />
Wehr setzten: das waren die Indianer des östlichen Paraguay, für immer in gegenseitigem<br />
Haß erstarrt." 80 Der durch kulturelle Differenzen begründete Gegensatz,<br />
dessen Projektionen zu gegenseitigem Haß verinnerlicht ihre Vertreter in<br />
dauernder Kriegsbereitschaft hält und jeder Seite dazu dient, die Identifizierungen,<br />
welche ihre Solidarität begründen, zu stabilisieren, verlangt nach mythologischer<br />
Rechtfertigung. Die projektive Abwehr des Feindes sucht in der Begründung<br />
der eigenen Vorzüge (bekleidet- nackt) ihre Legitimation.<br />
Eine mythische Erzählung der Mbaya- Guarani erklärt das Verhältnis: Guarani-<br />
Guayaki, mit einem Vergehen der Guayaki in dunkler Vergangenheit: "In den<br />
Anfängen lebten Mbaya und Guayaki gemeinsam unter der Herrschaft von Pa'i<br />
Rete Kwaray, dem Gott mit dem Sonnenkörper. Eines Tages erschienen die<br />
Guayaki völlig nackt zum rituellen Tanz; Pa'i Rete Kwaray war erzürnt und fuhr<br />
sie wütend an, er sprach einen Fluch über sie aus und zerstreute sie im Wald. Aus<br />
diesem Grunde leben sie bis heute umherirrend und verwildert im Wald." 81 Dieser<br />
Mythos erklärt nicht nur die Nacktheit und das Wildbeutertum jener verächtlichen<br />
Feinde, sondern er begründet zugleich auch, warum diese Ka' aygua, diese<br />
Wilden aus dem Wald, auch keine echten, d.h. kultivierten, Menschen sind. "Die<br />
Guayaki sind für die Mbaya nicht Menschen von fremder Kultur, da es keinen<br />
Unterschied der Kultur geben darf, sie befinden sich außerhalb der Normen,<br />
jenseits der Vernunft und des Gesetzes, sie sind die Wilden: selbst die Götter sind<br />
gegen sie." 82 Jenen, die sich selbst Aché, Menschen nennen, wird dieser Status<br />
78 siehe: P.Clastres, Chronik der Guayaki, München 1984, S.73<br />
79 P.Clastres, Chronik der Guayaki, München 1984, S.74<br />
80 P.Clastres, Chronik der Guayaki, München 1984, S.74<br />
81 P.Clastres, Chronik der Guayaki, München 1984, S.76<br />
82 P.Clastres, Chronik der Guayaki, München 1984, S.77