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Das Ethnonym - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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deren Einheit durch die Regeln der Exogamie und deren Differenzierung nach<br />

Abstammungsgruppen durch die Filiationsregeln versichert und institutionalisiert<br />

werden. Unter derartigen Bedingungen stellt sich dann das Problem der Abgrenzung<br />

von Freund und Feind als Abgrenzung des Connubiums oder der Heiratsallianz<br />

von allen denen, die vom Connubium ausgeschlossen werden. Die freundschaftlichen<br />

Gefühle können auch auf die Schwiegerverwandtschaft ausgedehnt<br />

werden, weil die Affinalverwandten in diesem Integrationsmodell Verwandte<br />

geworden sind, während sich aber mit dieser Modifikation der Verwandtschaft<br />

neue Probleme für die Definition der Inzestverbote stellen, die nun die Selektion<br />

von Identifizierung und sexueller Objektwahl im Kreise der so ausgedehnten<br />

Verwandtschaft vornehmen müssen und nicht mehr mit der Zuschreibung der<br />

politisch herausgestellten Verwandtschaft im allgemeinen zusammenfallen<br />

können.<br />

Die Hemmung der Aggression wird auf den eigenen Filialverband beschränkt,<br />

während die Objekte für die Ableitung der Aggression schon im Umkreis der<br />

Schwiegerverwandtschaft auftauchen. Die Hemmung gegenüber diesen Adressaten<br />

der Aggression bedarf einer zusätzlichen Anstrengung und Institutionalisierung,<br />

nämlich der Heiratsregeln, welche den Kreis der Gatten festschreiben, und<br />

zwar in Korrespondenz zu der Festlegung des Inzestkreises als die Abstammungsgruppe.<br />

"Wir" heißt dann zunächst die engere Filialverwandtschaft mit den<br />

eingeheirateten Schwagern oder Schwägerinnen, politisch der größere Abstammungsverband<br />

und schließlich der Allianzverband. Die Solidaritäten, die sich auf<br />

diesem Wege ausgedehnt haben auf immer größere Verwandtenkreise, rekurrieren<br />

aber in ihren Methoden der Konstitution und Fortsetzung auf jene Mechanismen,<br />

die Freud als Identifizierung beschrieben hat. <strong>Das</strong> bestätigt auch Meier<br />

Fortes: "Es muß aber hervorgehoben werden, daß die Ethik der Großzügigkeit<br />

nicht auf die Abstammungsgruppe beschränkt ist. Ihre Wurzeln liegen im familiären<br />

Bereich und umfassen dessen bilaterale Verwandtschaftsverknüpfungen.<br />

Personen, die durch komplementäre Filiation verwandt sind, stehen ebenfalls im<br />

Bereich der Amity zwischen Verwandten. Tatsächlich werden die Abstammungsbeziehungen<br />

durch die Betonung der Kindschaftskomponente in ihnen den<br />

familiären Beziehungen angeglichen- und gerade deshalb wird auf sie die Ethik<br />

des familiären Bereichs projiziert." 74 Diese durch Übertragung familiärer Bereiche<br />

auf politische Körperschaften ausgedehnte Solidarität, die Meier Fortes Amity<br />

und Hiatt "Ethik der Großzügigkeit" nennt, stellt eine Projektion der familiären<br />

Ethik und persönlichen Freundschaft auf die Ebene der sozialen Organisation<br />

politischer Beziehungen dar. "Ein Bereich moralischer Verpflichtung wird<br />

ausgegrenzt; er ist recht genau durch eine Verwandtschafts- oder Abstammungsregel<br />

umschrieben, oft in der Residenz verankert und im Gegensatz zu anderen,<br />

ähnlichen Teilen der gesamten politisch- rechtlichen Struktur sowohl von außen<br />

74 Meyer Fortes, Verwandtschaft und das Axiom der Amity, in: Kramer, Sigrist, Gesellschaften ohne Staat II,<br />

Frankfurt 1978, S.137-8

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