Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum
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Amazonien, sondern Afrika, aber die Realität ist<br />
dieselbe. Sind es die Schlangen, die plötzlich im<br />
gedämpften Licht des Dschungels als Zweige<br />
getarnt oder am immer feuchten Boden uns<br />
erschrecken <strong>und</strong> an die berühmte Laokoongruppe<br />
der alten Griechen denken lassen oder Höllengemälde<br />
barocker Künstler in Erinnerung rufen?<br />
Sind es die Krokodile in den sumpfigen Wassern,<br />
deren große Augen im Licht der Scheinwerfer drohend<br />
blitzen? Sind es die Piranhas, die imstande<br />
sind, in Sek<strong>und</strong>enschnelle ihre Opfer bis auf das<br />
Skelett zu verzehren? Sind die Affen für den<br />
Namen „Hölle“ verantwortlich, weil manche von<br />
ihnen höllisch brüllen können <strong>und</strong> sich gar nicht<br />
einverstanden zeigen, wenn andere Zweibeiner,<br />
auch nur auf einen Kurzbesuch, in ihren<br />
Lebensraum eindringen? Sind es die fauchenden<br />
Leoparden <strong>und</strong> Wildkatzen, die selbst Einheimischen<br />
eine „Höllen“angst einjagen? Oder sind<br />
es vielleicht immer noch die „wilden“ Indianer,<br />
von denen es jahrh<strong>und</strong>ertelang hieß, sie hätten<br />
keine Seele <strong>und</strong> seien wie Tiere zu behandeln, bis<br />
dann schließlich ein Papst eine Bulle erließ, in der<br />
der Pontifex maximus das Gegenteil behauptete,<br />
aber dennoch keine menschenwürdige Behandlung<br />
für die Indios erreichte?<br />
Warum soll Amazonien, der tropische Regenwald<br />
nun wirklich die „grüne Hölle“ sein? Ist das nicht<br />
alles maßlose Übertreibung? Sollte man die brütend<br />
heiße Sahara nicht auch als Hölle bezeichnen,<br />
wenn auch nicht gerade als grüne, sondern als eine<br />
gelbbraune? Sind das klirrend kalte Sibirien <strong>und</strong><br />
die vom ewigen Eis bedeckten Polarregionen nicht<br />
auch eine Hölle für die Menschen, diesmal auch<br />
keine „grüne“, wohl aber eine „weiße“? Nein,<br />
„Hölle“, die schauererregendste Realität der<br />
„eschata“, der letzten Dinge, sollte nur Amazonien<br />
kennzeichnen, <strong>und</strong> dies längst vor dem Jüngsten<br />
Tag.<br />
Woher dieser Begriff stammt <strong>und</strong> wer ihn wirklich<br />
prägte, habe ich bislang nicht eruieren können.<br />
Vielleicht war es einer jener Deutschen wie Von<br />
Humboldt, Von Martius oder Von den Steinen, die<br />
im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert von Belém aus ins Landesinnere<br />
vordrangen <strong>und</strong> dann, zurück im alten<br />
Kontinent, ihre abenteuerlichen Expeditionen eindrücklich<br />
beschrieben. Oder handelt es sich um<br />
eine düstere Zukunftsvision eines dieser Herren?<br />
Ich denke dabei weniger an das Adjektiv „grün“,<br />
sondern an die „Hölle“. Hölle wird spätestens seit<br />
Matthäus 25,41 „Hinweg von mir, ihr Verfluchten,<br />
in das ewige Feuer“ oder Markus 9,44, wo vom<br />
14<br />
„unauslöschlichen Feuer“ die Rede ist, eben mit<br />
„Feuer“ assoziiert. Und es ist schrecklich, dieses<br />
von Gott paradiesisch geschaffene Amazonien<br />
plötzlich als Hölle erleben zu müssen, von rücksichtslosen<br />
Menschen dazu verdammt. Ich erinnere<br />
mich, wie mir im südlichen Teil meines Bistums<br />
Tag <strong>und</strong> Nacht die Augen vom Rauch brannten.<br />
Während der heiligen Messe <strong>und</strong> Firmung bekomme<br />
ich bei der Predigt Atemnot. Die Sonne ist den<br />
ganzen Tag über nur als rote Scheibe zu sehen. Sie<br />
steht zwar mittags am Zenit, aber es ist Dämmerung.<br />
Ich war im Jeep zu den Gemeinden unterwegs.<br />
So weit das Auge reicht, alles Asche <strong>und</strong><br />
verkohltes Astwerk. Einige Bäume stehen noch.<br />
Aber sie glühen <strong>und</strong> brennen <strong>und</strong> werden in der<br />
Nacht zur rot leuchtenden, schaurigen Anklage der<br />
Gotteslästerung an die Menschen, die die Natur<br />
vergewaltigen, Gottes Schöpfung missbrauchen<br />
<strong>und</strong> zerstören. Der jahrtausendealte <strong>und</strong>urchdringliche<br />
Urwald wird in Brand gesteckt. Menschen<br />
machen Amazonien zur Hölle des Feuers.<br />
„Lacrimosa dies illa,<br />
Qua resurget ex favilla<br />
Judicandus homo reus.“<br />
Die letzten Takte, die Mozart für das „Dies irae“<br />
seines Requiems auf dem Totenbett komponierte.<br />
Ein suggestives Crescendo lässt den Satz „Voll der<br />
Tränen jener Tag, an dem aus Asche zum Gericht<br />
sich erheben wird“ von Silbe zu Silbe immer eindringlicher<br />
werden. Dann der verurteilende<br />
Forteausbruch bei den Worten „Homo reus“ <strong>–</strong> „der<br />
schuldbeladene Mensch“!<br />
In den vergangenen Jahrzehnten sind tausende<br />
Quadratkilometer tropischer Regenwald niedergebrannt<br />
worden. Jedes Jahr kommen weitere dazu.<br />
Wer kennt nicht die Fernsehspots, die darauf aufmerksam<br />
machen, dass in Amazonien alle zwei<br />
Minuten eine Fläche in der Größe eines<br />
Fußballfeldes abgebrannt oder abgeholzt wird. Ja,<br />
die Tropenwälder werden schneller zerstört als<br />
jeder andere Lebensraum. Vor 150 Jahren bedeckten<br />
sie noch 12 % der Erdoberfläche. Mehr als die<br />
Hälfte hat der Mensch bereits zerstört. R<strong>und</strong><br />
200.000 km 2 Wald werden jährlich niedergebrannt.<br />
Dazu kommt noch die rücksichtslose Schlägerung<br />
der tropischen Edelhölzer. Dabei gibt es nun<br />
Holzfirmen, die meinen, den Regenwald zu schützen,<br />
wenn sie nur ganz gezielt Mahagonibäume<br />
fällen, deren Holz für den Export bestimmt ist.<br />
Aber sie vergessen dabei, dass ein umstürzender