Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum
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Prof. Raym<strong>und</strong> Schwager SJ, Prof. Herwig Büchele<br />
SJ <strong>und</strong> Bischof Erwin Kräutler (v. l. n. r.)<br />
bedeutet, dass wir ihre Probleme <strong>und</strong> ihren Einsatz<br />
zu den unseren machen <strong>und</strong> für sie einzutreten wissen.<br />
Diese Haltung wird sich konkretisieren, wenn<br />
wir im Kampf gegen eine unerträgliche Situation,<br />
in der sich die Armen so oft befinden, Ungerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Unterdrückung anprangern“ (DM<br />
14, 9<strong>–</strong>10).<br />
Medellín inspiriert die lateinamerikanischen<br />
Kirchen, zu „Kirchen der Armen <strong>und</strong> Unterdrückten“<br />
zu werden. Das vom Konzil entflammte<br />
neue Pfingsten fängt Feuer. Die befreiende<br />
Dimension des Evangeliums kommt zum Tragen.<br />
Eine Kirche entfaltet sich, die auf Dialog zwischen<br />
<strong>Glaube</strong>n <strong>und</strong> Leben, zwischen Evangelium <strong>und</strong><br />
Gerechtigkeit gründet. Anstelle einer unterwerfenden<br />
Missionierung trat die liebende Solidarität, das<br />
entschiedene Eintreten für das Leben dieser<br />
Schwestern <strong>und</strong> Brüder. Durch den bewussten<br />
Einsatz der katholischen Kirche gelang es 1987/88<br />
die Indianerrechte in der Brasilianischen Charta<br />
Magna zu verankern. Das erste Mal in der Geschichte<br />
des Landes hat Brasilien eine Verfassung,<br />
die den Indianern volle Rechtspersönlichkeit zugesteht.<br />
Der brasilianische Staat hat künftig die<br />
Aufgabe, den indigenen Völkern schützenden<br />
Beistand zu gewähren, ohne sie dabei in die so<br />
genannte „nationale Gesellschaft“ eingliedern zu<br />
wollen <strong>und</strong> sie zur Aufgabe ihrer Kultur <strong>und</strong><br />
Identität zu zwingen, wie dies bisher der Fall war.<br />
Das Recht der Indianer auf ihr angestammtes<br />
Land, auf die Anerkennung ihrer kulturellen<br />
Eigenart <strong>und</strong> ihrer traditionellen Organisationsformen<br />
ist nun in der Verfassung verankert. 5<br />
Die Forderungen der Verfassung haben jedoch<br />
nicht sofort ein nationales Umdenken, eine<br />
„Bekehrung“, zur Folge. Die neuen Bestimmungen<br />
im Gr<strong>und</strong>gesetz haben im Ausland zwar mit Recht<br />
zur Verbesserung des brasilianischen Image in der<br />
Indianerfrage beigetragen. Leider aber werden die<br />
entsprechenden Artikel nur sehr zaghaft in die<br />
Wirklichkeit umgesetzt. Das zeigt sich besonders<br />
bei der in der Verfassung vorgesehenen Demarkierung<br />
aller Indianergebiete. Die 1988 festgelegte<br />
Frist betrug fünf Jahre <strong>und</strong> ist längst abgelaufen.<br />
Keine Regierung hat bisher tatsächlich den politischen<br />
Willen aufgebracht, diese Gesetzesbestimmungen<br />
tatsächlich zu erfüllen. Somit ist in vielen<br />
Indianergebieten immer noch Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet<br />
für alle möglichen Invasionen. Die indigenen Völker<br />
sind nach wie vor in ihrem Überleben bedroht.<br />
Wir hoffen weiter, dass die Verfassung nicht toter<br />
Buchstabe bleibt, sondern ihre Prinzipien tatsächlich<br />
in eine indianerfre<strong>und</strong>liche Politik <strong>und</strong> Praxis<br />
umgesetzt werden.<br />
Angesichts so vieler Todesmechanismen, die<br />
ganze Völker an den Rand des Abgr<strong>und</strong>es drängen,<br />
sehen wir den Einsatz für das Leben der Indios als<br />
unsere Sendung an. Es ist ein Gr<strong>und</strong>anliegen der<br />
Botschaft Jesu, menschliches Leben zu verteidigen<br />
<strong>und</strong> zu fördern. Wenn wir sehen <strong>und</strong> spüren, dass<br />
Leben bedroht ist, dann ist der Widerstand gegen<br />
alle Form von Zwang <strong>und</strong> Unterdrückung christliches<br />
Zeugnis. Wir müssen uns die Frage stellen,<br />
wie die Frohe Botschaft Jesu für Völker aussieht,<br />
die in ihrem physischen oder kulturellen Überleben<br />
gefährdet sind. Sie muss jedenfalls eine Botschaft<br />
des Lebens sein, wo andere den Tod säen.<br />
„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben<br />
<strong>und</strong> es in Fülle haben.“ (Joh 10,10).<br />
Der Schrei „Wir wollen leben!“ dringt in Amazonien<br />
immer noch an unser Ohr. Wenn auch immer<br />
wieder anklagende Stimmen laut werden, die hinterfragen,<br />
warum sich die Kirche für die Rechte<br />
der Indianer einsetzt <strong>und</strong> ihre kulturelle Identität<br />
verteidigt, was denn dieser Schrei mit der Kirche<br />
zu tun habe, die sich auf ihre „religiöse Sendung“<br />
besinnen möge, so belehrt uns die Realität der<br />
Indianervölker, dass es unmöglich ist, den christlichen<br />
<strong>Glaube</strong>n weitab von den Nöten <strong>und</strong> Sorgen<br />
der Menschen zu leben. Wenn unser <strong>Glaube</strong> keinen<br />
konkreten Bezug hat zum Heute der Geschichte,<br />
wenn unser <strong>Glaube</strong> die Angriffe auf die Indianervölker<br />
<strong>und</strong> ihre Mit-Welt, auf das Heim <strong>und</strong> die<br />
Heimat, die Gott für uns alle geschaffen hat, ausklammert,<br />
dann wird der <strong>Glaube</strong> zur Illusion <strong>und</strong><br />
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