Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum
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Baum eine Schneise in den Urwald schlägt. Ein<br />
Holzfäller erklärte mir einmal, dass jeder<br />
Urwaldriese, der gefällt wird, sechs weitere Bäume<br />
mit sich niederreißt, ganz abgesehen von den H<strong>und</strong>erten<br />
von abgeschlagenen Bäumen, Bäumchen<br />
<strong>und</strong> Sträuchern, die das Dickicht eben ausmachen.<br />
Dazu kommen noch die schweren Bulldozer, die<br />
den Zugang zu den Edelhölzern schaffen <strong>und</strong> den<br />
Urwald durch ein kapillares Straßennetz<br />
„erschließen“, vom Flugzeug aus selbstverständlich<br />
unsichtbar. Straßen, wenn sie auch noch so<br />
prekär <strong>und</strong> nur für den Holztransport bestimmt<br />
sind, öffnen immer <strong>und</strong> überall den Urwald. Bald<br />
werden Siedler kommen <strong>und</strong> den restlichen Wald<br />
roden <strong>und</strong> abbrennen. Die staatlichen Agrar- <strong>und</strong><br />
Umweltbehörden erfahren davon oder wollen es<br />
erst erfahren, wenn bereits ein ganzes Dorf entstanden<br />
<strong>und</strong> es praktisch unmöglich geworden ist,<br />
an eine geordnete Besiedlung <strong>und</strong> die Nutzung des<br />
Waldes im Einklang mit der Natur zu denken. Der<br />
tropische Regenwald birgt so viele Reichtümer, die<br />
genutzt werden könnten, ohne dass auch nur ein<br />
Baum gefällt werden muss. Ich denke an die Paranussbäume,<br />
an den Havea-Baum für die Gummiherstellung,<br />
ich denke an die Vielzahl der ölhaltigen<br />
Fruchtkerne, die Harze <strong>und</strong> Essenzen <strong>und</strong> die<br />
alle Arten von Arzneimitteln liefernden Bäume<br />
<strong>und</strong> tropischen Pflanzen.<br />
Das amazonische Gesicht Christi.<br />
Sie werden vielleicht schon ungehalten sein <strong>und</strong><br />
fragen, was hat denn das alles mit dem Thema zu<br />
tun. An die Stelle einer Betrachtung des Antlitzes<br />
Jesu Christi ist eine Höllenpredigt getreten. Aber<br />
es geht ja jetzt nicht um das Antlitz Jesu, wie es<br />
beispielsweise Velazquez gemalt hat, oder das<br />
formschöne himmlische Antlitz Jesu, wie wir es<br />
beim Abendmahl von Leonardo da Vinci bew<strong>und</strong>ern.<br />
Es geht um das „amazonische“ Gesicht<br />
Christi, das Antlitz von Menschen also, mit denen<br />
sich Jesus zutiefst identifiziert, wenn er sagt: „Ich<br />
war hungrig, durstig, ein Fremdling, ohne<br />
Gewand, krank, im Gefängnis ...“ (cf. Mt 25,31<strong>–</strong><br />
46). Jesus sagt nicht „Ihr wart hungrig, durstig,<br />
krank ...“. Er sagt bewusst: „ICH war.“ Jeder<br />
Mensch lebt jedoch in einer „Umgebung“, unter<br />
bestimmten Umständen, in einer „Umwelt“. Es<br />
handelt sich dabei nicht um eine anonyme Welt,<br />
einen sterilen Raum, sondern um die Welt, in die er<br />
hineingeboren wurde oder die ihn aufgenommen<br />
hat. Es ist „seine“ Welt, seine „MIT“-Welt, die ihn<br />
prägt <strong>und</strong> charakterisiert. Sein Wohl <strong>und</strong> Wehe<br />
Bischof Erwin Kräutler im Gespräch mit<br />
Jozef Niewiadomski<br />
hängt von seiner Mit-Welt ab <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
beeinflusst er sie. Er kann seine Mit-Welt umgestalten<br />
<strong>und</strong> verändern, ja sogar zerstören. Die<br />
schrecklichen Folgen der Verantwortungslosigkeit<br />
hat der Schweizer Nebelspalter einmal so auf den<br />
Punkt gebracht: „Da der Mensch von heute sich so<br />
benimmt, als ob es die Natur nicht gäbe, ist zu<br />
befürchten, dass die Natur von morgen sich so<br />
benimmt, als ob es den Menschen nicht gäbe!“<br />
Diese Mit-Welt ist nicht uneingeschränktes Eigentum.<br />
Sie gehört uns nicht im Sinne des Verbums<br />
„haben“, „besitzen“. Wir tragen Verantwortung für<br />
sie, auch gegenüber den kommenden Generationen.<br />
Wer die Mit-Welt zerstört, wird schuldig an<br />
den Mit-Menschen. Sehen wir auch das „amazonische“<br />
Gesicht Christi, das uns in den Menschen<br />
anblickt <strong>und</strong> herausfordert, deren Mit-Welt zerstört<br />
wurde <strong>und</strong> deren Kinder im Überleben gefährdet<br />
sind?<br />
Die Bewahrung der Mit-Welt muss uns als Kirche<br />
ein besonderes Anliegen sein. Gott hat uns seine<br />
Schöpfung anvertraut, als Heimat <strong>und</strong> Lebensraum<br />
für Menschen, Pflanzen <strong>und</strong> Tiere. Was können<br />
<strong>und</strong> müssen wir als Christen aus unserem <strong>Glaube</strong>n<br />
heraus tun? Welche ethischen Normen <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>sätze bestimmen unser Handeln, wenn es<br />
um ökologische Fragen <strong>und</strong> Probleme geht?<br />
Amazonien 2 , die Welt von Wald <strong>und</strong> Wasser, die<br />
„grüne Hölle“, ist der größte Regenwald der Welt,<br />
der in neun Ländern Südamerikas eine Fläche von<br />
4 Millionen km 2 bedeckt. Brasilien hat einen<br />
Anteil von zwei Dritteln. Das Flusssystem ist das<br />
größte Süsswasserreservoir der Erde. Neben dem<br />
Amazonas selbst gibt es 1.100 Zuflüsse, von denen<br />
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