Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum
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Prof. Lawrence Milby, Prof. Paul Weß, Wolf Zielinski<br />
<strong>und</strong> Bischof Johannes Chang Yik beim Studientag<br />
Luxemburger geben wird in der größeren europäischen<br />
Heimat. Hier entsteht etwas Neues, ohne<br />
dass das Alte vernichtet wird. Das Nationale bleibt,<br />
nur ist es nicht mehr das Höchste <strong>und</strong> Letzte.“ 5<br />
Nach Adenauers Vorstellungen sollen in der<br />
Europäischen Gemeinschaft föderale Strukturen<br />
mit dem Fortbestand des Nationalelementes als<br />
soziokulturelle <strong>und</strong> politische Einheit verb<strong>und</strong>en<br />
werden. Die Vielfalt der Sprachen, Religionen <strong>und</strong><br />
Kulturen ist ein wesentlicher Teil des Gesamtspektrums<br />
der Diversivität.<br />
Das Paradigma der Vielfalt<br />
Europa besitzt eine Vielfalt von Mentalitäten <strong>und</strong><br />
Traditionen. Sie wurden durch fortwährende Teilungen<br />
geprägt. Teilung bedeutet Gegensätzlichkeit,<br />
sie ist aber auch Wandel <strong>und</strong> Veränderung. Im<br />
Folgenden seien nur einige historische Merkmale<br />
dieses europäischen Teilungsprozesses erwähnt:<br />
• Im Jahr 395 kam es zur Teilung des Ost- <strong>und</strong><br />
Weströmischen Reiches.<br />
• Im Jahr 1054 führte der Bruch zwischen Rom<br />
<strong>und</strong> Konstantinopel zur Teilung zwischen Ost<strong>und</strong><br />
Westkirche.<br />
24<br />
• Im Augsburger Religionsfrieden des Jahres<br />
1555 wurde eine Teilung in katholische <strong>und</strong><br />
protestantische Regionen vorgenommen<br />
(„Cuius regio eius religio“).<br />
• Der Westfälische Friede führte im Jahr 1648 zu<br />
einer Neuordnung Europas durch Teilung.<br />
• Ähnliches ereignete sich am Wiener Kongress<br />
im Jahr 1814.<br />
• Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert führte die Entstehung der<br />
Nationalstaaten zu einem immer stärker werdenden<br />
<strong>und</strong> überbordenden Nationalismus, der<br />
eine wesentliche Ursache der zwei Weltkriege<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts bildete.<br />
• Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden<br />
durch die so genannten Pariser Vororte-Verträge<br />
(Friedensverträge) neue Teilungen festgeschrieben.<br />
• Am Ende des Zweiten Weltkrieges haben die<br />
Konferenzen der Alliierten in Jalta <strong>und</strong> Potsdam<br />
eine Teilung der Einflusssphären der<br />
Großmächte vorgesehen, die wenige Jahre später<br />
auch die Zonen des Kalten Krieges<br />
bestimmten.<br />
Vor diesem geschichtlichen Hintergr<strong>und</strong> erscheint<br />
das Jahr 1989 in der Tat als ein „annus mirabilis“.<br />
Es brachte den früheren kommunistischen Satellitenstaaten<br />
in Zentral- <strong>und</strong> Osteuropa demokratische<br />
Regierungsformen, führte zur Wiedervereinigung<br />
Deutschlands <strong>und</strong> bewirkte schließlich auch<br />
den Zerfall des Sowjetimperiums. Die führenden<br />
Politiker der europäischen Gemeinschaften jener<br />
Zeit, vor allem Francois Mitterand <strong>und</strong> Helmut<br />
Kohl, nützten die Gunst der St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bereiteten<br />
ein Einigungswerk vor, das den Westen <strong>und</strong> Osten<br />
Europas zusammenführte. Mit dem Neueintritt von<br />
10 Mitgliedern am 1. Mai 2004 wird der europäische<br />
Kontinent weitgehend vereint sein. Die vielfach<br />
beschworene „Vielfalt in der Einheit“ steht<br />
vor neuen Herausforderungen. Sie wird vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> unterschiedlicher historischer Erfahrungen<br />
ein europäisches Gestaltungsprinzip werden,<br />
das gestützt auf den Subsidiaritätsgr<strong>und</strong>satz<br />
ein Gegenprogramm zum Brüssler Zentralismus<br />
<strong>und</strong> Uniformismus sein soll.<br />
Dieser Prozess braucht ein starkes europäisches<br />
Bewusstsein, das sich auf dem Wissen um die<br />
Reichhaltigkeit der europäischen Gesellschaften<br />
<strong>und</strong> die Vielfalt der spirituellen Ressourcen gründet.<br />
Es sollte die Arroganz überwinden, die sich in<br />
Hegemonie <strong>und</strong> Dominanz äußert. Europa muss<br />
seine Traditionen erkennen, die im Regelfall vielschichtig<br />
<strong>und</strong> reich an fruchtbaren Mehrdeutig-