10.01.2013 Aufrufe

Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum

Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum

Glaube, Hoffnung und Liebe – Bischofs - Canisianum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Kulturpolitik der Europäischen Union<br />

Durch den Vertrag von Maastricht 1 wurde die<br />

Kulturpolitik eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie ist<br />

allerdings nicht ausschließlich Politik der Gemeinschaft;<br />

letztere „unterstützt <strong>und</strong> ergänzt erforderlichenfalls“<br />

die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten.<br />

Artikel 151 des Vertrages über die Europäische<br />

Gemeinschaft 2 gibt der Kulturpolitik der Gemeinschaft<br />

lediglich einen subsidiären Charakter, er<br />

verpflichtet allerdings die Gemeinschaft, einen<br />

Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten<br />

unter zwei Prämissen zu leisten: zum einen<br />

unter Wahrung der nationalen <strong>und</strong> regionalen<br />

Vielfalt <strong>und</strong> zum anderen bei gleichzeitiger<br />

Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen<br />

Erbes.<br />

Diese beiden Orientierungen sind Aspekte für die<br />

Förderung <strong>und</strong> Wahrung der europäischen Kulturen,<br />

die vor allem folgenden Zwecken dienen<br />

sollen:<br />

• der Verbesserung der Kenntnis <strong>und</strong> Verbreitung<br />

der Kultur <strong>und</strong> Geschichte der europäischen<br />

Völker,<br />

• der Erhaltung <strong>und</strong> dem Schutz des kulturellen<br />

Erbes von europäischer Bedeutung,<br />

• dem nicht kommerziellen Kulturaustausch,<br />

• dem künstlerischen <strong>und</strong> literarischen Schaffen,<br />

einschließlich im audiovisuellen Bereich.<br />

Eine große Zahl von Förderungsprogrammen versucht<br />

diese Ziele umzusetzen. In der politischen<br />

Praxis wird dieser so genannte Kulturartikel als<br />

Gr<strong>und</strong>norm einer europäischen Kulturförderung<br />

verstanden. In Wirklichkeit reicht er jedoch darüber<br />

hinaus. Er reflektiert die Komplexität europäischer<br />

Kulturpolitik <strong>und</strong> betont die gemeinsamen<br />

geistigen Wurzeln der europäischen Völker, die<br />

eine Gr<strong>und</strong>lage einer europäischen Identität bilden<br />

sollen. Diese Identität basiert auf einer existenziellen<br />

Spannungslage zwischen Zugehörigkeit <strong>und</strong><br />

Rivalität.<br />

Der Hinweis auf das gemeinsame kulturelle Erbe<br />

betont das symbolische Universum (nach E.<br />

Cassirer), das aus einer Verschmelzung des<br />

Christentums mit der griechischen Philosophie <strong>und</strong><br />

dem römischen Recht entstand. Die mannigfachen<br />

Kulturen der Mitgliedsstaaten begegnen sich in der<br />

Überzeugung von gemeinsamen rechtlichen, politischen<br />

<strong>und</strong> geistigen Werten <strong>und</strong> Prinzipien.<br />

Die europäische Wertegemeinschaft<br />

Die gegenwärtige europäische Diskussion unterstreicht<br />

immer mehr die Tatsache, dass Europa<br />

mehr ist als ein Zustand ökonomischer Prosperität<br />

<strong>und</strong> technologischer Innovation, es ist vielmehr ein<br />

Raum kultureller Produktivität <strong>und</strong> kreativer<br />

Innovation. Das Bild <strong>und</strong> die Inhalte der europäischen<br />

Integration haben sich seit den Anfängen in<br />

den Jahren 1951 <strong>und</strong> 1957 erheblich verändert. 3<br />

Die ursprünglich rein ökonomisch konzipierten<br />

sektoriellen Gemeinschaften <strong>–</strong> die Europäische<br />

Gemeinschaft für Kohle <strong>und</strong> Stahl, die Europäische<br />

Wirtschaftsgemeinschaft <strong>und</strong> die Europäische<br />

Atomgemeinschaft <strong>–</strong> sind Teil der durch den<br />

Vertrag von Maastricht gegründeten politischen<br />

Union geworden. Die Union ist eine politische<br />

Gemeinschaft, die sich den Gr<strong>und</strong>sätzen der<br />

Freiheit, der Gleichheit, der Menschenrechte <strong>und</strong><br />

der Demokratie sowie des Rechtsstaates verpflichtet<br />

fühlt, 4 aber ebenso Subsidiarität <strong>und</strong> Solidarität<br />

als bindende Gr<strong>und</strong>sätze anerkennt.<br />

Diese Prinzipien spiegeln jene Werte wider, die die<br />

Mitgliedsstaaten der Union miteinander verbinden.<br />

Sie sind gleichzeitig das geistig-kulturelle Rahmenwerk<br />

der europäischen Vielfalt. Der europäische<br />

Einigungsprozess ist durch das Paradigma<br />

„Vielfalt in der Einheit“ geprägt. Erhaltung der<br />

Vielfalt <strong>und</strong> Schaffung von Einheit <strong>–</strong> das scheint<br />

das politische Paradoxon zu sein, das auch in<br />

einem allgemein politischen Sinne interpretiert<br />

wird. Es kann als politisches Programm verstanden<br />

werden, das den dynamischen Charakter des<br />

europäischen Einigungsprozesses charakterisiert.<br />

Konrad Adenauer, der erste deutsche B<strong>und</strong>eskanzler<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg, hat den Auftrag,<br />

Vielfalt mit Einheit zu verbinden, in sehr<br />

plakativer Weise beschrieben:<br />

„Manche scheinen sich das so vorzustellen, als hätten<br />

wir einen Schmelztiegel, aus dem eine graue<br />

einförmige Masse hervorgehen müsste, <strong>und</strong> das sei<br />

dann Europa. Dagegen wehrt sich nicht nur der<br />

viel geschmähte Nationalismus, sondern der<br />

ges<strong>und</strong>e Sinn für Eigenes <strong>und</strong> Überliefertes. Aber<br />

Europa soll gar nicht gleichgeschaltet werden.<br />

Sein größter Reiz <strong>und</strong> Reichtum liegt in der<br />

Mannigfaltigkeit. Das Gemeinsame in der Mannigfaltigkeit<br />

herauszuarbeiten, das Verschiedene<br />

zu einer Einheit zu verbinden, das ist die Aufgabe.<br />

Das ist ja gerade das Ges<strong>und</strong>e an einem richtig verstandenen<br />

Föderalismus, dass es weiter Franzosen,<br />

Italiener, Deutsche, Holländer, Belgier <strong>und</strong><br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!