AUFBRECHEN Warum wir eine Exzellenzgesellschaft ... - jumpxs
AUFBRECHEN Warum wir eine Exzellenzgesellschaft ... - jumpxs
AUFBRECHEN Warum wir eine Exzellenzgesellschaft ... - jumpxs
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Gefahr, den Tod der klassischen Banken (Bill Gates: »Banking is necessary, banks are not«) oder über<br />
die Möglichkeit, Bilder als MMS zu verschicken.<br />
Nun ist das Alte »not amused« oder »nicht amüsiert« – so formuliert man »Verärgerung« im<br />
englischen Adel. Das Alte leidet unter dem Rummel. Es befürchtet, dass die dummen Verbraucher auf<br />
Betrüger und Bauernfänger hereinfallen.<br />
In der nächsten Phase rauscht das Neue in das Tal der Tränen. Die Mängel des Neuen werden in<br />
der Presse ätzend offen gelegt. »Internetbank stürzt für mehrere Stunden ab! Kunden ohne Geld!« Jetzt<br />
reibt sich das Alte vollkommen hochmütig die Hände und grinst schadenfroh und selbstzufrieden: »Es ist<br />
nicht alles Gold, was glänzt! Wir sagten es immer: Flausen, nichts als Flausen. Wir sind schon Jahrzehnte<br />
als Banker/Diafilmproduzent im Geschäft, <strong>wir</strong> wissen, wie der Hase läuft.« Diese Stelle in der Hybris Curve<br />
nenne ich »Peak of False Pride« oder Höhepunkt des falschen Stolzes.<br />
Genau in dieser Zeit, wo das Neue hart an der Beseitigung s<strong>eine</strong>r Schwachstellen und an der<br />
Grundlegung der neuen Infrastrukturen arbeitet, blendet das Alte das Neue komplett in freudigem<br />
Hochmut aus.<br />
Dann aber beginnen die Kunden das Neue zu begrüßen. Sie laufen der Telekom und den<br />
klassischen Banken weg, sie probieren Navis und kaufen k<strong>eine</strong>n jährlichen SHELL-Atlas mehr. Jetzt ist<br />
das Alte gereizt und schimpft auf das Neue, indem es auf die noch letzten Mängel hinweist: »Wir liefern<br />
Qualität! Wir beraten! Wir sind Fachleute! Bei uns ist alles sicher! Wir garantieren! Wir hätscheln<br />
Stammkunden!« Dieses ärgerliche Premium-Gerede des Alten nützt ihm nicht. Ganz im Gegenteil, genau<br />
durch dieses Premium-Gerede versäumt es, Reformen des Alten einzuleiten. Es gerät ins Hintertreffen,<br />
wovon es sich nie mehr erholen <strong>wir</strong>d.<br />
Das Neue steigt jetzt auf, das Alte feuert Tausende Mitarbeiter, spart sich tot, gibt immer höhere<br />
Rabatte (»Telefon drei Monate frei!« – »Nur wenig teurer als Internetbanking«), beutet die Stammkunden<br />
aus, die nichts merken (»Schläfer«), und hofft, es gehe alles vorüber.<br />
So geht das Alte an Hybris zugrunde. Wenn es am Ende ist, kann es sich manchmal entschlossen<br />
in die neue Zeit bewegen, was man heute »reinvention« oder Neuerfindung nennt. Doch das hochmütige<br />
Alte benötigt viel Herzensenergie, um diesen Rubikon zu überschreiten. Meist geht es deshalb über<br />
<strong>eine</strong>n anderen Fluss, den Styx. (»Wir suchen <strong>eine</strong>n Partner, der uns aufkauft und noch <strong>eine</strong> Weile als<br />
Schatten unserer selbst so weitermachen lässt wie bisher.«)<br />
Ich habe gerade aus dem aktuellen Wahlkampf berichtet. Elektroautos sind Hype! Die Presse<br />
stürzt sich auf dieses Thema, weil sie im Sommerloch ist. Alle werden zu Elektroautos befragt! »Im Jahre<br />
2020 sehen <strong>wir</strong> etwa <strong>eine</strong> Million E-Autos in Deutschland, das bedeutet, dass in elf Jahren schon etwa<br />
zwei (»lausige«) Prozent der Autos mit Akku fahren. Bis dahin ist es ein langer Weg. Natürlich wollen <strong>wir</strong><br />
alle <strong>eine</strong> saubere Umwelt, aber dafür muss der Ladestrom aus erneuerbaren Energien stammen. Auch<br />
bis dahin ist es ein langer Weg. Wir sehen im Augenblick k<strong>eine</strong> Alternative zum Verbrennungsmotor. Die<br />
Möglichkeiten, noch viel mehr Benzin durch Optimierung der herkömmlichen Motoren zu sparen, sind<br />
längst nicht ausgereizt. Es hat k<strong>eine</strong>n Sinn, zu viel über <strong>eine</strong> baldige Revolution zu faseln. Wir als<br />
Industrie kennen den Markt seit Jahrzehnten genau und sind auf der Höhe der Zeit.«<br />
Verstehen Sie, was ich sagen will? Das E-Auto ist auf der Hype Curve ganz oben – mit Absicht,<br />
weil der Hype Wähler fängt. Das etablierte Alte hält aber »den Ball flach« und redet abschätzig. Wenn die<br />
E-Autos demnächst kommen, werden die Althersteller die mangelnde Batterielaufzeit bemängeln (wie<br />
vorher bei Kameras und Laptops) und auf »Premium« schalten. Dann kommt der Tod. Die<br />
Silberfilmhersteller für klassische Fotokameras haben etwa ein Jahr nach dem Beginn des<br />
Papierbilderservice durch Supermärkte fassungslos in der Presse geweint, sie hätten nie – nie – nie<br />
gedacht, dass alles so schnell kommen würde.<br />
Hören Sie nochmals den O-Ton <strong>eine</strong>s deutschen Ministers: »Aus Deutschland sollen die<br />
Standards [für E-Autos] kommen, die in Europa und international angewendet werden.« Wie klingt das?<br />
Nach Hybris. Es klingt wie: »Wir haben in Deutschland sowieso immer die besten Autos, <strong>wir</strong> produzieren<br />
sie dann eben mit <strong>eine</strong>m anderen Motor, okay, wenn ihr wollt, kein Problem – <strong>wir</strong> sind sowieso immer die<br />
Besten. Damit aber gar nichts schiefgeht und sich niemand Sorgen machen muss, stiften <strong>wir</strong> von der<br />
Regierung 500 Millionen Euro für zwei Jahre und hoffen, dass der Wähler das honoriert.«