AUFBRECHEN Warum wir eine Exzellenzgesellschaft ... - jumpxs
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Früher spielten <strong>wir</strong> auf der Straße, es gab nur wenige Kindergärten. Später mussten Kinder dorthin, wenn<br />
beide Eltern arbeiteten. Das war in m<strong>eine</strong>r Jugend sehr selten und All<strong>eine</strong>rziehende gab es auch kaum.<br />
Die Kindergärten waren zuerst damit befasst, mit den Kindern zu spielen und auf sie aufzupassen, wenn<br />
die Eltern nicht da waren.<br />
Heute gehen fast alle Kinder dorthin. Sie sollen dort etwas lernen – spielend lernen. Sie werden<br />
auf die Schule vorbereitet, gut erzogen und zu sozialem Verhalten angeleitet.<br />
Und ich komme wieder mit demselben Argument: Wenn <strong>eine</strong> gute Hälfte der Bevölkerung das<br />
Abitur hat oder gar aus Akademikern besteht, dann erwartet diese Bevölkerung etwas ganz anderes von<br />
den Erzieherinnen und Erziehern als früher. Sie merken das an den Diskussionen, ob die englische<br />
Sprache im Kindergarten erlernt werden müsste. Am besten <strong>wir</strong>d jedes Kind noch in Blockflöte<br />
ausgebildet, lernt viele Lieder singen, das Schwimmen, Heimatkunde und die ersten Schritte im<br />
Schreiben und Rechnen.<br />
Diese viel höheren Erwartungen <strong>eine</strong>r mehrheitlichen Abitur-Eltern-Gesellschaft erfordern<br />
eigentlich, dass die Erzieherinnen und Erzieher ein Fachhochschulstudium absolviert haben. Finden Sie<br />
nicht auch? Wenn unsere Erwartungen an diesen Beruf so hoch sind, muss man ihn ganz anders<br />
konzipieren und selbstverständlich viel besser bezahlen. In den USA gibt es schon »Private Schools«,<br />
die sehr teuer sind. Es gibt Eltern, die für diese Entwicklungsphase der Kinder extra in Orte umziehen, wo<br />
diese exzellente Erziehung gesichert ist. Das ist hier in Deutschland nicht nötig gewesen, weil das<br />
Niveau der Erziehung traditionell gleichmäßig hoch war. Nun aber sackt das Niveau relativ zu anderen<br />
Staaten ab. Das beäugen <strong>wir</strong> irritiert bis bestürzt. Wir sehen aber nicht, dass unsere Erwartungen an uns<br />
selbst steigen. Eine Wissensgesellschaft braucht andere Kindergärten. Auch hier in Deutschland sind<br />
viele Eltern über die Qualität der Kindergärten besorgt und zahlen lieber für garantiert gute private<br />
Institutionen. Und natürlich – ich weiß – gibt es auch schon ganz überzogene Erwartungen an<br />
Kindergärten, die die Kl<strong>eine</strong>n am besten schon für das Abitur fit machen und die elterliche Erziehung<br />
ersetzen sollen. Trotzdem muss das professionelle Erziehen ein Job für Studierte werden.<br />
Im Gymnasium haben die Lehrer ja schon fachbezogen studiert. Aber auch hier wandeln sich die<br />
Erwartungen. Das Internet ermöglicht ganz neue Inhalte und Unterrichtsformen. Auf dieses Thema<br />
komme ich später im Buch unter dem Stichwort »Culture Technologies« noch ausführlicher zurück. Das<br />
lexikalische Wissen an sich, dessen Vermittlung <strong>eine</strong>n guten Teil des Unterrichts ausmachte, ist nun aus<br />
dem Internet auf jedem Handy verfügbar.<br />
Wenn zum Beispiel mein jetzt 23-jähriger Sohn Johannes, der schon mit dem Computer<br />
aufwuchs, uns Enkel bescheren <strong>wir</strong>d, dann werden <strong>wir</strong> erwarten, dass die Schule für diese Kinder<br />
beziehungsweise m<strong>eine</strong> Enkel <strong>eine</strong> ganz andere sein <strong>wir</strong>d.<br />
Was aber sehen <strong>wir</strong>? Lehrer, die immer noch nichts von Computern verstehen und sie eher<br />
verteufeln. Ausgerechnet diese ältere Generation, die laut Statistik jeden Tag Stunden vor der<br />
verdummenden »Glotze« verbringt, befehdet nun die Jüngeren, weil sie an Internetsucht zugrunde<br />
gehen <strong>wir</strong>d.<br />
Ich sage: Die Lehrer und die Ausbildung am Gymnasium werden den neuen Erwartungen nicht<br />
gerecht und machen insgesamt gesehen k<strong>eine</strong>n <strong>wir</strong>klichen Versuch <strong>eine</strong>r Veränderung, die über ein<br />
staatlich erzwungenes Maß hinausgeht.<br />
Wie schon gesagt: Der frühere Lehrer gehörte mit Pfarrer und Arzt zur kl<strong>eine</strong>n Elite. Heute aber<br />
sind große Teile der Eltern der Schüler Akademiker. Sie arbeiten in Berufen, in denen hohe Leistung<br />
gefordert ist und schlechte Leistung nicht toleriert <strong>wir</strong>d. Diese Eltern beherrschen Teile des Schulstoffes<br />
besser als die Lehrer selbst und sie wissen, welcher Lehrer etwas leistet und welcher nicht. Sie erwarten,<br />
dass Lehrer in <strong>eine</strong>n anderen Beruf versetzt werden, wenn sie den Anforderungen nicht genügen – in<br />
<strong>eine</strong>n anderen Beruf, nicht an <strong>eine</strong> andere Schule! Die ewige Rechtfertigung der Schulen, man könne von<br />
außen so <strong>eine</strong>n Unterricht gar nicht beurteilen, <strong>wir</strong>kt in <strong>eine</strong>r Akademikergesellschaft völlig lächerlich.<br />
Auf den Lehrern lasten daher immer mehr Erwartungen. Sie sind heute nur mehr normale