Jahresbericht 2010/2011 - EMW
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Hochzeitsgottesdienst in<br />
der afrikanischen „New Life<br />
Fellowship“-Gemeinde<br />
in Düsseldorf. Nachdem die<br />
Migrationsgemeinden lange<br />
meist unter sich blieben,<br />
besuchen inzwischen<br />
auch Gäste aus deutschen<br />
Gemeinden die Gottesdienste,<br />
denn sie sind in ihrer<br />
Lebendigkeit attraktiv.<br />
heimische Kirchengemeinden existieren neben Migrationsgemeinden,<br />
selbst wenn die Migranten Gaststatus in einer<br />
anderen Gemeinde haben. Zu einem Miteinander kann es<br />
auch gar nicht kommen, da viele dieser Gemeinden von der<br />
ersten Migrationsgeneration getragen werden und sich in<br />
der Phase der Isolierung befinden – sie dienen der Selbstversicherung<br />
und der Lebensorganisation in der Fremde.<br />
Warum soll sich Kirche aber auf das Projekt eines transkulturellen<br />
ökumenischen Lernens einlassen? Will man<br />
nicht die Evangeliumsbezogenheit der Kirche aufs Spiel<br />
setzen, ist dies alternativlos. Deshalb bemühen sich die<br />
verschiedenen Konfessionen um Rahmenbedingungen,<br />
die qualifizierte Begegnungen mit Migrantengemeinden<br />
fördern.<br />
In Deutschland gibt es seit zehn Jahren interkonfessionelle<br />
und interkulturelle Fortbildungskurse in Zusammenarbeit<br />
mit Migrationspastoren. Wenn die Anwesenden einander<br />
erleben als um eine lebensrelevante Bedeutung des Evangeliums<br />
Ringende, die durch unterschiedliche Traditionen<br />
geprägt und in ihrem Sosein einzigartig sind, dann lässt<br />
das die anderen nicht unbeeindruckt. Das kann ein Rechnen<br />
mit der erfahrbaren Gegenwart des Geistes Gottes in<br />
meinem Leben zur Folge haben und daraus mag eine vertiefte<br />
Spiritualität resultieren, die neue Kraft, Trost und<br />
Hoffnung zu geben vermag. Es kann Menschen ermutigen,<br />
ihre Gaben in Gottesdienste einzubringen und gerade junge<br />
Menschen zum Mittun anregen. Charismatisch-pfingstlerische<br />
Christen aus Afrika könnten von uns lernen, dass<br />
christlicher Glaube und Theologie auch eine gesellschaftsrelevante<br />
und -gestaltende Dimension haben. Wir hören von<br />
afrikanischen Christen, dass Gott als vollmächtig handelnd<br />
bzw. verändernd erfahrbar sein kann. Allerdings ist eine<br />
ungebrochene Übertragung von Glaubensinhalten, Gottesdienstelementen<br />
und Missionsstrategien in evangelische<br />
Gottesdienste in Deutschland zum Scheitern verurteilt.<br />
Das Lernen setzt die Bereitschaft und Fähigkeit voraus,<br />
Ausdrucksformen von dem zu unterscheiden, was durch<br />
sie zum Ausdruck kommt (Funktion). Ausdrucksformen<br />
sind kulturell gebunden und kaum direkt zu übertragen<br />
(vgl. etwa afrikanischer Tanz, Trommel, Lautstärke versus<br />
Orgelmusik, andächtige Stille). Wenn aber z.B. durch<br />
afrikanische Ausdrucksformen Aspekte des Evangeliums<br />
zum Ausdruck kommen, die im NT benannt werden bzw.<br />
durchscheinen – das zugesagte Heil betrifft den Menschen<br />
lebensbejahend und transformierend in all seinen bzw. ihren<br />
Bezügen, d.h. den Körper, die Gemeinschaft usw. – und<br />
die in unserer Tradition vernachlässigt werden, dann können<br />
wir Impulse empfangen, die auch dazu beitragen, das<br />
Bild von Kirche in der Öffentlichkeit zu verändern.<br />
Viele christliche Migranten und Migrantinnen verharren<br />
in der ersten Generation in ihrer Heimatenzyklopädie.<br />
Sie bleiben an die Familie in der Heimat gebunden, auch<br />
weil sie Ahnenflüche befürchten. Das Erlernen der hiesigen<br />
Sprache ist conditio sine qua non für eine gelingende<br />
Kommunikation des Evangeliums. Dies und die Aufnahme<br />
in die hiesige Gesellschaft nimmt Zeit in Anspruch.<br />
Hier und da wächst eine lebendige Ökumene vor Ort, Lokales<br />
und Globales überlappt sich und bringt neues Leben<br />
hervor. Menschen mit Migrationshintergrund werden in<br />
Deutschland geboren und wachsen heran. In Migrationskirchen<br />
beginnen junge Menschen, die eine hohe Kompetenz<br />
im „floaten“ in verschiedenen Kulturen erworben<br />
haben und etwas Neues verkörpern, das zur Norm wird,<br />
Leitungsaufgaben zu übernehmen. Für viele behält praktizierte<br />
Religiosität eine große Bedeutung. Die verfasste<br />
Kirche hier sollte Foren kreieren, um den Prozess des Zusammen-Wachsens<br />
zu fördern. Solches kirchliches Engagement<br />
dürfte eine Signalwirkung auf die weitere Gesellschaft<br />
haben.<br />
In der interkulturellen Begegnung von Christen fungieren<br />
die jeweils anderen sowohl als Spiegel als auch als Fenster:<br />
Ich lerne, mich besser zu verstehen und gleichzeitig sehe<br />
ich Veränderungsmöglichkeiten. Einheimische Kirchen<br />
und Migrationsgemeinden können durch ökumenisches<br />
Kennenlernen christlich angemessene Verhaltensweisen<br />
angesichts der veränderten Situation von Kirche und Gesellschaft<br />
lernen.<br />
| Prof. Dr. Werner Kahl ist Studienleiter in der Missionsakademie<br />
an der Universität Hamburg.<br />
<strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> | 21