Jahresbericht 2010/2011 - EMW

gleich individuelle und kollektive Prozesse bezeichnete.
Diese Entwicklung wird heute personifiziert etwa durch
den berühmten Mega-Church-Prediger Thomas Dexter
Jakes in Dallas. 29
Diese gesellschaftspolitische Dimension des Wohlstandsevangeliums
im Kontext der Black Christianity ist für die
Ausbreitung entsprechender Vorstellungen in Afrika von
Bedeutung. Denn die angedeuteten afro-amerikanischen
Vorstellungen ließen sich verbinden mit pan-afrikanischen
postkolonialen Diskursen, die zu neuen, kontextualisierten
Vorstellungen von black power, black pride and black prosperity
führten. 30 Auch Mensa Otabil, Gründer der International
Central Gospel Church (ICGC) in Accra, Ghana, gehört
seit vielen Jahren zu den afrikaweit einflussreichen Theologen
und Akteuren im öffentlichen Raum. Auch er verbindet
persönlichen „Durchbruch“ mit gesellschaftlichem
„Aufbruch“. 31 Überregionalen Einfluss erlangten Erzbischof
Benson Idahosa (Nigeria) und Erzbischof Duncan Williams
(Ghana). 32 In Brasilien hatte 1977 Bischof Edir Macedo Bezerra
die „Universalkirche vom Reich Gottes“ (IURD) gegründet.
Sie zählt heute mit weltweit ca. zwei Millionen
Mitgliedern, 2.000 Gemeinden in 70 Ländern zu den weltweit
aktiven neo-pfingstlichen Global Playern. 33 Starken
Einfluss hatte auch Pfarrer D. Yonggi Cho und die Yoido
Full Gospel Church in Seoul/Korea, der mit über 200.000
Mitgliedern weltweit größten Einzelgemeinde. 34
Instrumente der Verbreitung
Wie werden Vorstellungen des Prosperity Gospel ausgedrückt
und unter den Menschen verbreitet? 35 Moderne Medien
spielen erklärtermaßen eine ebenso große Rolle wie
Bücher und Traktate, die weltweit elektronisch unter „das
Volk“ gebracht werden. Die Namen von neueren Kirchen
und Gemeinden sind bezeichnend: Victory Bible Church;
Conquerors Chapel International; Overcomers Ministries
International; Winners’ Chapel; Holy Gost Power Ministries
International. Nicht zufällig sind – neben der Taube für den
heiligen Geist – Weltkugel und Adler häufige Symbole in
Kirchenlogos.
Veranstaltungsthemen lauten: „Six days powerful Revival“,
„Komm und bete für deinen Durchbruch“ oder „Anspruch
erheben auf Gottes Versprechen“. Ein 21-tägiges Gebetsfasten
wird als „War Cry“ mit dem Thema „Naturgesetze
aufheben“ angekündigt; „Hebe deine Augen auf und
vergrößere dein Zelt“, so der Titel für Wohlstands- oder
„Empowerment“-Gipfel. „Aufstiegs-Seminare“ rufen Teilnehmende
dazu auf, „die finanzielle Schlacht (zu) gewinnen“.
Dafür ist es nötig, der Aufforderung zu folgen: „Komm
Jacob Silberberg/Getty Images
auf den Highway in das gelobte Land“ oder „bereite dich
vor zu übernehmen“. Die Selbstvorstellungsplakette an der
Außenwand einer neo-pentekostalen Kirche lautet: „Friede
in meinen Grenzen, Wohlstand in meinen Palästen“.
Programmatische Auto-Aufkleber sind ebenfalls beliebt:
„Mit Jesus werde ich immer gewinnen“, oder: „Ich rieche
Erfolg“. Solche generellen Ansagen werden gern auch auf
Jahresziele konkretisiert: „2010: Mein Jahr des Ruhmes“;
„2011: Mein Jahr der doppelten Menge.“ Mit Recht lassen
sich Einstellungen, die sich in diesen Beispielen finden,
mit dem neopentekostalen Schlüsselsatz zusammenfassen:
„Your life shall never be the same“ 36 .
Einen Scheck über 10.000 nigerianische Naira (etwa 50 Euro) schreibt
die Besucherin eines Gottesdienstes der „City of David Church“ aus.
In nicht wenigen neopentekostalen und charismatischen Kirchen
Afrikas werden so Millionenbeträge eingesammelt.
Kritik
Wo setzt nun die zum Teil massive Kritik an Prosperity
Gospel-Vorstellungen an? 37 Immer wieder wird ein irreführendes
Bibelverständnis moniert, das einzelne Verse aus
ihrem Zusammenhang löst und uminterpretiert, ganze Passagen
zur nachträglichen Legitimation bereits bestehender
Vorstellungen funktionalisiert. So wird zum Beispiel der
breite Strom biblischer Warnungen vor Reichtum, Mammon
und Gier ausgeblendet 38 . Dabei wird durchaus anerkannt,
dass Abschnitte der Bibel ein umfassendes, die verschiedenen
Dimensionen des Lebens umgreifendes Verständnis
von Segen und Schalom entfalten.
Ein formelhaftes, reduziertes Glaubensverständnis mit
automatisch funktionierenden Gesetzmäßigkeiten wird
EMW-Jahresbericht 2010/2011 | 29