Jahresbericht 2010/2011 - EMW
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<strong>EMW</strong>/Heiner Heine<br />
der fallen und bei anderen wiederum sehr unterschiedlich<br />
stark ausgeprägt sind.<br />
Für alle charismatischen Gruppen intra und extra muros<br />
gilt: Die Anbetung und der Lobpreis Jesu stehen im Zentrum<br />
der Spiritualität, unmittelbare Gottesbegegnung und<br />
Geisterfahrung prägen das Glaubensleben, das spontane<br />
und freie Gebet füreinander stiftet intensive Gemeinschaft,<br />
Heilungswunder gehören konstitutiv zum Erweis<br />
des rechten Glaubens in der jeweiligen Kirche. Mission ist<br />
der stärkste Impuls, der von diesen Gruppen nach außen<br />
geht. Ob diese Mission sich dann in sozialdiakonischer, in<br />
prophetischer oder in staatstragender Weise gestaltet, ist<br />
sehr unterschiedlich.<br />
Um dem Phänomen der Pfingstbewegung in Lateinamerika<br />
gerecht zu werden, muss man vielleicht anders als in anderen<br />
Kontexten die Unterscheidung zwischen klassischen<br />
Pfingstlern und Neopentekostalen festhalten. Dies ist den<br />
historischen Pfingstkirchen sehr wichtig. Sie wollen nicht<br />
mit Gruppen verwechselt werden, die mit dem Wort Gottes<br />
Geld machen, die Menschen mit Exorzismen in den Wahnsinn<br />
treiben und die mit dem Evangelium Menschen psychisch<br />
unter Druck setzen und abhängig machen.<br />
Charismatisierung in Lateinamerika<br />
Einen imponierenden Chor hat die pfingstkirchliche Kathedrale in Santiago de Chile aufzuweisen. Die vor über einhundert Jahren gegründete<br />
Pfingstkirche Chiles ist stolz auf ihr Erbe und will mit Neopentekostalen nicht verwechselt werden.<br />
Wir sind viele und wer seid ihr? Diese Frage markiert ein<br />
Erwachen, eine neue Bereitschaft zum Dialog, ein neues<br />
Interesse an den anderen, die historisch zunächst die Übermacht<br />
institutionalisierter Amtskirche darstellten, die nun<br />
aber immer mehr als die bemitleidenswerten, kranken, alten<br />
Kirchen in den Blick kommen. Die ökumenische Herausforderung<br />
besteht darin, eine gegenseitige Wahrnehmung<br />
als Partner und als unterschiedliche, aber gleichberechtigte<br />
Arbeiter im Weinberg Gottes zu ermöglichen.<br />
Wir sind viele und wer seid ihr? Diese Charakterisierung<br />
der ersten Annäherung der Pfingstler an historisch protestantische<br />
Kirchen aus dem lateinamerikanischen Kontext<br />
kommt etwas spöttisch daher. Spott ist vielleicht typisch<br />
für den, der sich durch den Zulauf der Menschen bestätigt<br />
fühlt und meint, die Mitgliederzahlen sprächen für seine<br />
Art, Kirche zu sein und den Glauben zu verkündigen. Bei<br />
uns geschieht die Begegnung vielleicht manchmal genau<br />
unter umgekehrten Vorzeichen. Und es könnte sein, dass<br />
dann und wann auch bei uns bei der Begegnung mit den<br />
freien und pfingstlichen Gemeinden die Frage durchklingt:<br />
Wir sind viele und wer seid ihr?<br />
| Dr. Uta Andrée ist Oberkirchenrätin im Kirchenamt der EKD<br />
und zuständig für Mittel- und Südamerika<br />
<strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> | 25