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Jahresbericht 2010/2011 - EMW

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Wohlstandsevangelium<br />

zurückgewiesen. Im Kontext des Wohlstandsevangeliums<br />

wird „Gott zu einem ‚Geist in der Flasche‘, dessen Hauptaufgabe<br />

darin besteht, auf menschliche Manipulationen zu<br />

antworten.“ 39 Gegenüber solchen menschlichen Versuchen,<br />

Gott durch geistliche Formeln – auch „positive Bekenntnisse“<br />

– letztlich domestizieren zu wollen, wird die Souveränität<br />

des göttlichen Gnadenwillens für die Menschen<br />

unterstrichen. 40<br />

Weil Krankheit angeblich dem Willen Gottes widerspricht,<br />

soll und kann jede/r geheilt werden, wenn er/sie nur richtig<br />

glaubt. Fortdauernde oder nach menschlichem Wissen<br />

„unheilbare“ Krankheiten werden folglich mit sündhaftem<br />

Leben in Beziehung gebracht, was biblisch-theologischen<br />

Zentralvorstellungen – und etwa auch dem Lebensbeispiel<br />

des Paulus – keineswegs entspricht. „Mit der Leugnung von<br />

Krankheiten verwirft das Wohlstandsevangelium die wichtige<br />

eschatologische Dimension der Heilung“. 41 Verworfen<br />

wird eine um sich greifende „Theologie der Herrlichkeit“,<br />

in der letztlich kein Platz ist für das Kreuz Christi. Dessen<br />

Heilsbedeutung wird massiv relativiert. Menschliche<br />

Leiderfahrungen können nur als zu überwindende, weil<br />

gegen Gottes Willen stehende „Lügen des Teufels“ gesehen<br />

werden. 42 „Ebenfalls verneinen wir, dass Armut, Krankheit<br />

oder ein früher Tod immer Zeichen eines Fluches Gottes<br />

sind oder der Beweis mangelnden Glaubens oder das Resultat<br />

menschlicher Flüche, denn die Bibel weist solche<br />

simplen Erklärungen zurück“. 43<br />

Damit sind auch gravierende seelsorgerliche Vorbehalte gegeben.<br />

Denn wenn die gewünschten Glaubens-Ergebnisse<br />

auch nach längerem Warten nicht eintreten, bleiben letzlich<br />

nur Verdrängung, Umdeutung oder Nicht-Akzeptanz<br />

von Erfahrungen, welche die Glaubensgewissheit erschüttern<br />

können. Oder aber die „Schuld“ am Ausbleiben der<br />

Glaubenserfolge wird mit Vorwürfen an die eigene oder<br />

an fremde Adressen 44 verwiesen. Schließlich ist auch das<br />

Verlassen des Glaubensweges eine von den Ausgangsvoraussetzungen<br />

her folgerichtige Konsequenz, weil es im<br />

Kern weniger um ein Vertrauen auf Gott, sondern um einen<br />

„Glauben an den eigenen Glauben“ geht. Wenn es zu<br />

einem „Teufelskreis von Versagen, Frustration und Resignation“<br />

45 kommt, sind für die Betroffenen letztlich kaum<br />

allgemein akzeptierte, theologisch begründete Auswege<br />

vorhanden.<br />

Das Wohlstandsevangelium ist – so die Kritik – dennoch<br />

keine Gute Nachricht für die Armen: Sie werden zusätzlich<br />

ihrer Würde beraubt, weil der Umstand, unter unmenschlichen<br />

Bedingungen leben zu müssen, als gottfern<br />

gedeutet wird. Im Wohlstandsevangelium geht es letztlich<br />

30 | <strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong><br />

Per-Anders Pettersson/Getty Images<br />

Man muss sich nicht einmal am Wohlstand im Globalen Norden orientieren – er<br />

ist greifbar nahe: Die schwarze Mittelklasse in Südafrika präsentiert gerne ihren<br />

Reichtum, wenn sie am Wochenende zu ihren Verwandten nach Soweto fährt.<br />

um das Geld, das zum Götzen, zum Mammon wird. Dem<br />

dient die wachsende Bedeutung von Spenden-Sammlungen<br />

und Kollekten 46 in Gottesdiensten und eine stark auf<br />

sie bezogene, reduzierte Wortverkündigung. Geben ist dabei<br />

weniger ein gottesdienstlicher Akt des Teilens, sondern<br />

wird mit expliziten Erwartungen an sichtbare, vielfache<br />

Rückerstattungen durch Gott verbunden. Es ist quasi<br />

eine Investition in die irdische Zukunft, beschrieben als<br />

„Aussaat eines Samens“. Manche der dabei vorgetragenen<br />

Vorstellungen erinnern in fataler Weise an vorreformatorische,<br />

Tetzel’sche Ansichten. 47 Mit der Verführung zum<br />

Wahn eines raschen materiellen Erfolges werden in aller<br />

Regel keine tragfähigen Lösungen für die Probleme des<br />

Alltags angeboten.<br />

Meist sind es nur Pfarrer und Leitende in Gemeinden und<br />

Kirchen, die tatsächlich durch Spenden reich werden. Faktisch<br />

wird eine „Kultur der Gier“ unterstützt, wird das Streben<br />

nach Einfluss und Reichtum häufig zum entscheidenden<br />

Antrieb auch des pastoralen Handelns. Es entstehen<br />

„andere Opfer des Wohlstandes“, denn sie verlieren die Nöte

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