Jahresbericht 2010/2011 - EMW
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Die Chance nicht<br />
erkannt?<br />
Die charismatisch-pentekostalen Bewegungen<br />
haben neue Dimensionen in das afrikanische<br />
Christentum in Afrika eingeführt, schreibt der<br />
Stipendiat der Missionsakademie, Bertile Pialo<br />
Maditoma, in seiner Dissertation, in der er die<br />
Entwicklungen in der Eglise Evangelique Presbytérienne<br />
du Togo (EEPT) analysiert.<br />
Maditoma stuft die Bewegungen<br />
als Beispiel von Volkschristentum<br />
ein, weil sie den<br />
emotionalen Bedürfnissen<br />
der Massen entsprächen und<br />
ihnen eine Befreiung von Abhängigkeit<br />
und Knechtschaft<br />
versprechen. Sie eröffneten<br />
einen Raum der Freiheit, in<br />
welchem die Gläubigen ihre<br />
Emotionen ausdrücken und<br />
die Macht des Heiligen Geistes<br />
in Zeichen und Wundern<br />
erfahren können.<br />
Diese Bewegungen haben in der EEPT eine Krise bewirkt,<br />
teils wegen massiver Mitgliederverluste vor allem in den<br />
1990er Jahren, anderseits durch die Bestrebungen erweckter<br />
Laienbewegungen, ihre Einsichten und Erwartungen<br />
in der Kirche durchzusetzen. Die EEPT-Leitung bleibt aber<br />
kompromisslos ihrer klassisch reformierten Identität verschrieben<br />
und lehnt charismatische Einflüsse entschieden<br />
ab. Maditoma hält dies für einen Fehler, weil die Kirche damit<br />
eine „Afrikanisierung“ abwehrt. „Diese bewusste oder<br />
unbewusste Vernachlässigung der transzendenten Domäne<br />
ist Frucht des Erbes der ersten Missionare.“ 3 Die Theologie<br />
der EEPT sei allzu intellektuell und habe versäumt, Elemente<br />
der afrikanischen Philosophie aufzunehmen. Zwar seien<br />
lobenswerte Versuche unternommen worden im Bereich der<br />
Witwen- und Initationsriten, aber in Bezug auf Krankheit,<br />
Zauberei und Armut bleibe die Kirche Antworten auf Fragen<br />
schuldig, die Gläubige tagtäglich beschäftigten.<br />
Maditoma kritisiert den Umgang mit den Ergebnissen einer<br />
Konsultation der Partner der Norddeutschen Mission. Die<br />
Empfehlungen aus dem Jahr 1999 hätten der EEPT Möglichkeiten<br />
für einen Dialog und einer kritischen Revision<br />
ihrer Theologie geboten, sie seien aber nicht aufgenommen<br />
worden. | Zusammenfassung: Owe Boersma<br />
Malawi<br />
Die Attraktivität<br />
einfacher Antworten<br />
Auch die Baptistenkirchen von Malawi werden von<br />
der charismatischen Bewegung herausgefordert,<br />
wie Pfarrer Vincent Chirwa, Generalsekretär<br />
der Baptist Convention Malawi erklärt.<br />
Pentekostale und charismatische Bewegungen<br />
haben, teils unbeabsichtigt, eine Art Zweistufenchristentum<br />
erzeugt. Wer nicht vom Geist ergriffen<br />
wurde, gilt als minderwertiger Christ. Gottesdienste<br />
mit Zungenrede, gemeinsames lautes Beten, vom<br />
Geist „geschlagen werden“, lautes Schreien und<br />
heiliges Lachen gelten als „spirituell“, alles andere<br />
als „kalt oder trocken“. Die dominierende Verkündigung<br />
in den charismatischen Kirchen beinhaltet<br />
das Versprechen von Heilung und Wohlstand.<br />
Es bilden sich unabhängige, interdenominationelle<br />
Gruppen mit charismatischer Theologie und Liturgie,<br />
die besonders Jugendliche und junge Erwachsene<br />
ansprechen. Ohne kirchliche oder anderweitige Aufsicht<br />
kommt es manchmal zu gefährlichen Vorgängen: So kamen<br />
im Dezember <strong>2010</strong> drei baptistische Jugendlichen<br />
bei einer „Feuer-Reinigung“ zur Dämonenvertreibung<br />
ums Leben, zu der<br />
sie ein Gruppenleiter<br />
überredet hatte. Auch<br />
das absolute Vertrauen<br />
auf Heilung durch Gebet<br />
kann in die Irre führen.<br />
Manche Charismatiker<br />
halten Beerdigungen<br />
an, um den Toten<br />
zu erwecken, oder<br />
überzeugen Kranke,<br />
von einem Spitalbesuch<br />
oder der Einnahme<br />
von Medikamenten<br />
abzusehen. Ein neuer<br />
Vorstoß aus diesen Kreisen zielt darauf ab, Malawi<br />
zu einer „christlichen Nation“ zu erklären.<br />
Man verbindet damit die Erwartung, es käme<br />
dadurch zu einem Aufschwung des Landes.<br />
Positiv sieht Vincent Chirwa, dass charismatische<br />
Einflüsse eine belebende und erfrischende Auswirkung<br />
auf Gottesdienste haben, und zum Beispiel<br />
zur Erneuerung der Musik beitrugen. Eine biblische<br />
Auseinandersetzung mit charismatischer Theologie<br />
stehe allerdings noch aus. Es genüge nicht, diese von<br />
vornherein zu disqualifizieren, sondern die Kirche<br />
müsse Antworten geben auf Fragen, die die Menschen<br />
bewegen. | Zusammenfassung: Owe Boersma<br />
<strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> | 9