Jahresbericht 2010/2011 - EMW
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Populär und prosperierend<br />
Zur pfingstkirchlich-charismatischen Dynamik in Afrika<br />
Weltweit wächst im Christentum der Einfluss charismatischer und pentekostaler<br />
Strömungen. Einigen Auswirkungen, die diese Entwicklungen auf afrikanische Kirchen<br />
und die mit ihnen verbundenen Missionswerke und Kirchen in Deutschland haben,<br />
geht dieser <strong>Jahresbericht</strong> nach. In dieser Einführung versuchen wir, die hier thematisierten<br />
Phänomene für eine erste Orientierung einzuordnen. Im zweiten Teil beleuchten Berichte<br />
aus mehreren Ländern und Kirchen Afrikas Ausmaß und Ausprägung dieser Entwicklungen,<br />
auch in Bezug auf das so genannte Wohlstandsevangelium. Abschließend bieten wir einige<br />
Konsequenzen aus dem Dargelegten für weitere Debatten an. Doch zunächst drei Schlaglichter,<br />
die das Thema illustrieren.<br />
Eine Kirche für jeden Geschmack<br />
Erstes Schlaglicht: Pastor Joshua von der Redeemed Christian<br />
Church of God (RCCG) beschreibt die Transformation<br />
einer kleinen, armen Kirche in Nigeria (Yorubakirche) zu<br />
einer Kirchengemeinschaft mit weltweiten Beziehungen<br />
als Konsequenz einer Fokussierung auf die „Kundschaft“:<br />
„Wenn du irgendwo hingehst, mache die Kirche relevant<br />
für die Menschen. Wenn du Fachleute erreichen möchtest,<br />
verändere die Kirche so, dass die Fachleute kommen. Wenn<br />
du aber Verkäufer auf einem Markt erreichen willst, mache<br />
die Kirche geeignet für Verkäufer. Diese Idee verwirklichte<br />
die RCCG. Sie war nicht länger nur eine lokale, kleine Yorubakirche,<br />
sie wurde eine Kirche für Jedermann. Aufgabe<br />
der Pastoren war es, die Kirche an die Menschen anzupassen,<br />
die kamen. Das verhalf der Kirche zu Wachstum. Die<br />
Situation ist der in einem Einkaufszentrum ähnlich: Es<br />
gibt Restaurants mit verschiedenen Angeboten – McDonalds,<br />
Burger King oder Kentucky Fried Chicken – und die<br />
Menschen entscheiden sich: Ich gehe zu KFC, ich gehe zu<br />
McDonalds. Jedes Geschäft könnte auch eine Kirche sein.<br />
Dann gäbe es RCCG-McDonalds, RCCG-Burger King oder<br />
RCCG-KFC.“ 1<br />
Wer nicht erweckt ist, fährt in die Hölle<br />
Zweites Schlaglicht: Besuch einer Delegation von mission<br />
21 bei einer Herrnhuter Gemeinde in Südtansania.<br />
Zeitgleich findet im Besuchsort Isoko, einer alten Missionsstation<br />
mit Krankenhaus, eine „Rallye“ mit einer regionalen<br />
Erweckungsgruppe statt. Am Sonntag hat die<br />
lokale Herrnhuter Gemeinde zum Gottesdienst geladen.<br />
Mit afrikanisch-diplomatischem Geschick werden die<br />
Einführung<br />
Gottesdienstbesucher, einerseits Vertreter des schweizerischen<br />
Missionswerkes, andererseits Teilnehmer der Erweckungskonferenz,<br />
in den festlichen Freiluftgottesdienst<br />
eingeflochten. Alles verläuft „normal“, bis ein „Erweckungschor“<br />
auftritt. Ein HIV-Aids-Berater, der im Dienst<br />
von Missionswerken Kirchen in Tansania berät, übersetzt<br />
das Lied. „Wir wissen schon, manche von euch spotten<br />
über die Erweckten, aber uns als Erweckte stört das nicht.<br />
Denn ihr geht doch in die Hölle, und wir fahren gen Himmel!“<br />
Die Gemeinde ist beunruhigt und auch das gemeinsame<br />
Gebet entspannt die Lage nicht. Die Veranstalter der<br />
Rallye, ein Ehepaar aus Dar es Salaam, das nicht innerhalb<br />
der Moravian Church theologisch ausgebildet ist, betet in<br />
einer sich steigernden Hektik – gerade so, als sei in Isoko<br />
noch nie gebetet worden.<br />
Abgesagte Dämonenaustreibung in der Pfalz<br />
Drittes Schlaglicht: Am Ende wurde der Gottesdienst doch<br />
abgesagt. Eingeladen nach Landau in der Pfalz, durfte der<br />
Moderator der Presbyterian Church of Ghana (PCG), Emmanuel<br />
Martey, dann doch keinen Gottesdienst mit exorzistischen<br />
Elementen, als Teil eines „Krieges gegen Dämonen“<br />
(spiritual warfare) abhalten (siehe S. 14 ff). Auf das Weltbild<br />
des afrikanischen Gastes wollte sich die überwiegende<br />
Mehrheit der Teilnehmenden der Veranstaltung nicht<br />
einlassen. Ihnen war die „Realität“ von bösen Geistern, die<br />
Menschen innewohnen und sie krank machen, nicht geläufig.<br />
„Hinter die Aufklärung können wir nicht mehr zurück“,<br />
erklärte einer der Anwesenden. Die These von Martey, es<br />
gäbe verschiedene Realitäten – die biblische und die wissenschaftliche<br />
– leuchtete den meisten nicht ein.<br />
<strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> | 3