Jahresbericht 2010/2011 - EMW
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sondern auch und gerade Pfingstkirchen Angst vor dem<br />
Erfolgsmodell der RCCG. 74 Rücksichten auf andere Kirchen<br />
bei der Evangelisation oder eine Zusammenarbeit mit Kirchen,<br />
die nicht an Zungenrede oder in Dimensionen von<br />
Himmel und Hölle glauben, schließt die RCCG aus. Wie<br />
Pastor Brown Oyitsu formuliert: „Europe is becoming permissive<br />
and this is why God has asked a church like the<br />
Redeemed (RCCG) to go back to Europe“. 75<br />
Bei aller Bedeutung des Dialogs zwischen verschiedenen<br />
Akteuren müssen wir feststellen, dass in den letzten Jahren<br />
seine Grenzen deutlicher sichtbar geworden sind. Nicht<br />
nur internationalisierte Mega-Churches zeigen Schwierigkeiten,<br />
bestimmte Formen des Kircheseins in Ländern des<br />
Globalen Nordens als gültige Versuche der Nachfolge Jesu<br />
Christi zu akzeptieren. Folglich haben sie einstweilen wenig<br />
Interesse an Kooperationen. Um eine Vertiefung von<br />
christlichen Parallelgesellschaften – in Deutschland etwa<br />
landeskirchliche und Migrationsgemeinden – zu vermeiden,<br />
müssen dennoch Gesprächsebenen gefunden werden.<br />
Theologische Ausbildung<br />
Eine gemeinsame Bibellektüre scheint eine gute Grundlage<br />
für den Dialog zu sein, wie sich auch im Rahmen des<br />
„African Theological Training in Germany“ (ATTiG) an der<br />
Missionsakademie oder in vergleichbaren Kursen anderer<br />
Missionswerke und Kirchen zeigt. Wenn auf afrikanischer<br />
Seite die Unmittelbarkeit der Bibellektüre als Vorteil gelten<br />
darf, so ist auf deutscher Seite die sprachliche, historische<br />
und theologische Tiefe des Bibelverständnisses wert, in der<br />
Diskussion gehört zu werden.<br />
Es gibt Anzeichen dafür, dass zumindest in einem Teil der<br />
charismatischen und pentekostalen Kirchen die Notwendigkeit<br />
einer Qualifizierung der theologischen Ausbildung<br />
erkannt wird, wobei man anscheinend bereit ist, mehr Gemeinsamkeit<br />
zu suchen. So trafen sich zum ersten Mal<br />
im Juli <strong>2011</strong> afrikanische Vertreter der Weltkonferenz der<br />
Vereinigung Theologischer Institute (WOCATI) zu einer Tagung.<br />
Die Teilnehmenden aus protestantischen, römischkatholischen,<br />
orthodoxen, evangelikalen, unabhängigen<br />
und pentekostalen Ausbildungsstätten waren sich darin<br />
einig, dass die Qualität der theologischen Ausbildung in<br />
Afrika erhöht werden müsse. Besonders die Bildung der<br />
jetzt jungen Generation steht dabei im Vordergrund: „Wir<br />
müssen jetzt viel in die Jugend investieren, um diese besonderen<br />
Erfahrungen mit gesunder Lehre zu unterfüttern.<br />
Durch Ausbildung, Workshops und Konferenzen müssen<br />
wir dazu beitragen, dass die Jugendlichen vom Missbrauch<br />
der guten Gaben und von vorgetäuschten Erfahrungen ferngehalten<br />
werden“, sagte Berhanu Ofga'a, Generalsekretär<br />
der EECMY. Auch andere Partner, wie die Organisation von<br />
Unabhängigen Afrikanischen Kirchen in Africa OAIC, das<br />
Projekt für Christlich-Muslimische Beziehungen in Afrika<br />
PROCMURA, das Projekt für Theologische Fernausbildung<br />
(TEE) und auch das (evangelikale orientierte) Oxford Center<br />
of Mission Studies unterstützen diese Forderung.<br />
Nach alldem kann zusammenfassend festgestellt werden,<br />
dass das Wachstum vieler Kirchen in Afrika einen Zuwachs<br />
des Selbstbewusstseins bei allen Kirchen bewirkt hat. Ihnen<br />
ist sehr wohl bekannt, dass die nordatlantischen Partner<br />
zahlenmäßig abnehmen. In vielen Partnerschaften sind<br />
die in den Süden überwiesenen Geldmittel zurückgegangen.<br />
Die neo-pentekostalen Kirchen sind – von „Anschubfinanzierungen“<br />
abgesehen – in der Regel selbst-finanziert<br />
und im Vergleich zu den Missionskirchen, bei vergleichbarer<br />
Größe, oft sehr viel reicher. Diese und andere Faktoren<br />
verändern das Machtgefälle zwischen Nord und Süd. Das<br />
<strong>EMW</strong> und die Missionswerke können auch zukünftig hier<br />
die Stärke ihrer langjährigen Verbindungen mit den Partnerkirchen<br />
und Institutionen der theologischen Ausbildung<br />
in einen vertieften Dialog einbringen. Das gewachsene Vertrauen<br />
kann helfen.<br />
Thesen<br />
Mit dem Begriff „Charismatisierung“ werden seit etwa drei<br />
Jahrzehnten Prozesse bezeichnet, die Gruppen, Gemeinden<br />
und Kirchen in mittlerweile nahezu allen Konfessionsfamilien<br />
prägen. Die vorliegenden Berichte aus afrikanischen<br />
Ländern zeugen von einer anhaltenden Dynamik, die die<br />
kirchliche Landschaft in den jeweiligen Kontexten oft nachhaltig<br />
transformiert. Die pfingstkirchlich-charismatische<br />
Bewegung gilt als das – auch künftig – am stärksten wachsende<br />
Segment der weltweiten Christenheit.<br />
In vielen Kirchen Afrikas lässt sich ein wachsendes Selbstbewusstsein<br />
ausmachen, das sich auf Tragfähigkeit und<br />
Anziehungskraft der eigenen Ausprägung des Kircheseins<br />
bezieht. Dies führt vor Ort häufig zu einer verstärkten Wettbewerbssituation<br />
und der raschen Ausdifferenzierung von<br />
Kirchenstrukturen. Auch im Nord-Süd-Kontext verändern<br />
sich die traditionellen Einflusssphären und Machtverhältnisse.<br />
Die Weltchristenheit ist polyzentral geworden, und<br />
es gibt vermehrt konkurrierende Ansprüche auf Deutungshoheit<br />
der gegenwärtigen Entwicklungen.<br />
Eine neue Dimension besteht darin, dass Charismatisierungsprozesse<br />
auch im Leben von Gemeinschaften und<br />
Kirchen eine wachsende Rolle spielen, die aus der missionarischen<br />
Präsenz westlicher Missionsgesellschaften und<br />
Kirchen entstanden sind. Die bei diesen Partnerkirchen<br />
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