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Jahresbericht 2010/2011 - EMW

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Luther oder die Betonung der Schwachheit und des Mitleidens<br />

Christi werden in diesen Pfingstkirchen nach meinen<br />

Beobachtungen theologisch ausgeblendet. Hier könnte ein<br />

fruchtbares theologisches Gespräch ansetzen, denn die Erfahrung,<br />

dass nicht jede Krise durch den Glauben an Gott<br />

überwunden wird und Armut nicht immer in Wohlstand<br />

mündet, machen auch nigerianische Christen. Auch moralische<br />

Fragen wie Homosexualität erscheinen in einem<br />

anderen Licht, wenn sie nicht notwendigerweise dem Handeln<br />

Satans zugeschrieben werden. Ein Aufbrechen des<br />

dualistischen Paradigmas scheint mir geboten.<br />

Andererseits fragen Pastorinnen und Pastoren nigerianischer<br />

Pfingstkirchen meiner Ansicht nach zu Recht, wie<br />

deutsche Großkirchen dem Auftrag Jesu, in seinem Namen<br />

Jacob Silberberg/Getty Images<br />

böse Geister auszutreiben (Mk. 16,17), nachkommen. Bei<br />

vielen Migrantinnen und Migranten insbesondere aus Afrika<br />

ist das Bewusstsein, von Dämonen und bösen Geistern<br />

besessen zu sein, stark ausgeprägt. In Deutschland wird<br />

dieses Thema völlig übergangen, obwohl wichtige Vertreter<br />

und Strömungen der Seelsorgebewegung des 20. und 21.<br />

Jahrhunderts (Thurneysen, Scharfenberg und Josuttis) sich<br />

mit dämonischer Besessenheit beschäftigt haben. Migrantinnen<br />

und Migranten zeigen hier auf einen blinden Fleck<br />

in der theologischen Reflexion der „mainline churches“,<br />

die aufgrund ihrer volkskirchlichen Ausrichtung selbstverständlich<br />

auch die theologischen Fragen von Menschen,<br />

die nach Deutschland zugewandert sind, ernst nehmen und<br />

bearbeiten sollten.<br />

Ein weiteres Thema, in dem unterschiedliche Welten aufeinander<br />

treffen, ist das Thema „Struktur“. Ein Pastor<br />

der Redeemed Christian Church of God, einer der größten<br />

Pfingstkirchen Nigerias, beklagte etwa, dass Deutsche<br />

mit dem Wort Kirche die althergebrachten Institutionen in<br />

Verbindung brächten. Ähnliches habe er auch in der anglikanischen<br />

Kirche in Nigeria beobachtet, die in den letzten<br />

Jahren zahlreiche Mitglieder verloren habe. Junge und gebildete<br />

Menschen hier wie dort könnten sich mit den traditionellen<br />

Kirchen nicht mehr identifizieren, weil sie diese als<br />

fremdartige und langweilige Einrichtungen betrachteten.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Negativfolie der institutionalisierten<br />

Kirchen, denen der Pastor neben der römisch-katholischen<br />

und der evangelischen Kirche in Deutschland<br />

auch einige Pfingstkirchen zurechnete, entwickelte er ein<br />

neues Konzept eines Seminars oder Treffpunktes, in denen<br />

auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen werden<br />

könne. Weniger Struktur, so seine Quintessenz, fördere<br />

das Wirken des Heiligen Geistes.<br />

Diese Meinung teilen die meisten seiner Kollegen. Es gibt<br />

aber auch Ausnahmen: Gerade die fehlende Struktur sah<br />

der Pastor einer anderen internationalen Pfingstkirche als<br />

besonderes Problem an. Es sei zu einfach zu sagen, Bürokratie<br />

sei nutzlos und entbehrlich, weil der Heilige Geist<br />

jenseits von Bürokratie wirke. Heutzutage gebe es auch<br />

viele, die sich auf das Wirken des Heiligen Geistes beriefen,<br />

um sich aus eigener Initiative als Präsident oder Gründer<br />

einer Kirche zu deklarieren. Dadurch entwickele sich eine<br />

unkontrollierbare Menge an Gemeinden und Pastoren, denen<br />

keinerlei Grenzen aufgezeigt würden. Mit ihren Strukturen<br />

hätten die etablierten Großkirchen diesen Gemeinden<br />

eindeutig etwas voraus.<br />

Inwieweit Strukturen das Wirken des Heiligen Geistes<br />

hemmen oder einen nachhaltigen Gemeindeaufbau fördern<br />

<strong>EMW</strong>-<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> | 23

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