Wohlstand als Aufgabe
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Wohlstand als Aufgabe
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Industrialisierung und Urbanisierung<br />
waren keineswegs ein reicher<br />
Segen für alle Beteiligten<br />
<strong>Wohlstand</strong> umfasst ausreichende<br />
Mittel, Glück und Zufriedenheit,<br />
Zivilisation und Kultur, sowie eine<br />
langes Leben bei guter Gesundheit<br />
Eine moderne Wirtschaft braucht<br />
eine gewisse Neigung zur Moralität,<br />
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Minimum lag, mussten mit der immer gegenwärtigen Gefahr leben,<br />
beim Wandel ihres Geschicks in die Armut abzurutschen. Die<br />
Bedrohung durch Krankheit betraf alle Gesellschaftsschichten.<br />
Dasselbe galt für die Gefahr, Opfer von Verbrechen und sozialen<br />
Unruhen zu werden. Bildung und die Möglichkeit zur Muße wurden<br />
erst recht spät zu Bedürfnissen; noch später erst kam die Forderung auf,<br />
dass die Menschen durch Sozialversicherung vor den schlimmsten<br />
Unglücksfällen geschützt werden sollten, die ihnen widerfahren können.<br />
Auch Industrialisierung und Urbanisierung waren keineswegs ein<br />
uneingeschränkter Segen. In Teilen der Bevölkerung wuchsen Armut<br />
und Not. Aber nach und nach breitete sich der Reichtum, den die<br />
Industrialisierung schuf, in der gesamten Bevölkerung aus, teilweise<br />
<strong>als</strong> Ergebnis einer bewussten Politik der Umverteilung und teilweise,<br />
weil der Fortschritt des Ganzen früher oder später auch allen Teilen<br />
zugute kam.<br />
Im Laufe dieser Entwicklungen wurde der Begriff ‘<strong>Wohlstand</strong>’ ein<br />
identifizierbarer Bestandteil der Sehnsüchte der Menschen, und seine<br />
Verheißung wurde eine Konstante in den politischen Debatten des 20.<br />
Jahrhunderts. Im engeren Sinne meint er schlicht die Abwesenheit von<br />
Armut, doch mit der Zeit bekam ‘<strong>Wohlstand</strong>’ mehr und mehr die<br />
Bedeutung des stetigen Ansteigens des Lebensstandards - wenn nicht<br />
durchweg Jahr um Jahr, so doch zumindest von Generation zu<br />
Generation.<br />
Der Begriff ‘<strong>Wohlstand</strong>’ wird immer noch oft im engeren Sinne<br />
gebraucht. Aber er hat auch tiefere Bedeutung angenommen. Nicht<br />
zuletzt deshalb, weil zunehmend wahrgenommen wird, wie die<br />
Anhäufung materieller Segnungen auch Faktoren mit sich bringt, die<br />
ihren Genuss vermindern statt ihn zu vergrößern. Deshalb ist aus dem<br />
zuvor vorrangig materiell verstandenen <strong>Wohlstand</strong> ein umfassenderes<br />
Ziel geworden: Die Förderung des Wohles aller Menschen. Eine<br />
Definition dieser neuen und reicheren Bedeutung von <strong>Wohlstand</strong> ist<br />
das genaue Gegenteil von Thomas Hobbes’ Beschreibung des Lebens<br />
im ungeregelten Naturzustand <strong>als</strong> ‘einsam, arm, hässlich, brutal und<br />
kurz’. Insofern ist <strong>Wohlstand</strong> <strong>als</strong>o das Gegenteil aller dieser Aspekte,<br />
und nicht alleine des zweiten Adjektivs. Er umfasst Teilhabe an der<br />
Gemeinschaft, ausreichende Mittel, Glück und Zufriedenheit,<br />
Zivilisation und Kultur, sowie langes Leben bei guter Gesundheit.<br />
Christliche Ethik sollte mit dieser Weiterentwicklung des<br />
Verständnisses Schritt halten. Dies kann zum Beispiel geschehen,