Weltwirtschaftskrise_Band_I_V1 - Wirtschaftskrise - Blogworld.at
Weltwirtschaftskrise_Band_I_V1 - Wirtschaftskrise - Blogworld.at
Weltwirtschaftskrise_Band_I_V1 - Wirtschaftskrise - Blogworld.at
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Teil I Eine ganz normale Krise?<br />
…………………………………………………………………………………………………………....<br />
Juli 2009 fiel der Drei-Mon<strong>at</strong>s-Euribor von „4,6 auf 0,97 Prozent“ 42 . Der Drei-Mon<strong>at</strong>s-Euribor wird<br />
üblicherweise als Grundlage für die Kontoüberziehungsgebühren herangezogen. Dennoch blieben die<br />
Kontoüberziehungsgebühren fast unverändert. Der «Sechs-Mon<strong>at</strong>s-Euribor», der als Messl<strong>at</strong>te für<br />
Priv<strong>at</strong>kredite verwendet wird, sank vom April 2008 bis August 2009 von „4,6 auf 1,2 Prozent“ 43 . Die<br />
Zinsen für Priv<strong>at</strong>kredite sanken aber nur von 6,5 auf 5,25 Prozent. Offensichtlich ist in der Krise auch<br />
der Euribor kein Maßstab. Alleine daran sieht man, dass die Zinssenkungen der EZB nicht beim Kreditnehmer<br />
anlangten. Auch wenn man umrechnet, dass der niedrige EZB-Zinss<strong>at</strong>z ja für kurzfristige<br />
Kredite an die Banken berechnet, diese aber mittel- bis langfristig weiterborgen. Und: Damit ist ja<br />
noch nichts über die Rigidität der Kreditprüfung gesagt. Und n<strong>at</strong>ürlich handelt es sich nicht um ein<br />
spezifisch europäisches Problem, obwohl wir hier vorwiegend aus dem Euro-Raum berichtet haben.<br />
Kanada: „Nach dem Frühjahrsausblick der Bank of Canada klagten 44% der Unternehmen über enger gewordene<br />
Kreditkonditionen.“ 44 Und in der Russland bekommen 2009 fast nur noch Sta<strong>at</strong>sfirmen Kredite.<br />
Österreich: Befragt von der Wirtschaftskammer gaben im Herbst 2008 bereits 30% der Unternehmer<br />
an, ihre bereits geplanten Investitionen zurückzustellen. Einerseits weil die Finanzierung ungewiss<br />
bzw. teuer ist (Kreditkrise) oder weil sie nun die Nachfrage als schwach und das allgemeine wirtschaftliche<br />
Umfeld als ungünstig einschätzen. „Bisher seien den österreichischen Industriebetrieben die<br />
Aufträge um bis zu 60 Prozent weggebrochen. „Die Unternehmen stehen vor einem kaum planbaren Jahr. Die<br />
Risken sind nicht mehr erfassbar“, sagt der Industrielle“ 45 , ein Sprecher der WKÖ.<br />
So gesehen, also von der anderen Seite, bedeutet «Kreditkrise» einfach «Kreditrückzahlungskrise»,<br />
denn wenn große Unternehmen wie Polytec, Eybl Intern<strong>at</strong>ional oder HTI ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen<br />
können, bohrt das ein gewaltiges Abschreibungspotential in die Bilanzen der Banken.<br />
Bereits jetzt sinkt die «Zahlungsmoral» der Schuldner. „Viele Betriebe reagieren vor allem in Osteuropa auf<br />
offene Forderungen nervöser denn je. Ihre oft langjährigen Partner persönlich zu belangen, davor scheuen etliche<br />
aber zurück und treten das unliebsame Geschäft an Inkassobüros ab. Diese erfreut die neue Auftragsflut freilich<br />
nur bedingt, denn die Zahlungsmoral nimmt ab: Immer mehr Schuldner, Priv<strong>at</strong>e wie Unternehmer, sehen sich<br />
nicht in der Lage, die Rechnungen zu bezahlen. Das Dilemma soll sich im zweiten Halbjahr zuspitzen. Die Kreditversicherer<br />
bieten in Zeiten der Krise weniger, dafür teureren Rückhalt. Österreichs gut hundert Inkassobüros<br />
zählen nach den Berechnungen ihres Verbands 50.000 in- und ausländische Gläubiger. Ihr Forderungsvolumen<br />
lag zuletzt bei jährlich 1,3 Milliarden Euro. Heuer soll es im zweistelligen Prozentbereich steigen. Die<br />
Zahl der Aufträge steige ebenso wie die Höhe der Schulden, sagt Gerhard Weinhofer, Sprecher des Kreditversicherers<br />
Creditreform. Das Geld einzutreiben werde aber schwieriger. Wo nichts sei, da sei auch nichts zu holen.<br />
Beim Kreditschutzverband 1870 zieht vor allem das Geschäft in Osteuropa rasant an. Johannes Eibl, er ist für<br />
das Forderungsmanagement verantwortlich, spricht für das erste Halbjahr von Zuwächsen bei den Inkassofällen<br />
von 86 Prozent. Das Volumen der Fälle im Einzelnen sei zugleich von im Schnitt 12.700 auf 21.200 Euro explodiert.<br />
Exporteure seien verunsichert und lagerten Inkassogeschäfte daher verstärkt aus, sagt Eibl. Generell<br />
seien die Forderungen vieler Betriebe im Ausland wesentlich höher als in Österreich. Begründeten Anlass für<br />
Nervosität sieht er in Ungarn, Serbien und in Bulgarien: Gänzlich eintreiben ließe sich dort derzeit nur jede<br />
fünfte Forderung. Es fehle oft einfach die Rechtssicherheit, um offene Rechnungen einzuklagen.“ 46<br />
Was lernen wir daraus? Selbst wenn die Banken keiner Liquiditätskrise und keinem ausgetrockneten<br />
Interbankenkreditmarkt gegenüberstehen würden, würde es zu einer Einschränkung des Kreditvolumens<br />
kommen – bei gleichen Kreditvergaberichtlinien!<br />
42 Die Presse, 11. August 2009, Seite 17.<br />
43 Die Presse, 11. August 2009, Seite 17.<br />
44 http://www.gtai.de/DE Wirtschaftstrend kompakt, Jahresmitte 2009 (29.8.2009)<br />
45 Die Presse, 20. Februar 2009, Seite 18.<br />
46 Der Standard, 18., 19. Juli 2009, Seite 14.<br />
……………………………………………………………………………………………………………<br />
20