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Weltwirtschaftskrise_Band_I_V1 - Wirtschaftskrise - Blogworld.at

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Teil I Eine ganz normale Krise?<br />

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Etwas später erfuhr der aufmerksame Beobachter: „Selbst als die Finanzmärkte anfingen, verrücktzuspielen,<br />

blieb die AvW-Aktie standhaft. „Verdächtig standhaft“, wie es nun aus Anlegerkreisen heißt. Schon mehren<br />

sich Gerüchte, dass der Kurs künstlich gestützt worden sei. Dass die AvW-Gruppe diese Stützungskäufe mit<br />

Bankkrediten finanziert haben könnte. Dass die Kredite wiederum mit Aktien besichert worden seien. Jetzt seien<br />

diese deutlich weniger wert, und die Banken wollen mehr Sicherheiten, heißt es. Von offizieller Seite wird dies<br />

freilich dementiert. Mitte des Mon<strong>at</strong>s kam es schließlich zum großen Showdown. Die AvW-Aktie pulverisierte<br />

sich innerhalb weniger Tage .“ 182 – Nämlich von einem Kurswert 160 Euro auf 19 Euro, 50 Cent. Nun<br />

kann man r<strong>at</strong>en: handelt es sich um einen Kriminalfall oder wurde die Firma illiquid, weil die Kredit-<br />

Besicherung für die Kurs-Besicherung zusammenschmolz, als der Aktienkurs zusammenschmolz?<br />

Klingt wie ein Zirkelschluss, spiegelt aber nur die gepl<strong>at</strong>zte Str<strong>at</strong>egie des heimischen Unternehmens<br />

wieder, der großen Finanzkrise ein Schippchen zu schlagen.<br />

Die Devisenkrise<br />

Wir haben oben festgestellt, dass die Liquiditätskrise nicht bedeutet, dass nicht mehr genügend Geld<br />

vorhanden ist, sondern dass es nicht mehr als Kapital wirkt: jede Bank sch<strong>at</strong>zt es auf, weil die Interbankkredite<br />

teuer wurden und weil niemand weiß, ob nicht irgendeiner der üblichen Geschäftspartner<br />

etwas mit faulen Krediten zu tun h<strong>at</strong> oder mit einer anderen Bank, Aktiengesellschaft, Fonds, Immobilienverwertern,<br />

die demnächst zusammenbrechen könnten. Unabhängig davon, ob dies t<strong>at</strong>sächlich<br />

der Fall ist. Die Liquiditätskrise zeitigt m<strong>at</strong>erielle Auswirkungen, h<strong>at</strong> aber auch eine imm<strong>at</strong>erielle,<br />

sozusagen «psychologische» Ursache: Es herrscht kein Vertrauen mehr am Markt. Wenn man Analogien<br />

mag: Die Devisenkrise ist die Liquiditätskrise auf der Ebene des Sta<strong>at</strong>es bzw. der Volkswirtschaft.<br />

Im Zuge der Krise ger<strong>at</strong>en einige Sta<strong>at</strong>en in Europa in den Sog einer ausgewachsenen Devisenkrise.<br />

Island war so ein Fall.<br />

Island h<strong>at</strong> in den 1990er Jahre eine radikale Liberalisierung des Geldkapitalsektors durchgeführt. Der<br />

Bankensektor war riesig, das Geschäftsvolumen zehnmal so groß wie das BIP Islands. Isländische<br />

Banken gingen auf Firmeneinkaufstour in Skandinavien und Großbritannien. Aber ihr Hauptgeschäft<br />

war dabei das Investment, die im Falle Islands durch Interbankenkredite finanziert wurden. Aber seit<br />

dem die Interbankenkredite als Konkretisierung der Liquiditätskrise «austrocknen», fehlte die marie.<br />

Das war übrigens auch der Grund, weshalb etwa die Kaupthing-Bank im Sommer 2008 auch in Österreich<br />

für <strong>at</strong>traktive 4,85% Zinsen verzweifelt versuchte, Spareinlagen einsammelte – um damit Finanzierungslöcher<br />

zu stopfen.<br />

Das gelang nicht wirklich. Im Inland schon gar nicht: mit nur 300.000 Einwohner h<strong>at</strong> Island einen viel<br />

zu kleinen Binnenmarkt für die Größe ihres Bankensektors. Das war jetzt aber falsch formuliert, ist<br />

Ihnen das auch aufgefallen? Es müsste lauten: Für die Größe des Binnenmarktes war der Bankensektor<br />

Islands gewaltig. Aber selbst dieses Größenverhältnis widerspricht überhaupt nicht den Anstandsregeln<br />

im Kapitalismus, man werfe bloß einen Blick auf Lichtenstein! In Wirklichkeit gibt es kein Maß<br />

für eine «n<strong>at</strong>ürlich» oder «wirtschaftlich gesunde» Proportion zwischen BIP und Bankensektor. Im<br />

Rahmen der intern<strong>at</strong>ionalen Arbeitsteilung muss das Ding einen Pl<strong>at</strong>z haben und auch die Arbeitsteilung<br />

ist immer im Wandel begriffen, unter anderen je nach dem, ob wir uns in der Boomphase befinden<br />

oder im konjunkturellen Abschwung. Der Grund, weshalb Island zusammenkrachte und Lichtenstein<br />

oder die Schweiz nicht, lag darin, dass Islands Großbanken innerhalb weniger Jahrzehnte schnell<br />

hochgezogen wurden – vorwiegend mit Fremdkapital. Die Auslandsschulden der isländischen Banken<br />

h<strong>at</strong>ten den Betrag von 60 Mrd. US-Dollar erreicht – bei einem BIP Islands von 11 Mrd. US-Dollar.<br />

Und das BIP bzw. die geringen Steuereinnahmen Reykjaviks wegen fehlender Industrie oder wertvol-<br />

182 Die Presse, 24. Oktober 2008, Seite 20.<br />

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