CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 02/2023

L’AUTRICHE INTERVIEW
gehen in Karenz und so können Frauen
schneller ins Erwerbsleben zurückkehren.
Aber wir sind noch lange nicht dort, wo
wir sein sollten.
Die deutsche Außenministerin Baerbock plädiert
für eine „feministische Außenpolitik“. Was
sagen Sie zu diesem Vorstoß?
Beim Feminismus geht es weniger um
den Begriff, sondern um das Ziel, das man
verfolgt. Gerade bei der UNO sehe ich immer
wieder, wie unterschiedlich der Wert
der Gleichberechtigung international gesehen
wird und wieviele Verletzungen von
Menschen- und Frauenrechten es gibt.
Diese in unserer Außenpolitik anzusprechen
ist notwendig und das bedeutet für
mich aktive Frauenpolitik in der Außenpolitik.
Sehr wichtig ist mir, dass Österreich
von starken Botschafterinnen nach außen
vertreten wird. Ein Botschafter ist die Visitenkarte
des Landes und ich will, dass da
gleichermaßen starke weibliche Botschafterinnen
sitzen und Österreich nach außen
hin vertreten. Da sind wir besser als die
Deutschen: Wir haben einen höheren Anteil
an Botschafterinnen und einen höheren
Anteil an weiblichen Führungskräften
im Außenministerium. Ich habe dennoch
gesehen, dass die gläserne Decke immer
noch vorhanden ist.
Wenn es um die Themen Frauen und Familien
geht, pflegen Sie auch gern den Kontakt mit
Botschaften hier in Wien.
Ja, ich habe mit vielen Botschaften laufend
Kontakt, weil ich ja auch einmal im
Außenministerium tätig war. Und da habe
ich den Fundus an Wissen schätzen gelernt,
den Botschafterinnen und Botschafter
mitbringen und damit erweitert sich
der Blick auf andere Länder: Was machen
die, was können sie besser als wir? Wo
kann andererseits Österreich Vorbild sein?
Gleichberechtigung ist gerade bei Treffen
mit Botschafterinnen immer ein großes
Thema. Ich habe zuletzt erst mit der britischen
Botschafterin besprochen, dass Österreich
bei den Bemühungen um Gewalt-
PHOTOS: XYXXYXYXY
PHOTOS: RALPH MANFREDA
schutz für Frauen ein Vorreiter ist. Wir
haben das erste Gewaltschutzgesetz in Europa
gehabt und da bin ich stolz darauf.
Wir haben gerade jetzt neue Initiativen
gestartet beim Gewaltschutz, beim Ausbau
von Infrastruktur, bei Beratungsstellen,
bei neuen Frauenzentren.
Wie bewerten Sie als zuständige Ministerin die
jüngsten Debatten über Probleme bei der
Integration von Migranten?
Ich bin seit über zehn Jahren im Integrationsbereich
tätig: im Innenministerium,
Außenministerium und jetzt als Ministerin.
Ich denke, dass Österreich bei der
Integration viel geleistet hat. Integration
ist nicht schwarz-weiß, es ist nicht alles
nur gut oder schlecht. Integration ist unterschiedlich,
je nachdem, was jeder Einzelne
gewillt ist beizutragen. Erfolgreiche
Integration hängt aber auch immer von
der Anzahl der Menschen ab, die nach Österreich
kommen. 2015/16 hatten wir eine
große Anzahl an neu ankommenden
Flüchtlingen in Österreich. Das waren riesige
Herausforderungen – und sie sind es
nach wie vor. Wir sehen, dass viele der
Menschen, vor allem Frauen, noch immer
nicht am Arbeitsmarkt reüssiert haben.
Zusätzlich sind zuletzt viele Menschen
aus der Ukraine zu uns gekommen. Da
sehe ich aber, dass die Integration viel
leichter geht, dass die Menschen innerhalb
von einem Jahr wirklich gut Deutsch gelernt
haben und dass sie ein hohes Maß an
Qualifikationen mitbringen und damit
leichter Arbeit finden. Das ist ganz zentral
für die Integration, denn damit sind sie
selbsterhaltungsfähig.
Ist Integration in Großstädten wie Wien
schwieriger als am Land?
In den Großstädten, wo es einen sehr
starken Zuzug gibt, wo immer mehr Menschen,
die nicht Deutsch sprechen, in einem
Grätzel wohnen, ist es mit der Integration
sehr schwierig, weil der Kontakt zu
Österreichern geringer ist. Ein Schlüssel
für Integration ist, dass man diese segregierten
Milieus aufbricht, dass man den
Zuzug insgesamt reduziert. Über viele
Jahrzehnte hat man geglaubt, dass alle nur
genügend tolerant sein müssen, dann wird
sich das mit der Integration schon lösen.
Das ist es aber nicht. Denn Integration
funktioniert nur, wenn es auch Integrationsverpflichtungen
gibt. Wir haben 2017
verpflichtende Deutschkurse, Wertekurse
und Integrationsberatungen eingeführt.
Integration bedeutet fördern und fordern.
So schafft man es auch.
CD: Recently, in your capacity as Minister for
Women, you spoke at the United Nations in New
York. Where does Austria’s women’s policy stand
in international comparison?
Susanne Raab: The women ministers
of the UN member states meet annually
around International Women’s Day. This
platform shows how diverse the challenges
in women’s policy are worldwide. There
are countries where women are valued less
than men, where forced marriages occur
and where women are monitored by the
police with video cameras, as is the case in
Iran, to check if they are wearing their
headscarves. Fundamental human rights
are violated in such cases, and it is our task
to condemn them together. Women ministers
from the European Union form a very
close network. This is because we share
common values and aspirations regarding
gender equality between men and women.
What are the key criteria for effective gender
equality policies?
Effective gender equality policies cannot
be solely implemented by the Ministry
for Women; they must permeate all areas
of society and involve all ministries. It is
important for the police to handle cases of
domestic violence with sensitivity. It is important
for the judiciary to approach custody
arrangements with sensitivity. It is important
for the Ministry of Labour to
implement the right measures to reintegrate
women into the workforce. The Ministry
for Women plays a coordinating role,
and it is crucial for the government to have
an awareness that it can only be achieved
together. Furthermore, it is important to
me that gender equality policies do not
impose a specific way of life on women.
Instead, every woman should have the
right conditions in place to express herself
with all her desires and needs.
Lastly, gender equality policies are not
about being against men; we need men by
our side. We can only succeed as a society
when women are equally represented in all
positions, have an equal voice, and naturally
earn the same amount with equal
qualifications. These are my guidelines.
You mentioned the issue of unequal pay; the
gender pay gap. Why hasn’t the problem been
solved yet?
It is improving, the trend has been heading
in the right direction for several years
now. However, the high wage disparity between
women and men still exists for several
reasons. One factor is career choice. Women
often work in poorly paid industries. I
am working to encourage girls and women
to take an interest in higher-paying fields
such as technology, science, and mathematics.
Another factor is motherhood, which
often leads to longer parental leave and
more time spent in part-time work. This
negatively affects lifetime earnings and results
in women receiving lower pensions
than men. I also see a societal shift happening:
Today, families are sharing parental
leave more equally, with more men taking
leave, allowing women to return to the
workforce more quickly. But we are still far
from where we should be.
What is your opinion on German Foreign Minister
Baerbock’s call for “feminist foreign policy”?
When it comes to feminism, it is less
about the term itself and more about the
goal one pursues. Particularly at the United
Nations, I constantly witness how differently
the value of gender equality is perceived
internationally and how many
violations of human and women’s rights
exist. Addressing these issues in our for-
Multi-Ministerin Raab im
Gespräch mit CD-Autor
Gerhard Bitzan.
Multi-minister Raab in
conversation with CD author
Gerhard Bitzan.
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Cercle Diplomatique 2/2023
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