FH Gießen-Friedberg - M/S VisuCom
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Nr. 27 Staatsanzeiger für das Land Hessen — 3. Juli 2006 Seite 1447<br />
führung von SAP R/3 HR geltend. Beteiligt ist der Präsident … als<br />
Dienststellenleiter.<br />
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden setzte mit Beschluss vom<br />
23. Mai 2005 — 23 L 564/05 (V) — das Verfahren aus und legte es<br />
dem Staatsgerichtshof mit der Frage zur Entscheidung vor, ob § 81<br />
Abs. 5 HPVG mit Art. 37 Abs. 1 und Abs. 2 HV vereinbar ist.<br />
Zur Begründung führt das vorlegende Gericht aus, die erkennende<br />
Kammer halte § 81 Abs. 5 HPVG wegen Verstoßes gegen Art. 37<br />
Abs. 1 und 2 HV für verfassungswidrig. Bei Art. 37 HV handele es<br />
sich um ein Grundrecht. Art. 37 Abs. 1 HV bestimme, dass Angestellte,<br />
Arbeiter und Beamte in allen Betrieben und Behörden unter<br />
Mitwirkung der Gewerkschaften gemeinsame Betriebsvertretungen<br />
erhielten, die in allgemeiner, gleicher, freier, geheimer und<br />
unmittelbarer Wahl von den Arbeitnehmern zu wählen seien. Art.<br />
37 Abs. 2 HV bestimme darüber hinaus, dass die Betriebsvertretungen<br />
dazu berufen seien, im Benehmen mit den Gewerkschaften<br />
gleichberechtigt mit den Unternehmern in sozialen, personellen<br />
und wirtschaftlichen Fragen des Betriebes mitzubestimmen.<br />
Zwar habe der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 30. April 1986<br />
(P.St. 1023) ausgeführt, dass Art. 37 Abs. 2 HV weder auf Behörden<br />
noch auf Betriebe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände<br />
oder sonstigen nicht bundesunmittelbaren Körperschaften,<br />
Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts anwendbar<br />
sei. Den hierzu angestellten Überlegungen des Staatsgerichtshofs<br />
in seiner damaligen Entscheidung sei indes nicht zu folgen, insbesondere<br />
nicht, soweit der Staatsgerichtshof unter Hinweis auf den<br />
in Art. 37 Abs. 2 HV enthaltenen Begriff „Unternehmer“ eine Abgrenzung<br />
zu der öffentlichen Verwaltung zu ziehen versucht habe.<br />
Selbst wenn das Verständnis des Unternehmerbegriffs zum damaligen<br />
Zeitpunkt richtig gewesen wäre, bedürfe es heute einer neuen<br />
Auslegung dieses Begriffs. Gerade das vorliegende Verfahren zeige,<br />
dass sich das Land Hessen auch verwaltungstechnisch wie ein<br />
Unternehmer verhalten und durch die Einführung von SAP R/3 HR<br />
sein gesamtes Handeln dem eines Unternehmers gleichstellen wolle.<br />
Entscheidend für die Auslegung des Begriffs „Unternehmer“ in<br />
Art. 37 Abs. 2 HV sei der in diesem Absatz ebenfalls verwendete<br />
Begriff des Betriebes. Unter Betrieb verstehe der Verfassungsgeber<br />
eine organisatorische Zusammenfassung von personellen, sachlichen<br />
und immateriellen Mitteln zur Erreichung eines technischen<br />
Zwecks. Das Merkmal des „technischen Zwecks“ grenze den Betrieb<br />
vom Unternehmen ab, welches eine Einheit bilde und vom Streben<br />
nach Gewinnerzielung bestimmt werde. Auch Behörden und<br />
sonstige öffentliche Einrichtungen dienten einem technischen<br />
Zweck ohne Gewinnerzielungsabsicht. Insoweit sei kein Unterschied<br />
zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 37 HV zu erkennen. Beide<br />
Absätze sprächen von „Betriebsvertretungen“, ohne zwischen solchen<br />
der Privatwirtschaft und solchen der öffentlichen Hand zu<br />
unterscheiden. Aus dem Normzusammenhang ergebe sich damit,<br />
dass der Verfassungsgeber Behörden ebenfalls als Betriebe betrachte.<br />
Nichts anderes ergebe sich aus den Verfassungsmaterialien. Wenn<br />
Gegenstand von Absatz 2 nur Betriebsvertretungen in Privatbetrieben<br />
hätte sein sollen, hätte der Verfassungsgeber an anderer<br />
Stelle des Art. 37 HV eine Bestimmung darüber aufgenommen,<br />
wozu Betriebsvertretungen bei Behörden berufen sein sollten. Andernfalls<br />
unterstellte man dem Verfassungsgeber die Absicht, den<br />
Betriebsvertretungen bei Behörden nicht einmal einen Mindestbestand<br />
von Beteiligungsrechten verfassungsrechtlich zu garantieren.<br />
Dies könne angesichts der dezidiert sozialstaatlichen Ausrichtung<br />
der Hessischen Verfassung nicht angenommen werden.<br />
Art. 37 HV diene der Gewährung einer effektiven Personalvertretung.<br />
Nach Art. 37 Abs. 2 HV unterlägen soziale, personelle und wirtschaftliche<br />
Fragen dem Recht der Mitbestimmung. Dies bedeute,<br />
dass der Gesetzgeber das Mitbestimmungsverfahren so auszugestalten<br />
habe, dass die Interessen der Beschäftigten, um deren Vertretung<br />
willen die Personalvertretungen bestünden, wirksam zur<br />
Geltung kämen. Insoweit handele es sich bei § 74 Abs. 1 Nr. 17 HPVG<br />
um eine Konkretisierung des Verfassungsrechts. Das danach gewährte<br />
Mitbestimmungsrecht werde durch den in § 81 Abs. 5 HPVG<br />
aufgenommenen Vorrang der Mitwirkungstatbestände des § 81<br />
Abs. 1 HPVG ausgeschlossen. Konsequenz dieser Regelung sei, dass<br />
das bisher bestehende Mitbestimmungsrecht gemäß § 74 Abs. 1<br />
Nr. 17 HPVG immer dann leer laufe, wenn durch § 81 Abs. 1 HPVG<br />
die Beteiligungsebene der Mitwirkung gegeben sei.<br />
Die Herabstufung auf ein Beteiligungsrecht sei nicht durch zwingende<br />
Gründe eines öffentlichen Interesses gerechtfertigt und deshalb<br />
wegen Verstoßes gegen Art. 37 HV verfassungswidrig und<br />
nichtig.<br />
An die Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen<br />
seien von Verfassungs wegen hohe Anforderungen<br />
zu stellen. Diese ermöglichten es dem Dienstherrn, sich ein umfassendes<br />
Bild nicht nur von den konkreten Arbeitsabläufen, sondern<br />
auch den persönlichen Gewohnheiten, Eigenarten, Umgangsfor-<br />
men und Charaktermerkmalen der Beschäftigten zu verschaffen und<br />
auf dieser Informationsbasis so genannte Persönlichkeitsprofile zu<br />
erstellen. Überwachungseinrichtungen im Sinne von § 74 Abs. 1<br />
Nr. 17 HPVG beträfen damit nicht nur die Interessen der Beschäftigten,<br />
sondern hätten unmittelbaren Bezug zur Menschenwürde<br />
nach Art. 3 HV und damit zu dem Grundrecht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung.<br />
Von der Einführung und Anwendung des Systems SAP R/3 HR<br />
seien wegen der Möglichkeit der technischen Überwachung sämtliche<br />
Bedienstete der Dienststelle des Antragstellers betroffen. Insoweit<br />
habe die damit verbundene Beeinträchtigung der Persönlichkeitssphäre<br />
sich nicht nur an den allgemeinen gesetzlichen<br />
Regelungen wie dem Hessischen Datenschutzgesetz zu orientieren.<br />
Vielmehr sei bezogen auf die einzelnen Auswertungsmöglichkeiten<br />
eine Güter- und Interessenabwägung durchzuführen. Nur durch die<br />
unmittelbare Teilhabe der Personalvertretung an der Entscheidung<br />
über die Einführung und Anwendung von technischen Überwachungseinrichtungen<br />
werde das Vertretungsorgan der Beschäftigten<br />
in einen Abwägungsvorgang mit einbezogen, der sicherstellen<br />
solle, dass die Rechte und Interessen der Beschäftigten besser zur<br />
Geltung gebracht würden. Gerade deswegen sei § 74 HPVG im dritten<br />
Teil unter der Überschrift „Beteiligung in sozialen Angelegenheiten“<br />
aufgenommen worden mit der Folge, dass das dort gewährte<br />
Mitbestimmungsrecht nicht beeinträchtigt bzw. beschränkt<br />
werde.<br />
Eine hinreichende Rechtfertigung für die ausnahmslose Einschränkung<br />
des Mitbestimmungsrechts bei der Einführung technischer<br />
Verfahren im Zusammenhang mit der Neuen Verwaltungssteuerung<br />
sei nicht zu erkennen. Die Gesetzesmaterialien zur<br />
Einführung des § 81 Abs. 5 HPVG böten hierzu keinen Ansatz. § 81<br />
Abs. 5 HPVG i. V. m. § 81 Satz 1 HPVG sei daher insoweit verfassungswidrig,<br />
als er bei der Einführung technischer Verfahren, die<br />
im Zusammenhang mit der Einführung der Neuen Verwaltungssteuerung<br />
und entsprechender Steuerungsverfahren und der Einführung,<br />
Anwendung, Änderung oder Erweiterung automatisierter<br />
personenbezogener Daten der Beschäftigten stünden,<br />
ausschließlich und ausnahmslos die Beteiligungsform der Mitwirkung<br />
vorsehe, ohne dass zwingende Gründe des öffentlichen Interesses<br />
einen Ausschluss der Mitbestimmung rechtfertigten.<br />
Wenn § 81 Abs. 5 HPVG verfassungswidrig sei, stünde dem Antragsteller<br />
nicht nur ein Mitwirkungsrecht gemäß § 81 HPVG, sondern<br />
auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 Nr. 17 HPVG<br />
zu.<br />
Zur Frage des Konkurrenzverhältnisses unterschiedlicher Beteiligungsformen<br />
sei bei Verfassungswidrigkeit von § 81 Abs. 5 HPVG<br />
die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebend.<br />
Danach stünden die Beteiligungsrechte grundsätzlich nebeneinander,<br />
so dass beim Zusammentreffen verschiedener Beteiligungstatbestände<br />
der Personalrat regelmäßig in allen in Betracht kommenden<br />
Formen zu beteiligen sei. Etwas anderes gelte nur, wenn<br />
sich aus Wortlaut, systematischem Zusammenhang oder Entstehungsgeschichte<br />
ergebe, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen<br />
Gründen wegen der in der Vorschrift des § 104 Satz 3<br />
Bundespersonalvertretungsgesetz zum Ausdruck kommenden<br />
Grundsätze zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung<br />
das stärkere Beteiligungsrecht nicht habe gewähren wollen. Auf ein<br />
Mitbestimmungsrecht könne sich ein Personalrat nur dann nicht<br />
berufen, wenn die beabsichtigte Maßnahme auf die nach außen zu<br />
erfüllende Aufgabe der Dienststelle in nicht nur unerheblicher<br />
Weise einwirke. Das sei aber ganz offensichtlich bei dem auf den<br />
Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Beschäftigten<br />
bezogenen Beteiligungstatbestand des § 74 Abs. 1 Nr. 17 HPVG nicht<br />
der Fall.<br />
Der Anspruch wäre begründet, da der Antragsteller der zu beteiligende<br />
örtliche Personalrat sei. Das Gericht mache sich die Überlegungen<br />
des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in dem Beschluss<br />
vom 4. Oktober 2004 — 23 L 2121/04 — zu eigen.<br />
Gemäß § 83 Abs. 6 HPVG sei im Falle der Einführung, Anwendung,<br />
Änderung oder Erweiterung von technischen Einrichtungen, die<br />
dazu geeignet seien, das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten<br />
zu überwachen (§ 74 Abs. 1 Nr. 17 HPVG), sowie der automatisierten<br />
Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten<br />
(§ 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG) der Personalrat derjenigen<br />
Dienststelle zu beteiligen, der die betroffenen Beschäftigten angehörten.<br />
Dies sei der Antragsteller.<br />
Aufgrund einer in dem Verfahren 23 L 2121/04 bereits früher durchgeführten<br />
Beweisaufnahme, welche sich auf das Musterverfahrensverzeichnis<br />
8/2002 bezogen habe, stehe fest, dass das Verfahren<br />
in der Verantwortung des Dienststellenleiters der Dienststelle<br />
des Antragstellers liege. Dies gelte auch für das nunmehr vorgelegte<br />
Musterverfahrensverzeichnis 12/2004 und nach der dazu durchgeführten<br />
Beweisaufnahme. Die Dienststelle des Antragstellers sei eine<br />
eigenständige datenverarbeitende Stelle und führe das Verfah-