EGOSHOOTER HALF-LIFE 2 - zockt
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ER HOFFT, DASS SOLDATEN SO WEIT WIE<br />
MÖGLICH IN DIE WELTEN EINTAUCHEN<br />
UND DABEI IHRE HEMMUNGEN VERLIE-<br />
REN, AUF MENSCHEN ZU SCHIESSEN.<br />
Shelley Masters, Jahrgang 1973. Viele Jahre Chefredakteurin<br />
beim Flyer, seit 2002 Kolumnistin beim Stadtmagazin 030 und<br />
freie Journalistin für die taz. Trifft mit einer Luger 9mm auf<br />
25 Meter präzise ins Ziel und hält Schießen für sinnvoll, wenn<br />
es der Essensbeschaffung dient.<br />
„Durch Computerspiele ist Gewalt für ihn normal geworden“,<br />
sagte die Gutachterin, nachdem sie dem Angeklagten „auffällige<br />
Kühle und die Unfähigkeit, mit Aggressionen umzugehen“<br />
bestätigt hatte. Der 20-Jährige hatte zwei 80-jährige<br />
Damen verfolgt und in ihren Wohnungen erstickt. Er<br />
träumte davon, Berufskiller zu werden. Seit seinem 16. Lebensjahr<br />
spielte er Egoshooter, am liebsten Counter-Strike,<br />
solange, bis „der Rücken krumm wurde“. Kein Gamer will<br />
hier das volle Geständnis lesen, weil mir unterstellt werden<br />
würde, es sei ausgedacht. Aber folgender Satz ist aus dem<br />
Gerichtsprotokoll, leider: „Manche Egoshooter lassen sich<br />
in manchen Sachen auf den Menschen übertragen. Das ist<br />
alles sehr realistisch gemacht, zum Eintauchen und die Welt<br />
vergessen. Ich war der Beste beim Schießen, ich wäre ein<br />
guter Berufskiller geworden.“<br />
Was ja nicht heißen muss, dass aus jedem Spieler gleich ein<br />
Robert S. oder ein serbischer Sniper-Söldner werden muss.<br />
Auch wenn sich derartige Entwicklungen bei einzelnen Jugendlichen<br />
abzeichnen, weltweit. Natürlich wird sich jeder<br />
Gamer gegen die Spinnenweb-im-70er-Jahre-Pädagogikgeprägten-Hirn-Muttifraktion<br />
damit verteidigen, dass ja das<br />
Spielerische, gar Teamwork bei Egoshootern im Vordergrund<br />
steht. Ist also nix anderes als Fußball, leider ohne Bewegung,<br />
aber strategischer und technischer. Das schult das Hirn.<br />
Dies bestätigt auch Major Bruce Pennell, der dem logistischen<br />
Corps der britischen Armee angehört. Er glaubt, dass<br />
Spiele wie Half-Life, mit dem auch seine Soldaten trainieren,<br />
hinreichend authentisch sind, um auf einen Einsatz im Feld<br />
vorzubereiten. Er hofft, dass Soldaten so weit wie möglich in<br />
die Welten eintauchen, ihre Hemmungen verlieren auf Menschen<br />
zu schießen, da dies ja in der Ausbildung an der Waffe<br />
nur begrenzt trainierbar ist. Zwischen Spiel und Wirklichkeit<br />
bleibt so nur die feine Differenz übrig, dass der Tod im Spiel<br />
reversibel ist. Doch wenn militärisches Spiel, Kriegssimulation<br />
und verschwimmende Wirklichkeit im Hirn eines mittelmäßig<br />
begabten Kindes stärker gefördert werden als positive<br />
Sozialisation und Integration durch Sport, Sprachen und<br />
reelle Gemeinschaft, in der Konflikte durch tolerante Diskussion<br />
gelöst werden können, dann bekommt die Gesellschaft<br />
ein Problem. Wie groß dieses Problem werden darf, ist<br />
nicht nur Sache der Eltern allein. Studien an der Bochumer<br />
Uni haben ergeben, dass die kindliche Empathie gegenüber<br />
tatsächlichem Leid von Menschen und Tieren schon nach<br />
kurzer Zeit des Ballerns sinkt. Nur Eltern haben die Kraft,<br />
ihre Kinder nach einem Wertesystem zu erziehen, in dem<br />
die späteren Jugendlichen trotz Egoshootings nicht einmal<br />
ansatzweise auf die Idee kommen könnten, Sniper werden<br />
zu wollen. Es sei denn, sie planen eine glanzvolle, militärische<br />
Karriere.<br />
Love, Shelley Masters<br />
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<strong>EGOSHOOTER</strong>