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Geschichtsunterricht muß sich immer Rechenschaft ablegen, was gelehrt und gelernt<br />
werden soll, muß nach dem geistigen Vermögen, das im Lernprozeß angesprochen<br />
und ausgebildet wird, nach Vorprägungen durch das soziale und gesellschaftliche<br />
Umfeld, nach den Zielen und Inhalten, den Verfahrensweisen und Folgen der unter-<br />
richtlichen Vermittlung historischer Vorstellungen fragen. In der Verknüpfung von<br />
Vergangenheitsdeutung, Gegenwartswahrnehmung und Zukunftserwartung konsti-<br />
tuiert sich „Geschichtsbewußtsein" bereits im vorunterrichtlichen Rahmen als Ge-<br />
samtheit aller geschichtlichen Bewußtseinsinhalte, gleichgültig, ob sie wissenschaftli-<br />
chen Kriterien genügen oder nicht. Für den Unterricht ist jedoch kein Element des<br />
Geschichtsbewußtseins legitimiert, das nicht der Forderung nach wissenschaftlicher<br />
Überprüfbarkeit unter Rückbezug auf die Erarbeitung, Erschließung und Deutung<br />
der Quellen genügt. Der Geschichtsunterricht stellt Angebote zu einer positiven<br />
Identifikation mit den Werten des europäischen Humanismus, der pluralistischen<br />
Gesellschaft und ihrer menschen- und bürgerrechtlichen, demokratischen, rechts-<br />
und sozialstaatlichen Wertetradition bereit. Das Zusammenspiel der drei erkenntnis-<br />
theoretischen Kategorien: Analyse - Sachurteil - Werturteil konstituiert Geschichts-<br />
bewußtsein, wobei altersspezifische Entwicklungsstufen der Schülerinnen und Schü-<br />
ler berücksichtigt werden müssen.<br />
Auch dort, wo Schülerinnen und Schüler sich mit Wertvorstellungen und Hand-<br />
lungsmustern nicht identifizieren, bleiben die Kenntnisse von einem legitimen An-<br />
derssein von Menschen relevant. Das andere ist in seiner eigenen zeitlichen und<br />
räumlichen Dimension als etwas anderes mit einer eigenen Berechtigung zu erken-<br />
nen. Diese fremdverstehende Reflexion gehört auch zu den Voraussetzungen einer<br />
eigenen Standortbestimmung und Identitätsbildung.<br />
Die schwierigste Aufgabe des Geschichtsunterrichts ist es, die Vielfalt historischer<br />
Anschauung zu historischer Bildung zusammenzufügen. Beliebigkeit des historischen<br />
Wissens, Blindheit des historischen Gefühls sind ebenso zu vermeiden wie anmaßen-<br />
de Geschichtsgewißheit.