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STEXT SUSANNE RIETFORT<br />
FOTOS PETER LÜDERS<br />
ei nicht so schüchtern, komm<br />
und tanz mit uns!“, ruft mir<br />
Raquel Santos, 32, über die laute<br />
Livemusik hinweg zu, während<br />
ich mich unsicher am<br />
Rand der Tanzfläche bewege.<br />
Dass mich die Fremde im „Estudantina“ zu sich und ihren<br />
Freunden he rüberwinkt, ist in Rio nichts Ungewöhnliches.<br />
„Ich tanze von Montag bis Sonntag, jeden Tag woanders“, erzählt<br />
die Brasilia nerin und lacht.<br />
Ihr Freund sei zu Hause, „der tanzt<br />
nicht so gern“. Dann zeigt sie auf vier<br />
Frauen Anfang zwanzig, die wenige<br />
Meter entfernt die Aufmerksamkeit der<br />
Männer auf sich ziehen. „So verhält man<br />
sich als Frau auf brasilianischen Tanzflächen“,<br />
sagt Raquel. Man zeigt, was man<br />
hat – und zwar mit hautengen Kleidern<br />
und sehr hohen Schuhen. Dabei wird<br />
alles versucht, um die weiblichen Reize<br />
(und das ist in Brasilien insbesondere der Po) gekonnt in Szene<br />
zu setzen: vor allem natürlich durch rhythmisches Wackeln<br />
und Schütteln der entsprechenden Körperregionen. Dieses<br />
Spiel lässt sich bei der „Samba non pé“ am besten beobachten,<br />
denn diese Form der Samba tanzen Frauen ohne Partner.<br />
Sensationell sieht das aus für europäische Augen – zu so einer<br />
Selbstinszenierung gehört perfektes Körpergefühl. Sich von<br />
der brasilianischen Bewegungsfreude anstecken zu lassen und<br />
mitzumachen ist dann ganz einfach – und der beste Weg, um<br />
mit den Locals ins Gespräch zu kommen und die besten<br />
Ecken und Clubs der Stadt kennenzulernen.<br />
Das Centro Cultural Carioca im Zentrum Rios ist so ein<br />
Hotspot. Bei Isnard Manso, 47, kann hier jeder Samba, Salsa<br />
oder Rumba lernen. Blamieren erlaubt! „Nicht alle Brasilianer<br />
sind Bewegungstalente“, sagt der Geschäftsmann Manso,<br />
der neben dem Tanzunterricht auch choreografiert und zwei<br />
Restaurants betreibt. Er versucht so häufig wie möglich, von<br />
den Profitänzern der großen Sambaschulen zu lernen. „Da<br />
kommen wir aber einfach nicht ran: Die haben die Musik<br />
ganz tief im Blut, in ihren Wurzeln“, sagt Manso anerkennend.<br />
Die die Cariocas, die Einwohner von Rio, beileibe nicht nur<br />
beim Tanzen ausleben, sondern auch beim Sporttreiben an<br />
den Stränden von Copacabana, Ipanema und Leblon. Ziel der<br />
weiblichen Fitnesseinheiten ist hier aber keinesfalls, superschlank<br />
zu werden – in Brasilien muss ein Frauenkörper rund<br />
und wohlgeformt sein, dann bringt er die Männer um den<br />
Verstand. Vor allem, wenn er in Bewegung ist.<br />
Die Voraussetzungen, zu den besten Sambatänzerinnen<br />
von Rio zu gehören, bringt Vanessa Passos, 23, als Tochter eines<br />
Tanzlehrers mit. „Samba ist in der DNA verankert, sie ist<br />
eine natürliche Begabung“, erklärt die hübsche Tänzerin. „Für<br />
eine Karriere reicht Talent allein aber nicht aus. Selbst wenn<br />
du das ‚Samba-Gen‘ hast, musst du viel trainieren, um ganz<br />
vorn mitzumischen“, sagt die ehrgeizige Frau mit den lan-<br />
2<br />
RIO-RHYTHMUS Seit vier Jahren bringt ein Musiklehrer den Kindern<br />
in der Favela Santa Marta (Foto links) das Spielen auf Instrumenten<br />
bei. Einige der älteren Jungs helfen beim Unterricht. Jefferson<br />
(23, im grünen Langarmshirt) hat Musik studiert und gerade ein<br />
Stipendium für Deutschland bekommen. Die Christus-Statue spendet<br />
der Karnevals-Welthauptstadt ihren Segen (oben). Und Vanessa Passos<br />
(23, unten) dreht bei den Proben in der Karnevalsschule auf<br />
3<br />
fitforfun 03/<strong>2012</strong> 89