Richtig sitzen zahlt sich aus
Richtig sitzen zahlt sich aus
Richtig sitzen zahlt sich aus
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Das Drei-Kreise-Modell des politischen Entscheidungsprozesses<br />
Beschleunigungsmassnahmen<br />
sind unbeliebt<br />
Infrastrukturprojekte in der Schweiz müssen<br />
aufgrund der rasanten Verkehrsentwicklung<br />
in Zukunft rascher und unbürokratischer<br />
realisiert werden. Wie dies<br />
konkret zu erreichen ist, darüber scheiden<br />
<strong>sich</strong> je nach Staatsverständnis und politischer<br />
An<strong>sich</strong>t die Geister. Für klare und<br />
pointierte Standpunkte bekannt ist der<br />
Ökonom und Autor Beat Kappeler. An der<br />
Infra-Tagung 2010 fasste er seine Massnahmen<br />
zur Beschleunigung von Bauprojekten<br />
wie folgt zusammen:<br />
• Die Kantons- und Gemeindegrenzen<br />
sind an die <strong>sich</strong> veränderten Bedürfnisse<br />
von Städten, Agglomerationen<br />
und Gemeinden anzupassen.<br />
• Die Anzahl der Akteure in Kantons-,<br />
Städte- und Gemeindeverwaltungen<br />
sind zu reduzieren.<br />
• Es sind Zweckverbände über mehrere<br />
föderale Ebenen zu schaffen, welche<br />
mit den notwendigen Rechtssetzungskompetenzen<br />
und Volksrechten<br />
<strong>aus</strong>gestattet sind.<br />
• Bewilligungs- und Einsprachefristen<br />
sind parallel statt seriell anzusetzen.<br />
• Es sind Vorgaben für Behandlungsfristen<br />
für Gerichte einzuführen, bei deren<br />
Überschreiten ein Projekt automatisch<br />
als bewilligt gilt.<br />
• Einsprachemöglichkeiten im<br />
Verwaltungs- und Zivilprozessrecht<br />
sind massiv zu reduzieren.<br />
• Den Behörden und Verwaltungen ist<br />
mehr Handlungs- und Ermessensspielraum<br />
zu übertragen und gleichzeitige<br />
die Haftung des Staats und seiner<br />
Angestellten zu reduzieren.<br />
• Umwelt-, Verkehrs-, Natur-, Heimatschutz-<br />
und ähnliche Verbände dürfen<br />
nur zu Einsprachen zugelassen werden,<br />
wenn <strong>sich</strong> ihre persönlichen Mitglieder<br />
in einer Urabstimmung damit einverstanden<br />
erklärt haben.<br />
• Abbruch- und Rückbauregeln sind<br />
deutlich zu erleichtern.<br />
Werden auch nur schon einzelne dieser<br />
Massnahmen umgesetzt, würde dies zu<br />
einer signifi kanten Beschleunigung vieler<br />
Planungs- und Bewilligungsprozesse führen,<br />
gab <strong>sich</strong> Kappeler überzeugt. Dazu ist<br />
es aber enorme Anstrengungen und viel<br />
politische Überzeugungsarbeit nötig.<br />
Der Druck, allen gefallen zu müssen<br />
Solange <strong>sich</strong> in der Gesetzgebung nichts<br />
ändert, verlangen die unterschiedlichen<br />
Konstellationen bei Infrastrukturprojekten<br />
auch weiterhin massgeschneiderte politische<br />
Lösungen. Je grösser ein Bauvorhaben<br />
ist und je mehr Personen davon direkt<br />
oder indirekt betroffen sind, desto grösser<br />
ist der potenzielle Widerstand. Sparprogramme<br />
der öffentlichen Hand, getrübte<br />
wirtschaftliche Aus<strong>sich</strong>ten oder alternative<br />
Investitionswünsche verringern die<br />
Überlebenschancen eines Projekts zusätzlich.<br />
Gibt es ein Rezept, womit ein Projekt<br />
mehrheitsfähig werden kann? Eine Antwort<br />
liefert das Drei-Kreise-Modell des politischen<br />
Entscheidungsprozesses.<br />
Verkehrsinfrastruktur VERKEHR<br />
Zu spät<br />
Auf einem Perron des Hauptbahnhofes<br />
Zürich verkauft ein älterer Herr heisse<br />
Marroni und kühle Getränke. Gerade als<br />
der Schnellzug abfährt, kommt ein junger,<br />
gut gekleideter Banker auf den Perron<br />
gerannt. Völlig <strong>aus</strong>ser Atem bleibt er<br />
vor dem Marronistand stehen: «Blöd, ich<br />
bin nicht schnell genug gelaufen.» Der<br />
ältere Mann lächelt sanft: «Vielleicht sind<br />
Sie nur zu spät gestartet.»<br />
In Anlehnung an: Jürgen Fuchs, Das Märchenbuch<br />
für Manager, Deutscher Taschenbuch<br />
Verlag<br />
«Beim Planungs- und<br />
Bewilligungsverfahren<br />
besteht Handlungsbedarf»<br />
Decken <strong>sich</strong> bei Infrastrukturprojekten die<br />
Kreise der Nutzniesser, Kostenträger und<br />
Entscheider weitgehend, ist ein Projekt<br />
mehrheitsfähig. Es kann relativ rasch realisiert<br />
werden (Fall 1). Weisen die drei Kreise<br />
wie im Fall 2 nur eine geringe Schnittmenge<br />
auf, stehen die politischen Chancen<br />
für das Investitionsvorhaben schlecht. Es<br />
ist eine grosse Opposition zu erwarten.<br />
Zum Erfolg führen in diesem Fall nur solche<br />
Massnahmen, welche die drei Kreise wieder<br />
näher zusammenrücken lassen. Dies<br />
kann zum Beispiel ein Projektänderung<br />
oder eine Kompensationsleistung an die<br />
Projektgegner sein. Die Erfahrung zeigt,<br />
dass solche Massnahmen das eigentliche<br />
Projekt verteuern und damit die knappen<br />
finanziellen Ressourcen der öffentlichen<br />
Hand belasten. Die Frage, ob mit einem<br />
gut vorbereiteten, auf die Bedürfnisse von<br />
Nutzer und Kostenträger abgestimmten<br />
Projekt letzten Endes Geld und Zeit gespart<br />
werden kann, dürfte <strong>sich</strong> somit erübrigen.<br />
Hartnäckigkeit, Mut und Kraft<br />
Verkehrsinfrastrukturen bauen war nie<br />
einfach und wird es nie sein. Technisch<br />
nicht, fi nanziell nicht und politisch nicht.<br />
Was es braucht, sind ein grosses Mass an<br />
Weit<strong>sich</strong>t, das Verständnis für lokale und<br />
regionale Gegebenheiten und eine Portion<br />
Geduld. Und vor allem die Hartnäckigkeit,<br />
den Mut und die Kraft von engagierten<br />
Persönlichkeiten, welche die Projekte vorantreiben.<br />
Nicht zum eigenen Nutzen,<br />
sondern <strong>aus</strong> Überzeugung, damit für die<br />
nächsten Generationen eine sinnvolle Investition<br />
zu realisieren.<br />
SKR 2/10 121