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TB 1 - Landesfilmdienst Nordrhein-Westfalen eV

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<strong>TB</strong> 6<br />

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HESSEN ZIEHEN AN DIE WOLGA – ZEITUNGSAUSSCHNITT –<br />

BS3<br />

Hessen ziehen an die Wolga<br />

Vorfahren der Russlanddeutschen folgen 1763 dem Ruf der Zarin<br />

Von Klaus P. Andrießen<br />

(06441)959184<br />

k.andriessen@mittelhessen.de<br />

Wetzlar. Als Michael Hechler mit seiner Fami-<br />

lie 1989 aus Kasachstan nach Hessen kommt,<br />

da erinnert ihn die Mundart in Wetzlar an seine<br />

Schwiegermutter. ,Die hat hessisch gesprochen",<br />

sagt der niedergelassene Chirurg. Die Wurzeln<br />

der Flechters aus der ehemaligen Sowjetrepublik<br />

Kasachstan liegen In der Pfalz. „Das Wissen da-<br />

rüber gehört natürlich zur Überlieferung unserer<br />

Familie."<br />

Vor rund 240 Jahren waren gut 100 000 Men-<br />

schen einem Aufruf der russischen Zarin Katha-<br />

rina II. gefolgt, die mit deutschen Bauern und<br />

Handwerkern den Aufschwung ihres Landes<br />

fördern wollte. Genaugenommen ging es der<br />

Monarchin um die Bevölkerung des brachliegen-<br />

den Landes und die Sicherung ihres politischen<br />

Grenzlandes im Westen. Sie versprach den Kolo-<br />

nisten kostenloses Land, 30 Jahre Steuerfreiheit,<br />

Befreiung vom Militärdienst, freie Religionsaus-<br />

übung, kulturelle Autonomie und einiges mehr.<br />

Es war eine Verlockung für die Menschen, die<br />

wegen der Folgen des siebenjährigen Krieges,<br />

Landmangel und der drückenden Steuerlast der<br />

feudalen Kleinstaaten keine Zukunft für sich in<br />

Deutschland sahen. -Sie kamen vorwiegend aus<br />

Hessen und dem Südwesten Deutschlands - aus<br />

Baden, Württemberg, der Rheinpfalz und dem<br />

Elsass - aber auch aus Danzig-Westpreußen<br />

Quelle: Zeitungsgruppe lahndill „Meinung und Analyse“ vom 22. Mai 2006, Seite 3<br />

und der Oberlausitz“, heißt es im Katalog der<br />

Ausstellung „Volk auf dem Weg“ der Lands-<br />

mannschaft der Deutschen aus Russland.<br />

Hessen bestand damals aus einer Fülle von<br />

Klein- und Kleinststaaten. Karl Stumpp, eh-<br />

renamtlicher Chronist der Russlanddeutschen,<br />

hat sich die Mühe gemacht, auf einer Karte<br />

alle Orte einzutragen, von denen Auswande-<br />

rungen in alten Archiven und Kirchenbüchern<br />

bezeugt sind. Daraus geht hervor, dass Mit-<br />

telhessen, der Vogelsberg und der Odenwald<br />

zu den wichtigsten Herkunftsgebieten derer<br />

gehören, die sich nach Russland auf den Weg<br />

machten. Aus den Kirchenbüchern geht her-<br />

vor, dass allein in Büdingen 400 Paare vor<br />

ihrer Auswanderung im Jahr 1776 heirateten.<br />

Der Weg nach Russland - tausende von Kilo-<br />

metern und nicht selten zu Fuß - war beschwer-<br />

lich und gefährlich. Und die Ankunft im Ziel-<br />

gebiet oft eine Enttäuschung. Ein Kolonist hat<br />

darüber geschrieben: ,Der Weg führte durch<br />

eine Steppe, die uns eben keine günstige Mei-<br />

nung von dem geträumten Paradiese, das wir<br />

bevölkern sollten, beibrachte. Auf dem ganzen<br />

Weg landen wir kein Dorf, außer einigen deut-<br />

schen Kolonien, welche unsere Hoffnung von<br />

der Zukunft noch mehr herabstimmten, weil<br />

wir sahen, dass bei diesen verpflanzten Lands-<br />

leuten die äußerste Dürftigkeit herrschte.‘<br />

Hessen, vor allem aus Oberhessen und Hes-<br />

sen-Darmstadt, waren beim ersten Kolonisa-<br />

tionsprojekt an der Wolga so zahlreich ver-<br />

treten, dass die Sprache der Wolgadeutschen noch<br />

heute dem Hessischen nahesteht“, schreibt die<br />

Historikerin Inge Auerbach 1984 im Katalog zur<br />

Hessentagsausstellung . "Auswanderung aus Hes-<br />

sen". Auf dem Weg an die Wolga hätten sich bei<br />

der ersten Wanderungswelle 1763 allerdings einige<br />

Handwerker auch bei St. Petersburg angesiedelt.<br />

Katharinas Nachfolger will nur noch begüterte<br />

Siedler<br />

In einer zweiten Siedlerwelle kommen nach 1803<br />

Südhessen in die Ukraine. Katharinas Nachfolger<br />

Alexander I. hatte sie gerufen. wollte aber nur<br />

solche, die pro erwachsenem Mann 300 Gulden<br />

Kapital hatten und beschränkte den jährlichen<br />

Zuzug auf 200 Familien. Diese begüterten Sied-<br />

ler erwiesen sich als Innovativ und erfolgreich.<br />

Sie wurden nach Inge Auerbach auch den Wol-<br />

gadeutschen zum Vorbild. 1819 stoppte Russland<br />

die Einwanderung. Heute sind über 2,2 Millionen<br />

Russlanddeutsche als Aussiedler in der Bundes-<br />

republik aufgenommen worden. Nach einem ge-<br />

setzlich festgelegten Schlüssel werden sie auf die<br />

Bundesländer verteilt. So sind in Hessen 1992<br />

noch 20 119 Russlanddeutsche aufgenommen wor-<br />

den, im Jahr 2005 waren es nur noch 2571. Was<br />

die Russlanddeutschen im 19. und 20. Jahrhundert<br />

erlebten und warum und ihre Nachfahren als Aus-<br />

siedler wieder nach Deutschland kommen, das le-<br />

sen sie auf der Sonderseite "Deutsche in Russland“

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