TB 1 - Landesfilmdienst Nordrhein-Westfalen eV
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HEIMAT IN RELIGION UND KUNST - RELIGION UND KIRCHE –<br />
BS 18<br />
Religionsausübung war seit den dreißiger Jahren in der Sowjetunion unterdrückt. Die Kirchen waren<br />
entweder zerstört oder wurden zweckentfremdet genutzt. Nur wenige Pfarrer der Russlanddeutschen<br />
hatten die Verfolgungen der dreißiger und vierziger Jahre überlebt. Gottesdienste konnten nur im Geheimen,<br />
im Familienkreis und unter großer Vorsicht abgehalten werden.<br />
1956/57 konnte Pastor Eugen Bachmann die erste evangelisch- lutherische Kirche in Zelinograd (damals<br />
noch Akmolinsk) /Kasachische SSR registrieren lassen. Diese Gemeinde wurde zum Zentrum evangelischlutherischer<br />
Gottesdienste in der Sowjetunion. Zu sonntäglichen Gottesdiensten kamen Gläubige aus<br />
dem ganzen Land. Morgens fand in der Regel ein Lesegottesdienst statt, am Nachmittag traf man sich<br />
zur Gebetsstunde. An Sonntagen wurden Taufen vollzogen und das Abendmahl abgehalten, einmal pro<br />
Jahr wurde eine Konfirmation durchgeführt. Den Lernstoff dafür mussten die Konfirmanden zu Hause<br />
einüben, da es keinen Konfirmandenunterricht gab.<br />
Bis zur Ablösung Nikita Chruschtschows als Partei- und Regierungschef im Jahr 1964 gab es keine weitere<br />
Registrierung von Kirchengemeinden.<br />
In den sechziger Jahren wurden in Kasachstan, Kirgisien und Westsibirien neue Gemeinden gegründet<br />
(Alma-Ata, Karaganda, Osengi-Oaher, Tomsk und Omsk).<br />
Zunächst illegal wirkende Gemeinden wurden registriert:<br />
1975 in Skytyvar, 1976 in Duschabe, Leninabad, Belowodskaja, Winsowchos und Kant.<br />
Einen neuen Aufschwung erlebte die evangelisch-lutherische Kirche durch die Politik der Perestroika. Der<br />
seit 1980 mit behördlicher Genehmigung amtierende Superintendent Harald Kalnins wurde 1988 in Riga<br />
zum Bischof ernannt. Seinen Angaben nach gab es 1986 490 deutschsprachige evangelisch-lutherische<br />
Gemeinden und Gruppen in der UdSSR, von denen 220 staatlich registriert waren.<br />
In den achtziger Jahren entstanden überall dort, wo Russlanddeutsche lebten, evangelisch-lutherische<br />
Gemeinden. Auch zahlreiche katholische Gemeinden, die bisher im Untergrund wirkten, wurden nun registriert.<br />
Früher zweckentfremdet genutzte Kirchen erhielten wieder ihre eigentliche Aufgabe. Beispiel:<br />
Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Karaganda<br />
Die Kirchengemeinde zählte ca. 4000 Gläubige. Die durchschnittliche Besucherzahl bei den an Werktagen<br />
abgehaltenen Gottesdiensten belief sich auf 15 bis 20 Personen. Zu den sonntäglichen Gottesdiensten<br />
kamen 50 bis 80 Gläubige.<br />
Der Russlanddeutsche H. Römmich beschrieb einen dieser Gottesdienste folgendermaßen:<br />
"Sie treffen sich in Privathäusern. Man sitzt auf schmalen Bänken ohne Lehne, meist sehr eng. Männer<br />
und Frauen getrennt. Der Gast hat erlebt, dass zu einem Abendmahlsgottesdienst etwa 100 Personen in<br />
zwei Zimmern zu je 25 qm versammelt waren. Die Fenster waren verhängt, die Türen geschlossen…Das<br />
Abendmahl wird in der Regel zweimal im Jahr im Anschluss an den Gottesdienst gefeiert. Oft findet die<br />
Beichtversammlung am Samstag vorher statt. Bei der Kommunion treten die reformierten Gemeindemitglieder<br />
zuerst vor; sie empfangen das Brot in die Hand. Die Lutheraner empfangen die selbstgebackene<br />
Oblate, oft knieend. Auf diese Weise wird der konfessionelle Unterschied zwischen Lutheranern und<br />
Reformierten friedlich überwunden."<br />
Quelle: http://www.russlanddeutschegeschichte.de/deutsch4/religion_kirche.htm<br />
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