TB 1 - Landesfilmdienst Nordrhein-Westfalen eV
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AUTONOMIEBEWEGUNG – DIE SITUATION IN DER<br />
GEMEINSCHAFT UNABHÄNGIGER STAATEN (GUS) – BS 19<br />
Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation beinhaltete das Förderkonzept auch Infrastrukturmaßnahmen,<br />
wie den Aufbau der Rayonverwaltung, den Wohnungsbau und die Ansiedlung von<br />
Gewerbebetrieben. Ziel war es auch, Aussiedler aus anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion<br />
aufnehmen zu können.<br />
Zu den Maßnahmen zählen Ausbau und Ausrüstungshilfe für drei Molkereien, von zwei Schlachthöfen,<br />
einer Bäckerei und einer Straßenmeisterei und eines Bauhofs. Mit der Inbetriebnahme einer modernen<br />
Fleischverarbeitungsfabrik wurde das Wirtschaftsprogramm 1998 weitgehend abgeschlossen. Über die<br />
„Brücke GmbH“ fließen die Reingewinne der mit deutscher Hilfe errichteten Betriebe zu einem Teil in<br />
einen Sozialfonds, aus dem soziale Leistungen finanziert werden. Die Einwohner der Rayons können<br />
deutsche Kredite zum Bau von Häusern oder für den Aufbau einer beruflichen Existenz in Anspruch nehmen.<br />
Daneben wird durch die Förderung von Sprachunterricht in Kindergärten und Schulen, kulturellen<br />
Aktivitäten oder Medien eine umfangreiche Unterstützung auf kulturellem Gebiet gewährt. Im Rahmen<br />
medizinischer Hilfen wurde ein neues Krankenhaus ausgestattet. Zum Zeitpunkt seiner Gründung waren<br />
85 Prozent aller Arbeitsplätze der Landwirtschaft zuzurechnen. Die Neusiedler kamen dagegen zu einem<br />
großen Teil aus Städten und brachten keine entsprechende Qualifikation mit.<br />
Dies hatte einen Rückgang der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze auf 65 Prozent zur Folge. Jedoch wurden<br />
in allen Bereichen bis Ende 1997 etwa 800 Arbeitsplätze neu geschaffen, das sind zehn Prozent aller<br />
Arbeitsplätze des Kreises. 200 davon entstanden im verarbeitenden Gewerbe, weitere 80 sollen in der<br />
Fleischfabrik entstehen.<br />
Dennoch liegt ein zentrales Problem des Rayons in der hohen Fluktuation. Wie alle Siedlungsgebiete in<br />
der ehemaligen Sowjetunion wurde auch das Rayongebiet von der Ausreisewelle erfasst. So wanderte<br />
ein großer Teil der alteingesessenen Bevölkerung, insbesondere fast alle Mennoniten, ab. 1996 lebten<br />
nur noch circa 40 Prozent der alteingesessenen Bevölkerung von 1992 im Rayon. Die Abwanderung wird<br />
durch Neusiedler (darunter auch russische Familien) kompensiert, die überwiegend aus Kasachstan und<br />
Kirgisistan kommen. Jährlich erfolgt ein Bevölkerungsaustausch von circa 15 Prozent bei gleich bleibender<br />
Gesamtbevölkerung des Rayons. Die Anteile der deutschen Bevölkerung schwankten 1996 in den<br />
einzelnen Ortschaften zwischen 28 Prozent und bis zu 88 Prozent (Klaube, 1997).<br />
Die Fluktuation zeigt Wirkung auf kulturellem Gebiet. Das Bundesministerium des Innern beschreibt die<br />
Situation in ihrer Informationsschrift „Deutscher nationaler Rayon Halbstadt nach fünf Jahren“ wie folgt:<br />
„Aufgrund der anhaltenden Migration unterliegt die nationale Zusammensetzung des Rayons Halbstadt<br />
einem ständigen Wandel, der sich auch auf die Pflege der deutschen Sprache und Kultur auswirkt. Zwar<br />
findet sich unter den Neuankömmlingen aus Kasachstan, Kirgisistan und anderen Republiken der ehemaligen<br />
Sowjetunion ein hoher Prozentanteil von Deutschstämmigen, doch die meisten von ihnen sind seit<br />
einer oder mehreren Generationen kulturell assimiliert und nicht mehr gewohnt, die eigene Muttersprache<br />
zu gebrauchen. Obwohl viele Kulturträger und Personen in fast allen Ortschaften daran mitwirken,<br />
der deutschen Sprache ihren traditionellen Stellenwert im Rayon zu erhalten, bedarf es dennoch weiterer<br />
Initiativen.“ Diese zielen mehr denn je darauf ab, das Neben- und Miteinander der russischen und der<br />
deutschen Kultur zu festigen.