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TB 1 - Landesfilmdienst Nordrhein-Westfalen eV

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REISE UND ANSIEDLUNG AN DER WOLGA – PROBLEME – BS 4 <strong>TB</strong> 10<br />

Fast zwei Jahre dauerte die Reise der ersten Gruppe. Wie viele Einwanderer im Wolgagebiet in den ersten<br />

zehn Jahren nach Verbreitung des Manifests eintrafen, ist ungewiss: Die Angaben schwanken zwischen 23.000<br />

und 29.000 Personen. Nach der Ankunft stellte sich heraus, dass eine ganze Reihe von Versprechungen des<br />

Manifestes der Zarin nicht erfüllt wurden. So war das Land für die Kolonie noch nicht vermessen, von den<br />

versprochenen Häusern und Nebengebäuden stand noch kein einziges, an Baumaterial fehlte es ebenfalls.<br />

1764 waren nur Balken und Bretter für die Einrichtung von Häfen angeliefert worden. Die meisten Ankömmlinge<br />

mussten deshalb den ersten Winter in Saratow, in nahegelegenen Dörfern und zum Teil in primitiven<br />

Erdlöchern verbringen. Die erste deutsche Kolonie, „Nischnjaja Dobrynka“, wurde am 12. Juni 1764 auf einem<br />

Kronsland nördlich der heutigen Stadt Kamyschin gegründet.<br />

In den Jahren 1764 bis 1767 folgten auf dem Westufer der Wolga (Bergseite) insgesamt 33 Kolonien und auf<br />

dem Ostufer (Wiesenseite) 41 Kolonien, alles ebenfalls auf „Kronland“. Die neuen Siedlungen hatten bei ihrer<br />

Gründung noch keine amtlichen Namen, deshalb nannte man sie meistens nach dem ersten Vorsteher oder<br />

Schulzen, z. B. Kraft, Bähr, Pfeifer, Müller, Anton usw. Amtliche Ortsnamen wurden erst im Jahre 1768 vergeben.<br />

Verschont blieben nur wenige Orte, die meisten bekamen russische oder tatarische Ortsbezeichnungen.<br />

Jede Familie bekam bis zu 30 Desjatinen Land, davon 15 für Ackerbau, fünf für Wiesen, 5 für Wald, 1,5 für Gehöft<br />

und Garten und 3,5 für die Hutweide. Das Land wurde den Kolonisten zum erblichen Besitz der gesamten<br />

Kolonien überlassen. Die Entwicklung der Kolonien an der Wolga verlief in den ersten Jahrzehnten nach ihrer<br />

Gründung weniger günstig, als es die Regierung erwartet hatte. Man hatte es versäumt, die Voraussetzungen<br />

für eine erfolgreiche Ansiedlung zu schaffen. Diese Unzulänglichkeiten führten dazu, dass die Kolonisten in<br />

den ersten Jahren häufig in Erdlöchern hausten. Viele von ihnen wurden daher krank und starben. Die Erträge<br />

waren anfangs sehr mäßig und reichten vielfach nicht für die eigene Ernährung.<br />

Mit der Besiedlung des Wolgagebietes verfolgte die russische Regierung nicht nur wirtschaftliche Ziele. Die<br />

neu angelegten Dörfer sollten die inneren Gouvernements vor Raubzügen nomadisierender Kalmücken und<br />

Kasachen, die man damals Kirgisen nannte, schützen. Die für die Kolonisation verwendeten Ländereien waren<br />

damals das Weideland nomadisierender Viehhirten, die sich erst 1740 scheinbar der russischen Krone unterworfen<br />

hatten. Sie fühlten sich durch die Anlage der Kolonien und die Ausweitung des Ackerbaus bedrängt<br />

und griffen wiederholt einzelne Siedlungen an. In den Jahren 1771 und 74 wurden 17 Kolonien von Nomaden<br />

überfallen. Die Orte Chasselois, Cäsarsfeld, Keller und Leitzinger hatten darunter so schwer gelitten, dass sie<br />

nicht wieder aufgebaut wurden.<br />

Ca. 3000 Siedler sollen bis 1775 bei Überfällen ums Leben gekommen sein, 1200 bis 1500 wurden angeblich<br />

auf den Märkten von Chiwa und Buchara in die Sklaverei verkauft, von denen nur wenige wieder an die Wolga<br />

zurückkamen. Der Bauernaufstand unter der Führung von Emeljan Pugačev verschonte auch die Kolonien<br />

nicht. Nach der Einnahme der Stadt Saratow zogen Scharen plündernd durch das Land. Es wurden nicht nur<br />

Vieh und Getreide mitgenommen, sondern auch Männer. Manch einer nutzte diese Gelegenheit aber auch,<br />

um aus der Kolonie zu entkommen. Diese Erschwernisse und Rückschläge führten dazu, dass die Regierung<br />

erst im Jahre 1786 und nicht schon zehn Jahre nach der Ansiedlung, das heißt ab 1774, versuchte, die Auslagen<br />

für die Kolonisation von Siedlern einzutreiben. Es stellte sich aber heraus, dass die Kolonisten noch<br />

immer nicht im Stande waren, die Schulden zu bezahlen. Die erwarteten wirtschaftlichen Erfolge waren nicht<br />

eingetreten.<br />

Quelle (mit geringfügigen Änderungen):<br />

http://kommentare.zeit.de/user/rowisch/beitrag/2007/10/26/die-geschichte-der-deutschen-russland<br />

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