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TB 1 - Landesfilmdienst Nordrhein-Westfalen eV

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100 GUTEN JAHREN FOLGEN LEID UND DEPORTATION –<br />

BS 8,9,10,11,12<br />

100 guten Jahren folgen Leid und Deportation<br />

Russlanddeutsche werden für Hitler-Deutschlands Krieg verantwortlich gemacht/Exodus seit den 80er Jahren<br />

Von Klaus P. Andrießen (0 64 41) 95 91 84<br />

k.andriessen@mittelhessen.de<br />

Wetzlar. In den ersten hundert Jahren der Kolonisation – also bis etwa 1870 – entfalten die Deutschen in Russland eine rege Siedlungstätigkeit. Sie verlassen sich dabei auf die ihnen<br />

von Zarin Katharina II. für immer gewährten Vorrechte. Zu den ursprünglich 304 Mutterkolonien in der Ukraine, am Schwarzen Meer, an der Wolga und in Kasachstan kommen 322<br />

Tochterkolonien hinzu. Doch dann müssen sie auf ihre Privilegien - insbesondere die Selbstverwaltung und kulturelle Autonomie – verzichten, 1891 wird Deutsch als Unterrichtssprache<br />

in den deutschen Schulen verboten.<br />

Russlanddeutsche<br />

wandern nach Nord-<br />

Amerika aus. Als 1914<br />

der erste Weltkrieg<br />

ausbricht, leben 1,7<br />

Millionen Deutsche<br />

in Zentralrussland. Sie<br />

verfügen mit 13,4 Millionen<br />

Hektar Land<br />

über eine Fläche, die<br />

etwa den fünf neuen<br />

Bundesländern entspricht.<br />

„Die Region<br />

liegt an der westlichen<br />

Grenze des heutigen<br />

Russlands. Historisch<br />

jedoch bildet sie die<br />

Keimzelle des Landes<br />

und stellte bis zur Oktoberrevolution<br />

1917<br />

tatsächlich den zentralen<br />

Teil des Landes<br />

dar“, beschreibt die<br />

Internet-Enzyklopädie<br />

Wikipedia die geografische<br />

Lage.<br />

Das Zarenreich erklärt<br />

1914 das Deutsche<br />

Reich zu seinem<br />

Feind, die deutschen<br />

Ortsnamen werden<br />

durch russische ersetzt.<br />

Mit dem so genanntenLiquidationsgesetz<br />

enteignet der<br />

russische Staat 150<br />

000 Deutsche in Wolhynien<br />

(Ukraine) und<br />

lässt sie nach Sibirien<br />

verschleppen. Dasselbe<br />

Schicksal hatte<br />

Zar Nikolaus II. allen<br />

Deutschen westlich<br />

des Ural zugedacht,<br />

doch die bürgerliche<br />

„Februarrevolution“<br />

1917 vereitelt den<br />

Plan.<br />

Mit Lenins kommunistischer<br />

Revolution<br />

verschärft sich nur<br />

wenige Monate später<br />

der Druck auf die<br />

Deutschen. Enteignungen<br />

und Verfolgungen<br />

stehen auf der<br />

Tagesordnung, bis die<br />

„Neue Ökonomische<br />

Politik“ 1921 bis 1928<br />

Erleichterung bringt.<br />

An den deutschen<br />

Schulen wird die deutsche<br />

Sprache wieder<br />

erlaubt, 1924 wird<br />

die „Autonome Sozialistische<br />

Republik<br />

der Wolgadeutschen“<br />

gegründet. Außerdem<br />

werden 16 deutsche<br />

Landkreise und 3000<br />

Gemeinden mit deutscher<br />

Amtssprache in<br />

der Ukraine, auf der<br />

Krim, im Kaukasus,<br />

im Südural (Orenburg),<br />

in Westsibirien<br />

(Altai), Kasachstan,<br />

Bessarabien und Kir-<br />

gisien gebildet.<br />

Bereits 1928 (bis<br />

1932) führt die „Entkulakisierung<br />

und<br />

K o l l e k t i v i e r u n g “<br />

dann aber zu Enteignungen<br />

und Vertreibungen,<br />

unter denen<br />

die deutschen Bauern<br />

besonders zu leiden<br />

hatten. Allein aus dem<br />

Wolgagebiet werden<br />

50 000 von ihnen<br />

nach Zentralasien<br />

deportiert. Das ist ein<br />

Gebiet mit Kasachstan<br />

im Norden, dem<br />

Kaspischen Meer im<br />

Westen und Tadschikistan<br />

imSüden.<br />

Die Machtergreifung<br />

Hitlers 1933<br />

in Deutschland löst<br />

eine weitere Verschlimmerung<br />

der<br />

Lage der Deutschen<br />

in der Sowjetunion<br />

aus. Sie gelten nun<br />

als Kollaborateure<br />

und Volksfeinde und<br />

haben unter Stalins<br />

Vernichtungsmaßnahmen<br />

– schönfärberisch<br />

„Säuberungen“<br />

genannt – zu leiden.<br />

„In manchen Dörfern<br />

gab es kaum noch<br />

arbeitsfähige Männer.<br />

Diesen Repressalien<br />

sind nach zuverlässigen<br />

Schätzungen<br />

mehr als 55 000 Deutsche<br />

zum Opfer gefallen“,<br />

heißt es im Katalog<br />

zur Ausstellung<br />

„Volk auf dem Weg“<br />

der Landsmannschaft<br />

der Deutschen aus<br />

Russland. Der Ausbruch<br />

des zweiten<br />

Weltkriegs 1939 und<br />

der Einmarsch deutscher<br />

Truppen in die<br />

Sowjetunion 1941<br />

sollten die Lage der<br />

1,4 Millionen Deutschen<br />

allerdings noch<br />

weit darüber hinaus<br />

verschärfen.<br />

Ein Erlass des Obersten<br />

Sowjets löst die<br />

Republik der Wolgadeutschen<br />

auf und<br />

verfügt die Deportation<br />

der Bevölkerung<br />

nach Sibirien<br />

und Mittelasien in<br />

Arbeitslager (so genannte<br />

Trudarmee).<br />

Innerhalb von zehn<br />

Tagen werden rund<br />

350 000 Wolgadeutsche<br />

verschleppt.<br />

Bis 1946 sind knapp<br />

eine Million Russlanddeutsche<br />

von<br />

den Deportationen<br />

betroffen, ungezählte<br />

Menschen sterben<br />

durch Unterernährung,<br />

Krankheiten<br />

und schwere Arbeit,<br />

Familien werden auseinandergerissen.<br />

■ Der Flucht nach<br />

Westen schließt sich<br />

der Rücktransport<br />

nach Sibirien an<br />

Hitlers Truppen siedeln<br />

1944 während<br />

des Rückzugs aus der<br />

Sowjetunion 350 000<br />

Russlanddeutsche<br />

imWarthegau (heute<br />

wieder Polen) und im<br />

Sudetenland (heute<br />

Tschechien) an. Vor<br />

der sowjetischenWinteroffensive<br />

im Januar<br />

1945 fliehen ungezählteRusslanddeutsche<br />

nach Westen,<br />

werden aber bereits<br />

im Sommer 1945 aus<br />

der russischen Besatzungszone<br />

zurück<br />

nach Sibirien und<br />

Mittelasien gebracht.<br />

1948 schreibt der<br />

Oberste Sowjet die<br />

Verbannung der Russlanddeutschen<br />

auf<br />

„ewige Zeiten“ fest,<br />

ein Verlassen ihrer<br />

Ansiedlungsorte wird<br />

mit Zwangsarbeit bis<br />

zu 20 Jahren bedroht.<br />

Erst Ende 1955 wird<br />

diese so genannte<br />

Kommandantur aufgehoben,<br />

die Rückkehr<br />

in die ursprünglichen<br />

Heimatorte im<br />

europäischen Teil der<br />

Sowjetunion bleibt allerdings<br />

verboten. 200<br />

000 Russlanddeutsche<br />

möchten nun nach<br />

Deutschland auswandern,<br />

doch das wird<br />

ihnen verwehrt.<br />

<strong>TB</strong><br />

17,1<br />

23

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