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Human Condition - Universalmuseum Joanneum

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110 — 111<br />

Autor<br />

als durch Handeln bestimmte Zwecke zu erreichen, so könnten solche Zwecke offenbar<br />

noch erheblich besser und schneller mit Hilfe stummer Gewaltmittel erreicht werden.<br />

Vom Standpunkt des bloßen Nutzens ist Handeln nur Ersatz für die Anwendung von<br />

Gewalt, die sich immer als wirksamer erweist, so wie das Spre chen vom Standpunkt der<br />

bloßen Information eine Art von Notbehelf ist, mit dem man sich nur so lange abfindet,<br />

als eine Zeichensprache nicht erfunden ist.<br />

Handelnd und sprechend offenbaren die Menschen jeweils, wer sie sind, zeigen aktiv<br />

die personale Einzigartigkeit ihres Wesens, treten gleichsam auf die Bühne der Welt,<br />

auf der sie vorher so nicht sichtbar waren, solange nämlich, als ohne ihr eigenes Zutun<br />

nur die einmalige Gestalt ihres Körpers und der nicht weniger einmalige Klang der<br />

Stimme in Erscheinung tra ten. Im Unterschied zu dem, was einer ist, im Unterschied zu<br />

den Eigenschaften, Gaben, Talenten, Defekten, die wir besit zen und daher so weit zum<br />

mindesten in der Hand und unter Kontrolle haben, daß es uns freisteht, sie zu zeigen<br />

oder zu verbergen, ist das eigentlich personale Wer-jemand-jeweilig-ist unserer Kontrolle<br />

darum entzogen, weil es sich unwillkürlich in allem mitoffenbart, was wir sagen<br />

oder tun. Nur vollkommenes Schweigen und vollständige Passivität können dieses Wer<br />

viel leicht zudecken, den Ohren und Augen der Mitwelt entziehen, aber keine Absicht<br />

der Welt kann über es frei verfügen, ist es erst einmal in Erscheinung getreten. Es ist<br />

im Gegenteil sehr viel wahrscheinlicher, daß dies Wer, das für die Mitwelt so un miß verständlich<br />

und eindeutig sich zeigt, dem Zeigenden selbst gerade und immer verborgen<br />

bleibt, als sei es jener δαίμων der Griechen, der den Menschen zwar sein Leben lang<br />

begleitet, ihm aber immer nur von hinten über die Schulter blickt und daher nur denen<br />

sichtbar wird, denen der Betreffende begeg net, niemals ihm selbst.<br />

Diese Aufschluß-gebende Qualität des Sprechens und Han delns, durch die, über das<br />

Besprochene und Gehandelte hin aus, ein Sprecher und Täter mit in die Erscheinung<br />

tritt, kommt aber eigentlich nur da ins Spiel, wo Menschen miteinander, und weder<br />

für- noch gegeneinander, sprechen und agieren. Weder die tätige und zuweilen sehr<br />

tatkräftige Güte, vor deren Selbst losigkeit die Mitwelt nur im Modus eines Füreinander<br />

er scheint, in dem sich gleichsam jeder vor jedem versteckt, noch das Verbrechen, das<br />

sich gegen die anderen stellt und vor ihnen sich verbergen muß, können riskieren, den<br />

jeweiligen Jemand, das Subjekt des Handelns und Sprechens, zu enthüllen, und zwar<br />

unter anderem auch darum, weil niemand weiß, wen er eigentlich offenbart, wenn er<br />

im Sprechen und Handeln sich selbst unwillkürlich mitoffenbart. Dies Risiko, als ein<br />

Jemand im Miteinander in Erscheinung zu treten, kann nur auf sich nehmen, wer bereit<br />

ist, in diesem Miteinander auch künftig zu existieren, und das heißt bereit ist, im<br />

Miteinander unter sei nesgleichen sich zu bewegen, Aufschluß zu geben darüber, wer er<br />

ist, und auf die ursprüngliche Fremdheit dessen, der durch Geburt als Neuankömmling<br />

in die Welt gekommen ist, zu ver zichten. Diesen Verzicht aber kann sich weder das<br />

Für- noch das Gegeneinander leisten; die Tatkraft der Güte wie des Ver brechens entspringen<br />

einer Distanz, in der die ursprüngliche Fremdheit des durch Geburt in die Welt<br />

Gekommenseins fest gehalten wird, wobei es in unserem Zusammenhang gleichgül tig<br />

ist, daß diese Fremdheit in dem einen Fall sich im Selbstop fer und im anderen in einer<br />

absoluten Selbstsucht realisiert. Vom Standpunkt des Miteinander handelt es sich in<br />

beiden Fäl len um Phänomene der Verlassenheit, die gewissermaßen nur am Rande des<br />

Bereichs menschlicher Angelegenheiten er scheinen dürfen, soll dieser Bereich nicht<br />

zerstört werden, also um Randerscheinungen des Politischen, die in ihm geschicht lich<br />

wirksam nur in Zeiten des Untergangs, des Verfalls und der politischen Korruption werden.<br />

In solchen Zeiten verdunkelt sich der Bereich der menschlichen Angelegenheiten;<br />

er verliert die strahlende, Ruhm stiftende Helle, die nur dem Öffentlichen, das sich im<br />

Miteinander der Menschen konstituiert, eig net, und die unerläßlich ist, soll Handeln<br />

und Sprechen sich voll entfalten, d.h. über das Gehandelte und Besprochene hinaus die<br />

Handelnden und Sprechenden mit in Erscheinung treten lassen. In diesem Zwielicht,

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