Human Condition - Universalmuseum Joanneum
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Autor<br />
als durch Handeln bestimmte Zwecke zu erreichen, so könnten solche Zwecke offenbar<br />
noch erheblich besser und schneller mit Hilfe stummer Gewaltmittel erreicht werden.<br />
Vom Standpunkt des bloßen Nutzens ist Handeln nur Ersatz für die Anwendung von<br />
Gewalt, die sich immer als wirksamer erweist, so wie das Spre chen vom Standpunkt der<br />
bloßen Information eine Art von Notbehelf ist, mit dem man sich nur so lange abfindet,<br />
als eine Zeichensprache nicht erfunden ist.<br />
Handelnd und sprechend offenbaren die Menschen jeweils, wer sie sind, zeigen aktiv<br />
die personale Einzigartigkeit ihres Wesens, treten gleichsam auf die Bühne der Welt,<br />
auf der sie vorher so nicht sichtbar waren, solange nämlich, als ohne ihr eigenes Zutun<br />
nur die einmalige Gestalt ihres Körpers und der nicht weniger einmalige Klang der<br />
Stimme in Erscheinung tra ten. Im Unterschied zu dem, was einer ist, im Unterschied zu<br />
den Eigenschaften, Gaben, Talenten, Defekten, die wir besit zen und daher so weit zum<br />
mindesten in der Hand und unter Kontrolle haben, daß es uns freisteht, sie zu zeigen<br />
oder zu verbergen, ist das eigentlich personale Wer-jemand-jeweilig-ist unserer Kontrolle<br />
darum entzogen, weil es sich unwillkürlich in allem mitoffenbart, was wir sagen<br />
oder tun. Nur vollkommenes Schweigen und vollständige Passivität können dieses Wer<br />
viel leicht zudecken, den Ohren und Augen der Mitwelt entziehen, aber keine Absicht<br />
der Welt kann über es frei verfügen, ist es erst einmal in Erscheinung getreten. Es ist<br />
im Gegenteil sehr viel wahrscheinlicher, daß dies Wer, das für die Mitwelt so un miß verständlich<br />
und eindeutig sich zeigt, dem Zeigenden selbst gerade und immer verborgen<br />
bleibt, als sei es jener δαίμων der Griechen, der den Menschen zwar sein Leben lang<br />
begleitet, ihm aber immer nur von hinten über die Schulter blickt und daher nur denen<br />
sichtbar wird, denen der Betreffende begeg net, niemals ihm selbst.<br />
Diese Aufschluß-gebende Qualität des Sprechens und Han delns, durch die, über das<br />
Besprochene und Gehandelte hin aus, ein Sprecher und Täter mit in die Erscheinung<br />
tritt, kommt aber eigentlich nur da ins Spiel, wo Menschen miteinander, und weder<br />
für- noch gegeneinander, sprechen und agieren. Weder die tätige und zuweilen sehr<br />
tatkräftige Güte, vor deren Selbst losigkeit die Mitwelt nur im Modus eines Füreinander<br />
er scheint, in dem sich gleichsam jeder vor jedem versteckt, noch das Verbrechen, das<br />
sich gegen die anderen stellt und vor ihnen sich verbergen muß, können riskieren, den<br />
jeweiligen Jemand, das Subjekt des Handelns und Sprechens, zu enthüllen, und zwar<br />
unter anderem auch darum, weil niemand weiß, wen er eigentlich offenbart, wenn er<br />
im Sprechen und Handeln sich selbst unwillkürlich mitoffenbart. Dies Risiko, als ein<br />
Jemand im Miteinander in Erscheinung zu treten, kann nur auf sich nehmen, wer bereit<br />
ist, in diesem Miteinander auch künftig zu existieren, und das heißt bereit ist, im<br />
Miteinander unter sei nesgleichen sich zu bewegen, Aufschluß zu geben darüber, wer er<br />
ist, und auf die ursprüngliche Fremdheit dessen, der durch Geburt als Neuankömmling<br />
in die Welt gekommen ist, zu ver zichten. Diesen Verzicht aber kann sich weder das<br />
Für- noch das Gegeneinander leisten; die Tatkraft der Güte wie des Ver brechens entspringen<br />
einer Distanz, in der die ursprüngliche Fremdheit des durch Geburt in die Welt<br />
Gekommenseins fest gehalten wird, wobei es in unserem Zusammenhang gleichgül tig<br />
ist, daß diese Fremdheit in dem einen Fall sich im Selbstop fer und im anderen in einer<br />
absoluten Selbstsucht realisiert. Vom Standpunkt des Miteinander handelt es sich in<br />
beiden Fäl len um Phänomene der Verlassenheit, die gewissermaßen nur am Rande des<br />
Bereichs menschlicher Angelegenheiten er scheinen dürfen, soll dieser Bereich nicht<br />
zerstört werden, also um Randerscheinungen des Politischen, die in ihm geschicht lich<br />
wirksam nur in Zeiten des Untergangs, des Verfalls und der politischen Korruption werden.<br />
In solchen Zeiten verdunkelt sich der Bereich der menschlichen Angelegenheiten;<br />
er verliert die strahlende, Ruhm stiftende Helle, die nur dem Öffentlichen, das sich im<br />
Miteinander der Menschen konstituiert, eig net, und die unerläßlich ist, soll Handeln<br />
und Sprechen sich voll entfalten, d.h. über das Gehandelte und Besprochene hinaus die<br />
Handelnden und Sprechenden mit in Erscheinung treten lassen. In diesem Zwielicht,