Human Condition - Universalmuseum Joanneum
Human Condition - Universalmuseum Joanneum
Human Condition - Universalmuseum Joanneum
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
15 Arendt, Vita activa, S. 17.<br />
16 Ibid., S. 215.<br />
17 Ibid., S. 217.<br />
18 Ibid., S. 220.<br />
19 Ibid., S. 224.<br />
20 Ibid., S. 234.<br />
21 Julia Kristeva: Hannah Arendt.<br />
New York: Columbia University<br />
Press 2001, S. 174<br />
[Übersetzung: Lichtenwörther].<br />
setzt vorerst etwas in Bewegung“.16 Das Handeln ist auch mit dem Sprechen verwandt,<br />
weil das Handeln der spezifisch menschlichen Lage, sich in einer Vielheit einzigartiger<br />
Wesen als unter seinesgleichen zu bewegen, nur entsprechen kann, wenn es seine Antwort<br />
auf die Frage bereithält, die unwillkürlich jedem Neuankömmling vorgelegt wird,<br />
auf die Frage: „Wer bist Du?“17 […] Diese Aufschluß-gebende Qualität des Sprechens<br />
und Handelns, durch die, über das Besprochene und Gehandelte hinaus, ein Sprecher<br />
und Täter mit in die Erscheinung tritt, kommt aber eigentlich nur da ins Spiel, wo Menschen<br />
miteinander, und weder für- noch gegeneinander, sprechen und agieren.18<br />
Ein Ruf nach dem „Wer“ und dem „Mit(einander)“ liegt Hannah Arendts Gewebe der<br />
menschlichen Beziehungen zugrunde; Dazwischen und Zusammengehörigkeit sind<br />
darin die grundlegendsten Einsatzplattformen:<br />
Handeln und Sprechen bewegen sich in dem Bereich, der zwischen Menschen qua<br />
Menschen liegt, sie richten sich unmittelbar an die Mitwelt, in der sie die jeweils<br />
Handelnden und Sprechenden auch dann zum Vorschein und ins Spiel bringen, wenn<br />
ihr eigentlicher Inhalt ganz und gar „objektiv“ ist, wenn es sich um Dinge handelt,<br />
welche die Welt angehen, also den Zwischenraum, in dem Menschen sich bewegen und<br />
ihren jeweiligen, objektiv-weltlichen Interessen nachgehen. Diese Interessen sind im<br />
ursprünglichen Wortsinne das, was „inter-est“, was dazwischen liegt und die Bezüge<br />
herstellt, die Menschen miteinander verbinden und gleichzeitig voneinander scheiden.<br />
Fast alles Handeln und Reden betrifft diesen Zwischenraum, der ein jeweils anderer für<br />
jede Menschengruppe ist, so daß wir zumeist miteinander über etwas sprechen und<br />
einander etwas weltlich-nachweisbar Gegebenes mitteilen, für das die Tatsache, daß<br />
wir unwillkürlich in solchem Sprechen-über auch noch Aufschluß darüber geben, wer<br />
wir, die Sprechenden, sind, von sekundärer Bedeutung scheint.19<br />
Das Handeln als Instrument der Zerbrechlichkeit menschlicher Angelegenheiten ist<br />
eine gemeinschaftliche Angelegenheit – im Gegensatz zur Tätigkeit des Herstellens<br />
ist es in Isolierung niemals möglich. Für Arendt gilt: „[J]ede Isoliertheit […] beraubt der<br />
Fähigkeit zu handeln.“20<br />
Von Julia Kristeva wird Arendt für ihre Verwirklichung eines „Wer“ gewürdigt, in ihren<br />
philosophischen Ausführungen zu den Denk-, Willens- und Urteilsakten auf der Suche<br />
nach Antworten zu der Frage „Wer sind wir?“ im Gegensatz zu „Was sind wir?“. Nur<br />
offenbart in einer Handlung, an die es gekoppelt ist, erscheint das „Wer“ als dynamische<br />
Realität, als energeia, die ihr eigenes Tun und Handeln transzendiert und sich<br />
allen Versuchen der Verdinglichung oder Vergegenständlichung widersetzt. Somit ist<br />
es eine „Quelle“ der Kreativität, wenn auch, wie Kristeva anmerkt, „eine, die außerhalb<br />
des eigentlichen Schaffensprozesses bleibt“ und „unabhängig davon ist, was [von<br />
Künstlern] erreicht wird.“21 Kristeva diagnostiziert darüber hinaus auch ein schwieriges<br />
Verhältnis zwischen dem „Wer“ und dem Selbst : Das „Wer“ ist das eigenständige<br />
Wesen, der griechische daimon, der „anderen gegenüber so deutlich und unverwechselbar<br />
erscheint, aber „der Person selbst verborgen bleibt.“ Das „Wer“ ist ein verborgenes<br />
Selbst, doch es verbirgt sich mehr vor der Person als vor der Erinnerung anderer<br />
Menschen. Das „Wer“ erscheint somit essenziell zu sein, doch nur im engen Sinne des<br />
Wortes: „as an essence that is actualized within the time of the plurality specific to<br />
other people.“22<br />
Indem er Hannah Arendts „Wer sind wir?” durch ein „Woraus bestehen wir?“ ergänzt,<br />
verkündet der Ökonom und Aktivist Jeremy Rifkin einen epochalen Schwenk auf eine<br />
„Klimaxweltwirtschaft“ und eine fundamentale Neuausrichtung des menschlichen<br />
Lebens auf diesem Planeten. Seinen Ausführungen zufolge wird nun, im Lichte der<br />
dritten industriellen Revolution, in einer neuen Ära des distributed capitalism (verteilter<br />
Kapitalismus) und am Beginn eines Biosphärenbewusstseins, das Zeitalter der