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Human Condition - Universalmuseum Joanneum

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Der Herrscher und Befehlshaber bleibt allein und isoliert von den Anderen, als sei er<br />

für immer gleichsam festgefroren in der Position des Anfangenden und Anführen den,<br />

der er war, als er sich noch auf nichts verlassen konnte als auf die Kraft der eigenen<br />

Initiative, bevor er die Anderen ge funden hatte, mit denen zusammen er das Angefangene<br />

vollen den konnte. Aber die Kraft dessen, der die Initiative ergreift, welche in<br />

der Tat die Stärke des Starken ausmacht, kommt nur in dieser Initiative und dem in ihr<br />

übernommenen Risiko zur Geltung, nicht in der tatsächlichen Leistung. Zwar mag der<br />

er folgreiche Herrscher und Befehlshaber es sich leisten können, das für sich allein in<br />

Anspruch zu nehmen, was nur durch die Hilfe der Vielen hat vollbracht werden können,<br />

aber damit mo nopolisiert er für sich die zahllosen Kräfte, ohne deren Hilfe seine<br />

Stärke machtlos geblieben wäre. In dieser monopolisie renden Anmaßung, in der es<br />

ein eigentliches Handeln gar nicht mehr gibt, weil weder der Befehlende noch die<br />

Vollstrecken den je wirklich handeln, entsteht dann das Trugbild, daß der Starke am<br />

mächtigsten allein sei.<br />

Weil sich der Handelnde immer unter anderen, ebenfalls handelnden Menschen bewegt,<br />

ist er niemals nur ein Täter, sondern immer auch zugleich einer, der erduldet.<br />

Handeln und Dulden gehören zusammen, das Dulden ist die Kehrseite des Handelns;<br />

die Geschichte, die von einem Handeln in Bewe gung gebracht wird, ist immer eine<br />

Geschichte der Taten und Leiden derer, die von ihr affiziert werden. Die Zahl derer, die<br />

so affiziert werden, ist im Prinzip unbegrenzt, weil die Folgen einer Handlung, die als<br />

solche ihren Ursprung außerhalb des menschlichen Bezugssystems haben kann, in das<br />

Medium des unend lichen Gewebes der menschlichen Angelegenheiten hin einschlagen,<br />

wo jede Reaktion gleichsam automatisch zu einer Kettenreaktion wird und jeder<br />

Vorgang sofort andere Vor gänge veranlaßt. Da Handeln immer auf zum Handeln begabte<br />

Wesen trifft, löst es niemals nur Re-aktionen aus, sondern ruft eigenständiges<br />

Handeln hervor, das nun seinerseits andere Handelnde affiziert. Es gibt kein auf einen<br />

bestimmten Kreis zu begrenzendes Agieren und Re-agieren, und selbst im beschränktesten<br />

Kreis gibt es keine Möglichkeit, ein Getanes wirklich zuverlässig auf die<br />

unmittel bar Betroffenen oder Ge meinten zu beschränken, etwa auf ein Ich und ein Du.<br />

Schran kenlos aber wird das Handeln nun aber nicht erst dadurch, daß es sich im<br />

Medium der Vielen, also in dem im engeren Sinne politischen Bereich bewegt, als entstände<br />

die Unzahl möglicher mensch licher Bezüge lediglich dadurch, daß unabsehbar<br />

viele Menschen jeweils durch das Bezugsgewebe ihrer Angelegen heiten zusammengehalten<br />

und miteinander ins Spiel gebracht werden. Wäre die Unbegrenztheit des<br />

Handelns lediglich der schieren Mengenhaftigkeit menschlichen Daseins geschuldet,<br />

so könnte seine Maßlosigkeit geheilt werden, indem man das Zusammenleben der<br />

Menschen politisch auf kleine und klein ste Gruppen einschränkte in der Hoffnung,<br />

übersehbare Ver hältnisse geschaffen zu haben. Zweifellos hat diese Hoffnung in der<br />

Beschränkung der griechischen Stadt-Staaten auf eine be stimmte, nicht zu überschreitende<br />

Zahl von Einwohnern und Bürgern eine Rolle gespielt; aber wir wissen auch aus<br />

der Ge schichte dieser zahlenmäßig so beschränkten Gebilde, daß das Bezugsgewebe<br />

in ihnen dadurch sich eher noch turbulenter ge staltete, als wirke sich die dem Handeln<br />

eigene Maßlosigkeit desto intensiver aus, je mehr man versucht, seinen Spielraum<br />

einzuengen. Jedenfalls bleiben auch in den beschränktesten Umständen die Folgen<br />

einer jeden Handlung schon darum un absehbar, weil das gerade eben noch Absehbare,<br />

nämlich das Bezugsgewebe mit den ihm eigenen Konstellationen, oft durch ein einziges<br />

Wort oder eine einzige Geste radikal geändert wer den kann.<br />

Schrankenlosigkeit erwächst aus der dem Handeln eigen tümlichen Fähigkeit, Beziehungen<br />

zu stiften, und damit aus der ihm inhärenten Tendenz, vorgegebene Schranken<br />

zu sprengen und Grenzen zu überschreiten.17 Die Schranken und Grenzen, die von so<br />

großer Bedeutung in dem Bereich der menschlichen Angelegenheiten sind, stellen den<br />

niemals verläßlichen Rah men her, in dem Menschen sich bewegen, ohne den ein

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