Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
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eziehen in eine gemeinsame soziale Interaktion,<br />
die ihn/sie von der zu erledigenden<br />
Aufgabe ablenken sollte.<br />
So versuchten diese Kinder z.B. die<br />
Aufmerksamkeit des Untersuchers auf<br />
etwas anders zu lenken, indem sie auf<br />
etwas zeigten, und/oder sie benutzen so<br />
genannte „Partytricks“, wie in die Hände<br />
klatschen, winken oder anlächeln.<br />
Wishart beschreibt dieses Vermeidungsverhalten<br />
bei kognitiven Herausforderungen<br />
oder „Ausblend“-Verhalten<br />
als ein ganz spezifisches Merkmal im<br />
Verhalten der Kinder mit Down-Syndrom<br />
in Testsituationen.<br />
Dieses Verhalten hat nicht nur Folgen<br />
für die Testergebnisse in Untersuchungssituationen,<br />
sondern beeinflusst<br />
wahrscheinlich auch andere Funktionsbereiche,<br />
besonders das Mitmachen in<br />
Lern- und Fördersituationen. Wishart<br />
argumentiert, dass anscheinend schon<br />
von einem sehr frühen Alter an die Kinder<br />
Gelegenheiten, um neue Fertigkeiten<br />
zu lernen, vermeiden, schon erlernte<br />
Fertigkeiten schlecht oder nicht nutzen<br />
und dass sie oft Fertigkeiten weder<br />
konsolidieren noch in ihrem Repertoire<br />
aufnehmen.<br />
Wenn dies stimmt, könnte ein besseres<br />
Verständnis für die herabgesetzte<br />
Motivation bei Menschen mit Down-<br />
Syndrom Fachleuten eine einmalige Gelegenheit<br />
bieten, die Effektivität von<br />
Förder- und Lernprogrammen zu verbessern.<br />
Dies könnte zutreffen für Lernprogramme<br />
für Kinder und Erwachsene,<br />
die dieses Profil schon entwickelt haben,<br />
aber ganz speziell für Programme<br />
in der Frühförderung, wo man noch die<br />
Möglichkeit hat, zu verhindern, dass ein<br />
solches Profil überhaupt entsteht. Um<br />
effektive Fördermaßnahmen zu planen,<br />
ist es wichtig zu verstehen, wie es zu<br />
diesem Persönlichkeitsprofil kommt.<br />
Was ist die Ursache dieses<br />
spezifischen Motivations-Profils?<br />
Wie entwickelt sich über die Jahre dieses<br />
Profil, das eine positive Stimmungslage<br />
und Soziabilität mit einem geringen<br />
Durchhaltevermögen und das so genannte<br />
„Ausblend“-Verhalten miteinander<br />
verbindet?<br />
Im Gegensatz zu anderen Aspekten<br />
des Down-Syndrom-Verhaltensphänotyps,<br />
die ihre Ursachen in der genetisch<br />
bedingten Entwicklung des Gehirns haben<br />
(z.B. gute visuelle und schlechtere<br />
verbale Fähigkeiten), entsteht dieses<br />
Persönlichkeitsprofil als sekundäre phänotypische<br />
Folge. Das bedeutet, dass<br />
dieses Profil das Ergebnis ist von den<br />
Beziehungen zwischen den primären<br />
kognitiven und sozial-emotionalen Aspekten<br />
des Syndroms.<br />
Im Folgenden werden wir die Überschneidung<br />
von frühen Stärken im Sozialverhalten<br />
mit den kognitiven Defiziten<br />
und Schwächen beim zielorientierten<br />
Denken untersuchen und wie diese gemeinsam<br />
zum Entstehen des besonderen<br />
Persönlichkeitsprofils beitragen –<br />
ein Profil, das auf ein übermäßiges Vertrauen<br />
in ein gefälliges Sozialverhalten<br />
baut, auf Kosten eines mehr beharrlichen<br />
motivationsorientierten Verhaltens.<br />
Primäre phänotypische Folge:<br />
die kognitive Einschränkung<br />
Einer der wichtigsten kognitiven Meilensteine<br />
bei einem kleinen Kind, das<br />
sich normal entwickelt, ist die Fähigkeit,<br />
Hilfsmittel einzusetzen, um seine Ziele<br />
zu erreichen. Diese Fähigkeit beginnt<br />
sich während der ersten zwei bis acht<br />
Lebensmonate zu entwickeln. In seiner<br />
frühesten Form beinhaltet dieses zielorientierte<br />
Denken im Allgemeinen das<br />
Zusammenfügen einer Reihe von Handlungen,<br />
um ein Ziel zu erreichen, z.B. an<br />
einer Schnur zu ziehen, um ein Spielzeug<br />
zu bekommen, das an dieser<br />
Schnur festgebunden ist.<br />
Normalerweise zeigen sich Kinder<br />
zwischen zwei und acht Monaten sehr<br />
lernfähig, wenn sie – per Zufall – merken,<br />
dass bei der Bewegung eines Arms<br />
PSYCHOLOGIE<br />
Winken oder lachen,<br />
aber keine Aufgaben<br />
machen!<br />
Kinder mit Down-<br />
Syndrom entwickeln<br />
schon sehr früh eine<br />
Reihe wirkungsvoller<br />
Strategien, sich<br />
charmant aus der<br />
Affaire zu ziehen!<br />
oder Beins eine Belohnung folgt (z.B. eine<br />
Musik erklingt). Mit rund acht Monaten<br />
entdecken Kleinkinder, wie manuelle<br />
Fertigkeiten eingesetzt werden können,<br />
um neue Ziele zu erreichen. So ermöglichen<br />
dann neue Fertigkeiten wie<br />
Reichen und Greifen es dem Kind, eine<br />
ganze Reihe unterschiedlicher Ziele zu<br />
erreichen. Diese neuen Strategien werden<br />
als Mittel benutzt, den erwünschten<br />
Endzustand herbeizuführen.<br />
Die Literatur über die Entwicklung<br />
des handlungsorientierten Denkens bei<br />
Säuglingen und Kleinkindern mit Down-<br />
Syndrom beschreibt aber, dass dies einen<br />
Bereich größter Herausforderung<br />
für diese Kinder darstellt. In einer Studie<br />
über „Zufallslernen“ – (das eine Vorstufe<br />
ist vom handlungsorientierten<br />
Denken, nämlich sich die Wirkung seines<br />
Handeln vorstellen zu können)<br />
schnitten drei Monate alte Säuglinge mit<br />
Down-Syndrom noch ähnlich gut ab wie<br />
sich regulär entwickelnde Kinder. Dies<br />
galt sowohl für Aufgaben, wobei man<br />
ein Bein bewegen muss, um eine Verstärkung<br />
zu bekommen, wie für das<br />
Lerntempo und die Merkfähigkeit.<br />
Jedoch stellte das gleiche Untersuchungsteam<br />
fest, dass einige Zeit später<br />
bei neun Monate alten Kindern mit<br />
Down-Syndrom im Vergleich zu den anderen<br />
Kindern das Zufallslernen deutlich<br />
beeinträchtigt war. Die Autoren dieser<br />
Studien geben an, dass bei Kindern<br />
mit Down-Syndrom während des ersten<br />
Lebensjahrs die Fähigkeit des „Zufallslernens<br />
und der Konditionierung abnimmt“.<br />
Wenn das handlungsorientier-<br />
Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005 23