Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
investieren alles, um ihren Kindern jede<br />
mögliche Förderung zukommen zu lassen;<br />
Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie,<br />
sie kämpfen um Integration im<br />
Schulsystem schon von Kindergartentagen<br />
an. Aber mit dem Beenden des Schulsystems<br />
im Alter von spätestens 21 Jahren<br />
enden auch sämtliche vom Staat<br />
vorgesehenen Bildungsmaßnahmen.<br />
Menschen mit Down-Syndrom<br />
möchten gerne weiterlernen<br />
Junge Menschen mit Down-Syndrom<br />
können zwar auch an der „Graduation<br />
Ceremony“ teilnehmen wie alle anderen<br />
Mitschüler, aber sie bekommen kein<br />
vollständiges Schulabschlusszeugnis,<br />
das gleichwertig wäre mit dem anderer<br />
Schulabsolventen. Ihr „Graduation Paper“<br />
ist ein „Zertifikat der Anwesenheit“<br />
oder ein „Zertifikat über hervorragende<br />
Leistungen“ und spiegelt ihre jeweiligen<br />
individuellen Leistungen wider.<br />
Viele von den betroffenen jungen<br />
Menschen lernen gerne und vermissen<br />
die Möglichkeit, nach der Schule weiterzumachen.<br />
Eine von diesen jungen<br />
Menschen ist Christina <strong>Mai</strong>lhot. Ihre<br />
Mutter beobachtete voller Sorge ihre<br />
Entwicklung, als sie mit der Schule fertig<br />
war. Christina fand eine Arbeit als<br />
Einpackerin im Supermarkt, war dort<br />
sehr unglücklich und verfiel in Depressionen.<br />
Als alleinerziehende Mutter<br />
machte sich Frau <strong>Mai</strong>lhot große Sorgen,<br />
denn der Job als Einpackerin würde ihre<br />
Tochter, wenn sie selber nicht mehr<br />
da wäre, in der Zukunft nicht ernähren<br />
können.<br />
Christina wurde als eine von sechs<br />
Studentinnen vom Strive-Programm angenommen<br />
– 65 hatten sich beworben.<br />
An der Universität teilt sich Christina<br />
ein Appartment mit einer anderen Studentin<br />
aus dem gleichen Programm und<br />
mit einer Beraterin, die dafür sorgt, dass<br />
Christina kochen lernt und ihre Rechnungen<br />
pünktlich bezahlt. Sie besucht<br />
besonderen Unterricht, der ihr hilft, sich<br />
an das Campusleben anzupassen. Sie<br />
besucht außerdem Deutschunterricht,<br />
um die Muttersprache ihrer Mutter zu<br />
lernen.<br />
Christina hofft, eines Tages als Verfechterin<br />
für die Anliegen von Menschen<br />
mit Behinderungen eine Karriere machen<br />
zu können. „Ich glaube, dass die<br />
meisten Menschen überhaupt nicht wissen,<br />
dass wir auch ein Gehirn haben,<br />
wir sind genauso normal wie alle ande-<br />
Miguel Martin Cifre, kein amerikanischer<br />
Student, sondern ein selbstbewusster junger<br />
Mann aus Mallorca, der zurzeit eine Lehre<br />
zum Hilfskoch bei ASNIMO macht.<br />
Beim Kongress war er zuständig für das<br />
Kuchenangebot.<br />
ren auch, und das müssen sie akzeptieren!“,<br />
sagt Christina.<br />
Irvin Shapell, ein Herausgeber von<br />
Büchern über Kinder mit Behinderungen,<br />
war maßgeblich an der Gründung<br />
und Entwicklung des Strive-Programms<br />
beteiligt. Sein behinderter Sohn Jake<br />
war damals 21.<br />
„Ich wollte, dass Jake die gleichen<br />
Chancen bekommt wie seine Geschwister,<br />
dass er einen Job bekommt und die<br />
Anerkennung, die ihm wichtig ist. Ich<br />
wollte, dass er in einer Gemeinde lebt,<br />
mit richtigen Nachbarn, genauso wie Sie<br />
und ich.“ Jake starb viel zu früh an den<br />
Folgen einer Herzentzündung. Sein Vater<br />
ist beim Programm geblieben und<br />
kämpft weiter um bessere Bildungschancen<br />
für Menschen mit geistiger Behinderung.<br />
„Colleges sollten einsehen,<br />
dass sie diesen Menschen nie eine Chance<br />
gegeben haben; dies sollten sie<br />
wenigstens tun“, sagt er.<br />
ERWACHSENE<br />
Zusammen mit Gleichaltrigen<br />
Eine wichtige Überlegung in der Entwicklung<br />
der Bildungsprogramme ist,<br />
dass junge Menschen zwischen 18 und<br />
25 Jahren nicht mehr in den High<br />
Schools unter 14-Jährigen sitzen wollen.<br />
Auch wenn der Inhalt des Lernstoffes<br />
der gleiche wäre – es ist einfach nicht<br />
eine altersadäquate Umgebung für junge<br />
Erwachsene. Unter Gleichaltrigen auf<br />
dem Campus ist die Situation sofort eine<br />
völlig andere.<br />
Qualifizierter Abschluss?<br />
Nur sehr wenige Colleges bieten die<br />
Möglichkeit für geistig behinderte Studenten,<br />
„Scheine“ zu erwerben. Die<br />
meisten schaffen nur die Möglichkeit,<br />
Kurse zu besuchen, ohne offizielle Anerkennung.<br />
Eine Ausnahme ist das<br />
Community College of Baltimore County.<br />
Es bietet ein Zwei-Semester-Programm<br />
in Childcare (Kinderversorgung)<br />
an. Die Kurse sind speziell für geistig Behinderte<br />
konzipiert, die Praktika laufen<br />
unter engmaschiger Aufsicht und der<br />
Abschluss ist ein staatlich anerkanntes<br />
Zertifikat als Kinderbetreuerin.<br />
Melissa Silvermann ist eine von zwei<br />
Menschen mit Down-Syndrom, die 2003<br />
erfolgreich das Programm abgeschlossen<br />
haben. Sie arbeitet inzwischen als<br />
Helferin in einem Frühförderzentrum in<br />
der Nähe ihrer Wohnung. Sie verdient<br />
nur sechs Dollar die Stunde (auch in den<br />
USA wenig), aber sie genießt die Arbeit<br />
mit Kindern. „Ihre staatliche Anerkennung<br />
hat ihr Türen geöffnet und Möglichkeiten<br />
gegeben, die sie sonst nicht<br />
gehabt hätte“, sagt ihre Mutter.<br />
In einigen wenigen Fällen haben<br />
Menschen mit geistiger Behinderung ein<br />
College besucht ohne die Unterstützung<br />
durch ein besonderes Programm. Katherine<br />
Apostolides, eine 21-Jährige aus<br />
Pittsburgh mit Down-Syndrom und einer<br />
sehr starken Lernbeeinträchtigung,<br />
ist eine davon. Sie besucht das Becker<br />
College in Massachusetts.<br />
Ihre Eltern haben von Anfang an<br />
darauf bestanden, dass Katherine eine<br />
normale Schule besucht. „Meine Freunde<br />
und Verwandten dachten, ich bin<br />
verrückt. Sie dachten, ich akzeptiere die<br />
Tatsache nicht, dass meine Tochter geistig<br />
behindert ist“, sagt ihre Mutter.<br />
Katherine hat ein Graduation-Diplom<br />
an ihrer High School erworben,<br />
dort hat sie auch für die Schulzeitung<br />
geschrieben und war bei den Cheerlea-<br />
Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005 <strong>49</strong>