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Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter

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Kinder mit Down-Syndrom lachen mehr!<br />

Wenn wir unsere Fotosammlung durchschauen,<br />

können wir dies bestätigen.<br />

Der Unterschied besteht darin, dass<br />

Kinder mit Down-Syndrom die nichtlautsprachliche<br />

Kommunikation (Gesten,<br />

Mimik etc.) nicht als Mittel zum<br />

Zweck einsetzen, d.h. sie benutzen diese<br />

Fähigkeit in herausfordernden Situationen<br />

nicht, um Informationen zu bekommen,<br />

damit sie ein Problem lösen<br />

können, so wie andere Kinder das tun.<br />

Und dies obwohl die frühe nonverbale<br />

soziale Kommunikation eine relative<br />

Stärke dieser Kinder ist. Hier wird deutlich<br />

sichtbar, dass es einen Bruch gibt<br />

zwischen dem instrumentellen Gestikulieren<br />

(Gesten, um zu einem Ziel zu gelangen)<br />

und dem sozialen Gestikulieren<br />

(gestikulieren auf Grund der Soziabilität).<br />

Interessanterweise treten diese Defizite<br />

speziell nur in Problemlösungssituationen<br />

auf. Bei sozialen Routineübungen<br />

benutzen die Kinder sehr wohl<br />

Gesten, Blickkontakt, Mimik etc., um ein<br />

Ziel zu erreichen. Es scheint also nicht<br />

daran zu liegen, dass die Kinder diese<br />

Taktiken nicht beherrschen, sie benutzen<br />

sie jedoch nicht gezielt in für sie<br />

kognitiv herausfordernden Situationen,<br />

um das Verhalten anderer dadurch zu<br />

beeinflussen.<br />

Wechselwirkung zwischen den<br />

Entwicklungsbereichen<br />

Wir nehmen an, dass zwischen den beiden<br />

Entwicklungsdomänen – die relative<br />

Stärke im sozialen Verhalten und die<br />

Defizite in der Entwicklung von strate-<br />

gischem Denken – eine Beziehung besteht,<br />

die zu dem spezifischen Motivationsverhalten,<br />

der geringeren Ausdauer<br />

und dem Sich-Verlassen auf soziale Strategien<br />

führt.<br />

Ein geringes Durchhaltevermögen<br />

könnte die indirekte Folge der auftretenden<br />

Schwierigkeiten beim instrumentellen<br />

und strategischen Denken<br />

sein. Klein- und Vorschulkinder mit<br />

Down-Syndrom, die sich aus herausfordernden<br />

Situationen ausblenden, machen<br />

dies, weil sie nicht in der Lage<br />

sind, neue brauchbare Strategien zu<br />

entwickeln, um die Aufgaben zu lösen.<br />

Sie sehen einfach keine andere Möglichkeiten,<br />

um sich aus der „Situation zu<br />

retten“. So ist – unserer Meinung nach –<br />

diese passive und wenig motivierte Haltung<br />

direkt verbunden mit den primären<br />

Defiziten im instrumentellen Überlegen<br />

und mehr allgemein mit den kognitiven<br />

Einschränkungen.<br />

Außerdem scheint es für diese Kinder<br />

ganz selbstverständlich zu sein,<br />

dass wenn sie sich nicht imstande sehen,<br />

in schwierigen Situationen neue<br />

Strategien zu entwickeln, sie sich lieber<br />

auf ihre Stärken, ihre sozialen Fähigkeiten<br />

verlassen.<br />

So entwickeln sie über die Jahre einen<br />

Stil, wobei sie immer dann, wenn es<br />

kompliziert wird, beharrlich ihren<br />

Charme und ihre anderen positiven sozialen<br />

Verhaltensweisen einsetzen. Dies<br />

führt häufig dazu, dass ihre Bezugspersonen<br />

aufgeben – die Aufgaben bleiben<br />

unerledigt.<br />

Oder sie verlassen sich auf eine andere<br />

soziale Strategie, nämlich sich passiv<br />

zu verhalten und einfach auf Hilfestellung<br />

zu warten, die sie dann auch<br />

bekommen – die Bezugsperson löst<br />

dann die Aufgabe.<br />

Diese beiden sozialen Strategien<br />

wurden wiederholt auch in Testsituationen<br />

festgestellt. Und sogar wenn die<br />

Kinder diese Taktiken nicht anwenden,<br />

bauen sie lieber auf Verweigerung und<br />

„stellen auf stur“, als dass sie versuchen,<br />

neue wirkungsvollere Strategien zu entwickeln,<br />

um eine Aufgabe zu lösen. Es<br />

fällt ihnen schwer, sich von diesem<br />

„Verstocktsein“ zu lösen.<br />

Intervention<br />

Wenn diese Antriebsschwäche, diese<br />

mangelnde Motivation eine Folge der<br />

primären phänotypischen Merkmale ist,<br />

dann müsste es möglich sein, diesen<br />

PSYCHOLOGIE<br />

Entwicklungsweg durch gezielte und<br />

zeitlich richtig eingesetzte Förderung zu<br />

verändern.<br />

Man kann sich z.B. darauf konzentrieren,<br />

Fertigkeiten zum frühen Problemlösen<br />

zu üben. So ließe sich das<br />

persönliche Motivationsverhalten vielleicht<br />

günstig beeinflussen.<br />

Weiter kann man, wenn die Kinder<br />

ein mentales Alter von neun bis 13 Monaten<br />

erreicht haben, ganz gezielt ihre<br />

nonverbale Kommunikation so steuern,<br />

dass sie lernen, diese auch als Mittel einzusetzen,<br />

um Informationen zur Problemlösung<br />

zu bekommen.<br />

Ein anderer wichtiger Bereich der<br />

Förderung könnte das Einüben von<br />

Handlungsabläufen sein. Kleinkinder<br />

mit Down-Syndrom sind nicht in der Lage,<br />

selbst effektive Handlungssequenzen<br />

auszudenken und auszuführen, um ein<br />

bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn die<br />

richtige Strategie, um ein Problem zu lösen,<br />

eine Reihe unterschiedlicher Handlungen<br />

erfordert, stellt dies eine Überforderung<br />

der Kinder dar (z.B. den<br />

Schlüsselbund zu finden, den richtigen<br />

Schlüssel herauszusuchen und die Tür<br />

aufzuschließen). Solche komplexeren<br />

Aufgaben zu lösen, kann man gezielt<br />

fördern.<br />

Schlusswort<br />

Wir wollen versuchen, das Motivations-<br />

Verhalten bei Menschen mit Down-Syndrom<br />

zu verbessern, dabei die positiven<br />

Aspekte des Profils (soziale Motivation)<br />

zu behalten und die negativen Aspekte<br />

zu verringern (z.B. Ausblend-Verhalten).<br />

Auch wenn wir zurzeit noch am Anfang<br />

unserer Arbeit stehen und wir diese<br />

Vorgehensweise als Hypothese annehmen,<br />

weisen doch erste Erfolge darauf<br />

hin, dass dieser Weg effektiv ist.<br />

Kleinen Kindern mit Down-Syndrom<br />

zu helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zu<br />

erkennen, um effektive Strategien zur<br />

Problemlösung zu entwickeln, wird ganz<br />

allgemein ihre akademischen Fähigkeiten<br />

verbessern, ihre Selbstständigkeit<br />

fördern und insgesamt auch positive<br />

Folgen für ihr späteres Leben als Erwachsene<br />

haben.<br />

Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005 25

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