Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
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FÖRDERUNG<br />
Sprechapraxie bei Kindern<br />
und Erwachsenen mit<br />
Down-Syndrom<br />
„Gestern hast du es doch richtig<br />
gesagt – wieso denn heute nicht?“<br />
Libby Kumin<br />
Störungen der Artikulation und die dadurch bedingte<br />
mangelhafte Verständlichkeit der Sprache bei Menschen<br />
mit Down-Syndrom sind ein bekanntes Problem. Ist<br />
die Ursache für die Artikulationsstörungen nur in den<br />
orofazialen Beeinträchtigungen und den durch die<br />
Hypotonie bedingten motorischen Schwierigkeiten zu<br />
suchen oder liegt bei manchen Kindern zusätzlich eine<br />
Sprechapraxie vor?<br />
Libby Kumin, tätig als Direktorin der Abteilung Sprachpathologie<br />
und Audiologie am Loyola College in Baltimore,<br />
USA, arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin der<br />
amerikanischen Down-Syndrom-Association. Sie gründete<br />
schon 1983 ein spezielles Sprachförderinstitut für<br />
Kinder mit Down-Syndrom.<br />
Von Libby Kumin erschienen unter anderem „Communication<br />
Skills in Children with Down Syndrome“ und<br />
„Classroom Language Skills for Children with Down<br />
Syndrome“, zwei hervorragende Ratgeber für Eltern<br />
und Lehrer, die es verdienen, ins Deutsche übersetzt zu<br />
werden.<br />
Viele Kinder mit Down-Syndrom haben<br />
Schwierigkeiten, durchgehend<br />
deutlich zu sprechen. Das eine Mal kann<br />
Ihr Kind klar und deutlich seine Schwester<br />
rufen: „Bonnie, komm her!“ Ein anderes<br />
Mal verwechselt es vielleicht die<br />
Buchstaben in ihrem Namen, lässt Wörter<br />
oder Silben weg und sagt nur: „Nobbie,<br />
komm!“ Noch ein anderes Mal ringt<br />
es um Worte und kann trotz großer Anstrengung<br />
den Namen gar nicht aussprechen.<br />
38 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005<br />
Wieso gelingt es ihm das eine Mal, „Bonnie“<br />
deutlich zu sagen, aber ein anderes<br />
Mal nicht. Wieso hat das Kind große<br />
Schwierigkeiten, eine Limo zu bestellen,<br />
aber wenn die Kellnerin einen Moment<br />
später fragt: „Mit oder ohne Eis?“, sagt<br />
es ganz deutlich: „Das ist mir egal.“ Und<br />
warum hat es mehr Schwierigkeiten mit<br />
einem Wort in einem kurzen Satz als<br />
mit dem gleichen Wort in einem längeren<br />
Satz? Zum Beispiel kann er das<br />
Wort „Pop“ sagen, aber hat Probleme,<br />
wenn „pop“ Teil ist von „Komm, wir holen<br />
uns jetzt Popcorn im Laden!“.<br />
Diese Problematik und diese Inkonsequenz<br />
sind typisch für eine beeinträchtigte<br />
Fähigkeit, Artikulationsbewegungen<br />
zu planen, eine so genannte entwicklungsbedingte<br />
Sprechapraxie. Eine<br />
solche Apraxie kann eine der Komponenten<br />
sein, die die Verständlichkeit der<br />
Sprache Ihres Kindes beeinflussen. Bei<br />
Menschen mit Down-Syndrom wird dieser<br />
Aspekt häufig übersehen.<br />
Was ist eine Sprechapraxie?<br />
Obwohl viele Kinder mit Down-Syndrom<br />
die Sprachcharakteristika einer<br />
Apraxie aufweisen, wird dieser Begriff<br />
in Zusammenhang mit ihren sprachlichen<br />
Schwierigkeiten noch kaum verwendet.<br />
Unter einer Sprechapraxie versteht<br />
man Störungen beim Planen, Kombinieren<br />
und Organisieren, bei der Abfolge<br />
und der Produktion von Phonemen<br />
(Kombinationen von Konsonanten und<br />
Vokalen). Wenn nun ein Kind Probleme<br />
bei der Steuerung motorischer Sprechbewegungen<br />
und mit der Abfolge der<br />
Laute hat, beschreibt man dies mit einer<br />
entwicklungsbedingten Sprechapraxie.<br />
Es gibt in letzter Zeit unter Fachleuten<br />
eine Diskussion über den Begriff<br />
Apraxie. Dieser wurde bisher hauptsächlich<br />
benutzt, um Erwachsene oder<br />
Kinder zu beschreiben, die über eine<br />
normale Sprache verfügten, aber nach<br />
einem Schlaganfall oder einem Hirntrauma<br />
Schwierigkeiten haben, Informationen<br />
zu verarbeiten und Laute in<br />
Worte zu verwandeln. Die Therapie in<br />
solchen Fällen zielt darauf, die verloren<br />
gegangenen Fähigkeiten wieder herzustellen.<br />
Der Begriff „Entwicklungsbedingte<br />
Sprechapraxie“ wird benutzt bei Kindern,<br />
die ähnliche Probleme haben bei<br />
der Planung von Artikulationsbewegungen,<br />
ohne dass eine hirnschädigungsbedingte<br />
Beeinträchtigung vorliegt. Diese<br />
Kinder sind erst dabei, das Sprechen zu<br />
lernen. Hier geht es nicht darum,<br />
sprachliche Fähigkeiten wieder zu gewinnen,<br />
die sie verloren haben, sondern<br />
um Probleme beim Lernen von Sprache<br />
überhaupt.<br />
In den USA wollen die Versicherungen<br />
meistens nicht für die Behandlungskosten<br />
dieser Apraxie aufkommen,<br />
weil sie es als ein Entwicklungsproblem