Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
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Arbeitstage einmal mit ganz anderen<br />
Themen zu befassen. Diesen „Egoismus“<br />
habe ich bis heute nicht bereut.<br />
Zudem habe ich damals noch einmal die<br />
Woche abends Sport gemacht. Das alles<br />
half enorm, um Kraft für meinen Hauptberuf<br />
„Mami“ zu tanken.<br />
„Kleine Schritte“ zur Förderung der<br />
Kreativität<br />
Ich habe ab ca. 3 Monaten mit dem<br />
Frühförderprogramm „Kleine Schritte“<br />
gearbeitet. Nicht so intensiv, wie man<br />
sollte, aber immerhin.<br />
Die Frühfördertherapeutin hat mir<br />
dabei geholfen. Für mich war und ist es<br />
eine Richtschnur, um zu sehen, wo Vivi<br />
steht und wohin ich sie als Nächstes begleiten<br />
kann.<br />
Am Anfang haben wir ca. alle sechs<br />
bis acht Wochen die Checklisten der verschiedenen<br />
Bereiche „abgehakt“. Das<br />
war aufgrund der Vielfalt erkennbarer<br />
Fortschritte sehr motivierend. Inzwischen<br />
geht es allerdings gemächlicher<br />
voran, da ein vierjähriges Mädchen einfach<br />
komplexer gestrickt ist als ein kleines<br />
Baby. Die „Kleinen Schritte“ haben<br />
mir geholfen, meine Ungeduld zu bekämpfen<br />
und ein großes Bild von der<br />
multidimensionalen Entwicklung eines<br />
Kleinkindes zu bekommen. Zusätzlich<br />
ist es für mich eine Hilfestellung für die<br />
gemeinsame Arbeit mit der Frühfördertherapeutin.<br />
So hatte ich bereits vor ca. zwei Jahren<br />
gehofft, ich könnte schon bald mein<br />
„Häkchen“ unter der Rubrik „Hüpfen“<br />
machen. Nachdem mir die Frühfördertherapeutin<br />
erklärt hatte, was für ein<br />
schwieriges Unterfangen das ist, habe<br />
ich geduldig gewartet … und jetzt, mit<br />
vier Jahren, klappt es auf einmal. War<br />
es die kleine Schwester Leonie, die Vivi<br />
dazu motiviert hat, das „Springen“ vom<br />
Beckenrand ins Schwimmbad im Sommerurlaub,<br />
das Hüpfen ins Heu bei der<br />
Tagesmami Nummer zwei auf dem Bauernhof?<br />
Wahrscheinlich von allem etwas<br />
…<br />
Auch wenn ich eine Art Hassliebe<br />
mit den „Kleinen Schritten“ führe, haben<br />
sie mich durch das schrittweise<br />
Vorgehen etwas ganz Wichtiges gelehrt:<br />
Zum einen bin ich ziemlich kreativ geworden,<br />
was die Förderung von Viviane<br />
anbelangt. Zum anderen hätte ich ohne<br />
die „Kleinen Schritte“ nicht „gelernt“,<br />
auf die Details des Lebens zu achten.<br />
Als ich letzten Herbst mit den Kindern<br />
einen „Spaziergang“ (ca. 500 Meter) gemacht<br />
habe, sind wir durch ein kleines<br />
Stück Wald an einem Bach entlang gelaufen.<br />
Wir haben uns die verschiedenen<br />
Farben der Blätter angeschaut, das<br />
Laub in die Luft geworfen, die Rinde am<br />
Baumstamm gefühlt, sind auf dem<br />
Baumstamm balanciert und haben „Auf<br />
der Mauer, auf der Lauer“ gesungen,<br />
sind vom Baumstumpf gehüpft, haben<br />
dem Rauschen des Baches gelauscht<br />
und dem Vogelgezwitscher, haben kleine<br />
und große Steine ins Wasser geworfen,<br />
haben den Unterschied zwischen<br />
trockenen und nassen Steinen gespürt<br />
und und und.<br />
Das alles binnen einer Stunde – eigentlich<br />
die Power-Frühförderung, wie<br />
mir abends beim Wiederholen des Tagesablaufs<br />
mit Vivi bewusst wurde. Ohne<br />
sie würde ich die Welt nicht so bewusst<br />
und mit „Kinderaugen“ sehen.<br />
Videokamera – Erlebtes bleibt<br />
erhalten<br />
Als Viviane ein Jahr alt war, haben wir<br />
uns zum Kauf einer Videokamera entschlossen.<br />
Eine lohnende Investition.<br />
Anhand der Sequenzen, die ich gefilmt<br />
habe, z.B. so alltägliche Dinge wie Enten<br />
füttern, Besuch von Oma und Opa etc.<br />
und das wiederholte gemeinsame Anschauen,<br />
hat sie sich Namen von Personen<br />
sehr gut merken können und auch<br />
Erlebnisse mit deren Einzelheiten, z.B.<br />
beim Zoobesuch die ganzen Tiere, beim<br />
Fastnachtsumzug die Instrumente, beim<br />
Fingerfarbenmalen die Farben etc.<br />
ERFAHRUNGSBERICHT<br />
Musik liegt in der Luft<br />
Schon als Vivi ein kleines Baby war, habe<br />
ich viel mit ihr gesungen und getanzt<br />
(vorzugsweise Ricky Martin). Auch der<br />
Papi hat ihr viele Kinderlieder auf dem<br />
Klavier vorgespielt und ich habe meine<br />
alte Gitarre wieder ausgegraben.<br />
Ein Kurs zum Muki-Singen gab mir<br />
Anregungen, die Lieder mit Gestik und<br />
Rhythmusinstrumenten (z.B. Reis in einer<br />
Filmdose) zu untermalen. Unsere<br />
CD-Sammlung ist inzwischen auf eine<br />
beachtliche Zahl angewachsen. Und sobald<br />
wir Auto fahren, tönt es vom Rücksitz:<br />
„Mami, Kindermusik bitte,“ Ob die<br />
dauernde Wiederholung sowohl von Videos<br />
als auch Liedern Vivis Sprachentwicklung<br />
(sowohl expressiv als auch rezeptiv)<br />
unterstützt hat? Auf jeden Fall<br />
hat sie mit zwei Jahren schon fast 50<br />
Wörter gesprochen und heute kommen<br />
Drei- und Mehrwortsätze. Auch das<br />
„du“ sagt sie und das „ich“– anscheinend<br />
ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt<br />
– kommt immer häufiger.<br />
Zeitverständnis<br />
Nachdem wir meine größte Angst, dass<br />
Vivi nicht sprechen kann, aus dem Weg<br />
räumen konnten, bin ich mutiger geworden.<br />
Ich hatte mal gelesen, dass<br />
Menschen mit Down-Syndrom eher im<br />
Hier und Jetzt leben und kein Zeitverständnis<br />
besäßen. Ich dachte mir: Einen<br />
Versuch ist es wert, das Gegenteil<br />
auszuprobieren, und habe einen Wochenkalender<br />
gebastelt, der über der<br />
Wickelkommode hängt (DIN-A1-Format,<br />
unterteilt nach vor- und nachmit-<br />
Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005 59