Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
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FÖRDERUNG<br />
Sprachförderung für Menschen mit<br />
Down-Syndrom – ein Leben lang<br />
Jean Rondal<br />
Bei den beiden letzten Down-Syndrom-Kongressen in Genua und in<br />
Palma de Mallorca fasste Jean Rondal in seinem Vortrag zusammen,<br />
was bei der Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom beachtet<br />
werden sollte. Er betonte, wie wichtig und dringend notwendig es sei,<br />
effektivere Förderprogramme für diesen Personenkreis zu entwickeln,<br />
damit ein möglichst hoher Entwicklungsstand erreicht wird. Denn je<br />
höher das erreichte Entwicklungsniveau des Einzelnen ist, desto mehr<br />
wird dies zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, desto<br />
nützlicher wird diese Person für die Gesellschaft sein und desto geringer<br />
werden die sozialen Ressourcen sein, die man für ihn langfristig<br />
aufbringen muss.<br />
Das wichtigste Ziel von Sprachförderung<br />
ist es logischerweise, bei Menschen<br />
mit ernsthaften Sprachproblemen<br />
den Entwicklungsverlauf und das schließlich<br />
erreichte Niveau ihrer sprachlichen<br />
Fertigkeiten wesentlich zu verbessern.<br />
Bei Menschen mit genetischen Syndromen,<br />
wie u.a. Down-Syndrom, die<br />
mit einer Entwicklungsverzögerung einhergehen,<br />
geht es darum, die Entwicklung<br />
so zu beeinflussen, dass dadurch<br />
ein Niveau erreicht wird, das man sonst<br />
möglicherweise nicht erreicht hätte.<br />
Kenntnisse erforderlich<br />
Um effektiv fördern zu können, ist es<br />
wesentlich, dass man über möglichst<br />
viele Kenntnisse betreffend das pathologische<br />
Bild der Behinderungsart, ihre<br />
Merkmale und ihren Entwicklungsverlauf<br />
verfügt. Dies ist ebenfalls logisch, jedoch<br />
hapert es in der Praxis häufig an<br />
eben diesen Kenntnissen.<br />
Dabei ist über den Verlauf und die<br />
typischen Merkmalen der Sprachentwicklung<br />
bei Menschen mit Down-Syndrom<br />
heute durch zahlreiche Publikationen<br />
auf diesem Gebiet, vor allem aus<br />
den letzten 25 Jahren, relativ viel bekannt.<br />
Sprache bei Menschen mit<br />
Down-Syndrom<br />
Die Sprachentwicklung und die Ent-<br />
30 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005<br />
wicklung der Sprechfähigkeit von Personen<br />
mit Down-Syndrom können am besten<br />
umschrieben werden – unter der Verwendung<br />
von Oberbegriffen – als gekennzeichnet<br />
durch Defizite im formalen<br />
Bereich in Verbindung mit einer besser<br />
erhaltenen semantischen und<br />
pragmatischen Veranlagung (Rondal &<br />
Edwards, 1997).<br />
Außerdem gibt es bedeutende individuelle<br />
Unterschiede in der Entwicklung<br />
und der Sprachkompetenz (cf.<br />
Rondal, 1995, 2003).<br />
Artikulatorische und co-artikulatorische<br />
Probleme sind die Regel, vor allem<br />
bei den schwierigeren Phonemen in den<br />
verschiedenen Sprachen.<br />
Gleichzeitig liegt häufig eine verzögerte<br />
und unvollständige Reifung der<br />
phonetischen Diskriminierung vor.<br />
Morphosyntaktische Einschränkungen<br />
verringern die Länge und die formale<br />
Komplexität der Äußerungen.<br />
Die Flexionsmorphologie kann problematisch<br />
und unbeständig sein.<br />
Die Sprachproduktion von Nebensätzen<br />
und komplexen Sätzen ist eingeschränkt.<br />
Dies gilt ebenso für das Verständnis<br />
solcher Sätze.<br />
Oft fehlt bei längeren sprachlichen<br />
Äußerungen der Zusammenhang.<br />
Im Gegensatz dazu werden normalerweise<br />
keine speziellen Schwierigkeiten<br />
bei der konkreten Deutung von Wör-<br />
tern oder einfachen semantischen<br />
Strukturen in zusammengesetzter Sprache<br />
festgestellt.<br />
Außerdem entspricht das sprachliche<br />
Handeln, was den sozialen und inhaltlichen<br />
Aspekt betrifft, durchaus dem<br />
mentalen Alter, allerdings mit eingeschränkten<br />
formalen Mitteln.<br />
Auch die räumlichen, zeitlichen und<br />
sozialen Deixis und Voraussetzungen<br />
entsprechen dem mentalen Entwicklungsalter.<br />
Das Verstehen von zusammenhängenden,<br />
erzählerischen, beschreibenden<br />
und argumentativen Äußerungen<br />
verbessert sich bei zunehmendem Entwicklungsalter.<br />
Förderung der Sprache langfristig<br />
anlegen<br />
Aus dem heutigen Wissensstand über<br />
die Sprachentwicklung und den Sprachgebrauch<br />
bei Menschen mit Down-Syndrom<br />
können wir schließen, dass wir<br />
am besten von einer langfristig angelegten<br />
Förderung ausgehen müssen. Diesbezüglich<br />
können wir vier verschiedene<br />
Phasen unterscheiden:<br />
1. Frühe Förderung<br />
2. Förderung im Schulalter<br />
3. Weiterführende Förderung im Erwachsenenalter<br />
4. Förderung zum Erhalt der Fähigkeiten<br />
auch im hohen Alter