Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Nr. 49, Mai - DS-InfoCenter
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ERWACHSENE<br />
Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit<br />
bei Jugendlichen mit Down-Syndrom<br />
Anna Contardi<br />
Übersetzung: Judith Halder<br />
So selbstständig wie nur möglich sollte das Ziel der Erziehung sein. Das ist nicht immer<br />
einfach für Eltern behinderter Kinder. Einerseits trauen sie ihren Kindern vieles<br />
nicht zu, andererseits entwickeln sie ihnen gegenüber oft eine sehr beschützende<br />
Haltung, die den Weg in die Unabhängigkeit eher erschwert. Dazu kommen noch die<br />
Schwierigkeiten, die Jugendliche auf Grund ihrer Behinderung sowieso haben.<br />
Der italienische Down-Syndrom-Verein AIPD bietet ein spezielles Kursprogramm an,<br />
um die Selbstständigkeit von Personen mit Down-Syndrom zu fördern.<br />
Warum eine Erziehung zur<br />
Selbstständigkeit?<br />
Die ganze Erwicklung und das Heranwachsen<br />
eines Kindes können als ein<br />
Prozess betrachtet werden, der von der<br />
Abhängigkeit in die Selbstständigkeit<br />
führt und der abgeschlossen ist, wenn<br />
das Kind erwachsen und arbeitsfähig<br />
ist, ein Bürger mit Rechten und Pflichten<br />
wird und Beziehungen zu anderen Erwachsenen<br />
aufbaut.<br />
Auf dem Weg in die Selbstständigkeit<br />
stößt das behinderte Kind auf zwei Arten<br />
von Hindernissen: zum einen die<br />
Schwierigkeiten, die direkt durch seine<br />
Behinderung entstehen, zum anderen<br />
das oft ängstliche und ambivalente Verhalten<br />
seines Umfeldes, das es manchmal<br />
daran hindert, sein Potenzial trotz<br />
seiner benachteiligten Situation voll<br />
auszuschöpfen<br />
Oft entwickeln die Eltern, aber auch<br />
andere, die mit dem behinderten Kind<br />
zu tun haben – manchmal seine eigenen<br />
Assistenten und Lehrer, ihm gegenüber<br />
eine sehr unterstützende und beschützende<br />
Haltung, die den Weg in die Unabhängigkeit<br />
erschwert. Es scheint fast,<br />
als ob man durch viel Liebe und Zuneigung<br />
und durch Verhätscheln versuchen<br />
wolle, die Unbequemlichkeit seiner<br />
Behinderung wieder gut zu machen.<br />
Wenn der behinderte Mensch aber immer<br />
wie ein kleines Kind behandelt<br />
wird, bleibt er unfähig, selbst etwas zu<br />
tun, und folglich auf Unterstützung angewiesen.<br />
Er braucht dann auf Dauer je-<br />
44 Leben mit Down-Syndrom <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>, <strong>Mai</strong> 2005<br />
manden, der ihm zur Seite steht und für<br />
ihn handelt.<br />
Aber es hat sich in den letzten Jahren<br />
unter denen, die sich um Menschen<br />
mit einer geistigen Behinderung kümmern,<br />
etwas geändert. Man ist immer<br />
mehr davon überzeugt, wie wichtig die<br />
Erziehung zur Selbstständigkeit für die<br />
Entwicklung und die soziale Integration<br />
für diesen Personenkreis ist.<br />
Jeder wird einsehen, dass es z.B.<br />
einfacher für einen Kindergarten ist, ein<br />
behindertes Kind aufzunehmen, das<br />
schon selbstständig auf die Toilette gehen<br />
oder selbstständig essen kann, sich<br />
auf etwas konzentrieren kann und sich<br />
an die Regeln hält. Wenn solche Fähigkeiten<br />
schon vorhanden sind, erleichtern<br />
sie weiteres Lernen in dem Kindergarten.<br />
Selbstständigkeit ist auch die<br />
Grundvoraussetzung für die Aufnahme<br />
der Jugendlichen und Erwachsenen mit<br />
Behinderung an einem Arbeitsplatz und<br />
in der Gesellschaft allgemein.<br />
Viele Ziele jedoch, vor allem im Bereich<br />
der Außen-Autonomie (Selbstständigkeit<br />
außerhalb der Familie?) sind im<br />
familiären Bereich schwer zu erreichen.<br />
Das Einüben solcher Fertigkeiten<br />
fällt außerdem in eine Zeit, in der die Jugendlichen<br />
genauso wie die anderen<br />
Heranwachsenden anfangen, sich von<br />
den Eltern loszulösen, Kritik von den Eltern<br />
schlecht vertragen und den Aufforderungen<br />
ihrer Eltern nicht mehr so<br />
gern nachkommen.<br />
Gleichzeitig ist es häufig auch für die<br />
Eltern schwierig zu erkennen und zu akzeptieren,<br />
dass ihre Kinder groß werden,<br />
und sie diesen Prozess irgendwie<br />
unterstützen müssen.<br />
Das Kursprogramm von AIPD<br />
kommt gut an<br />
Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden<br />
und als Reaktion auf die Anfragen<br />
von Eltern wurde 1989 in Rom durch<br />
die AIPD ein Kursprogramm zur Erziehung<br />
zur Selbstständigkeit für Personen<br />
mit Down-Syndrom entwickelt, das sich<br />
an Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren<br />
richtet.<br />
Heute gehört dieser Kurs zu einer<br />
der wichtigsten Aktivitäten des Vereins<br />
und in Rom nehmen jährlich 50 bis 60<br />
Jugendliche daran teil. Motiviert durch<br />
die Erfahrungen in Rom, hat die Idee in<br />
anderen Städten, wo der Verein ansässig<br />
ist, Fuß gefasst, dort entstanden weitere<br />
Kurse. Zurzeit gibt es Kurse zur<br />
Selbstständigkeit in 20 verschiedenen<br />
Städten und viele andere Organisationen,<br />
Kommunen und soziale Zentren<br />
haben sich von diesem AIPD-Modell inspirieren<br />
lassen. In Rom sind angeregt<br />
durch unser Kursprogramm weitere<br />
Angebote mit der gleichen Zielsetzung<br />
und nach der gleichen Methode arbeitend<br />
auch im Wohn- und Freizeitbereich<br />
entstanden.<br />
Der Kursaufbau<br />
Um einen Arbeitsplan für die Erziehung<br />
zur Selbstständigkeit zu erstellen, um